Maaße gemessen, gegen welches unsere größten noch viel zu klein sind, und unser ganzes Planetensystem, so ungeheuer es uns er- scheint, ist doch nur ein unmerklicher Punkt des Ganzen.
Wenn daher diese, gegen das ganze Sonnensystem so viel kleinere Erde, gleich den Früchten ihrer Fluren, auch allmählig ihrer Bestimmung entgegen reift und altert, wenn sie vielleicht von denselben Kräften, die sie erzeugt, und so lange erhalten haben, auch einmal wieder zerstört werden sollte -- wollen wir uns auflehnen gegen das ewige Gesetz der Natur? Sind wir denn nicht uns selbst und alles das Unsrige, diese Erde selbst nicht ausgenommen, den Elementen schuldig? -- Wenn diese nun wieder aufwachen und das ihrige zurückfordern; wenn Feuer und Wasser und Winde, die unsere Erde bewohnbar und fruchtbar ge- macht haben, in ihrem Laufe fortschreiten, und sie auch wieder zu zerstören beginnen; wenn diese Sonne, die uns so lange er- leuchtete und erwärmte, die alles Lebende so viele Jahrtausende auferzog und an goldenen Seilen um ihr erfreuendes Antlitz lenkte, wenn sie die alternde Kraft der Erde, die sich nicht mehr zu er- halten vermag, nun endlich wieder herab zieht in ihren brennenden Schooß -- ja wenn sie selbst, die Königin unserer Tage, wenn sie ihre Zeit gelebt und ihre Bestimmung erfüllt hat, wenn endlich sie selbst erlischt und verschwindet aus der Reihe der erschaffenen Wesen -- so entsetzlich dieß auch uns scheinen mag -- was ge- schähe dann anders, als was nach dem ewigen Gesetze der Natur geschehen muß?
Denn überall, wo wir in dem Weltraume Entstehen, Wachs- thum und Zunahme bemerken, da muß auch Abnahme und Tod seyn, und wo immer im Wechsel der Dinge Fortgang ist, da ist auch Untergang, scheinbarer Untergang wenigstens, Ab- wechslung von Gestalten und Formen. Alles, was Körper, das heißt, was sterblich ist, eilt seiner Auflösung entgegen, und kann von keiner Kraft davon zurück gehalten werden. Und wie auf den Gipfeln unserer Berge, und in den Abgründen der Erde die Versteinerungen und Ueberreste der Pflanzen und Thiere einer längst verschwundenen Vorwelt zerstreut liegen, so werden auch einst die morschen Trümmer des großen, himmlischen Baues über uns, in dem Weltenraume zerstreut werden. Diese Sonne, diese Sterne
Dauer des Weltſyſtems.
Maaße gemeſſen, gegen welches unſere größten noch viel zu klein ſind, und unſer ganzes Planetenſyſtem, ſo ungeheuer es uns er- ſcheint, iſt doch nur ein unmerklicher Punkt des Ganzen.
Wenn daher dieſe, gegen das ganze Sonnenſyſtem ſo viel kleinere Erde, gleich den Früchten ihrer Fluren, auch allmählig ihrer Beſtimmung entgegen reift und altert, wenn ſie vielleicht von denſelben Kräften, die ſie erzeugt, und ſo lange erhalten haben, auch einmal wieder zerſtört werden ſollte — wollen wir uns auflehnen gegen das ewige Geſetz der Natur? Sind wir denn nicht uns ſelbſt und alles das Unſrige, dieſe Erde ſelbſt nicht ausgenommen, den Elementen ſchuldig? — Wenn dieſe nun wieder aufwachen und das ihrige zurückfordern; wenn Feuer und Waſſer und Winde, die unſere Erde bewohnbar und fruchtbar ge- macht haben, in ihrem Laufe fortſchreiten, und ſie auch wieder zu zerſtören beginnen; wenn dieſe Sonne, die uns ſo lange er- leuchtete und erwärmte, die alles Lebende ſo viele Jahrtauſende auferzog und an goldenen Seilen um ihr erfreuendes Antlitz lenkte, wenn ſie die alternde Kraft der Erde, die ſich nicht mehr zu er- halten vermag, nun endlich wieder herab zieht in ihren brennenden Schooß — ja wenn ſie ſelbſt, die Königin unſerer Tage, wenn ſie ihre Zeit gelebt und ihre Beſtimmung erfüllt hat, wenn endlich ſie ſelbſt erliſcht und verſchwindet aus der Reihe der erſchaffenen Weſen — ſo entſetzlich dieß auch uns ſcheinen mag — was ge- ſchähe dann anders, als was nach dem ewigen Geſetze der Natur geſchehen muß?
Denn überall, wo wir in dem Weltraume Entſtehen, Wachs- thum und Zunahme bemerken, da muß auch Abnahme und Tod ſeyn, und wo immer im Wechſel der Dinge Fortgang iſt, da iſt auch Untergang, ſcheinbarer Untergang wenigſtens, Ab- wechslung von Geſtalten und Formen. Alles, was Körper, das heißt, was ſterblich iſt, eilt ſeiner Auflöſung entgegen, und kann von keiner Kraft davon zurück gehalten werden. Und wie auf den Gipfeln unſerer Berge, und in den Abgründen der Erde die Verſteinerungen und Ueberreſte der Pflanzen und Thiere einer längſt verſchwundenen Vorwelt zerſtreut liegen, ſo werden auch einſt die morſchen Trümmer des großen, himmliſchen Baues über uns, in dem Weltenraume zerſtreut werden. Dieſe Sonne, dieſe Sterne
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Dauer des Weltſyſtems.
Maaße gemeſſen, gegen welches unſere größten noch viel zu klein
ſind, und unſer ganzes Planetenſyſtem, ſo ungeheuer es uns er-
ſcheint, iſt doch nur ein unmerklicher Punkt des Ganzen.
Wenn daher dieſe, gegen das ganze Sonnenſyſtem ſo viel
kleinere Erde, gleich den Früchten ihrer Fluren, auch allmählig
ihrer Beſtimmung entgegen reift und altert, wenn ſie vielleicht von
denſelben Kräften, die ſie erzeugt, und ſo lange erhalten haben,
auch einmal wieder zerſtört werden ſollte — wollen wir uns
auflehnen gegen das ewige Geſetz der Natur? Sind wir denn
nicht uns ſelbſt und alles das Unſrige, dieſe Erde ſelbſt nicht
ausgenommen, den Elementen ſchuldig? — Wenn dieſe nun
wieder aufwachen und das ihrige zurückfordern; wenn Feuer und
Waſſer und Winde, die unſere Erde bewohnbar und fruchtbar ge-
macht haben, in ihrem Laufe fortſchreiten, und ſie auch wieder
zu zerſtören beginnen; wenn dieſe Sonne, die uns ſo lange er-
leuchtete und erwärmte, die alles Lebende ſo viele Jahrtauſende
auferzog und an goldenen Seilen um ihr erfreuendes Antlitz lenkte,
wenn ſie die alternde Kraft der Erde, die ſich nicht mehr zu er-
halten vermag, nun endlich wieder herab zieht in ihren brennenden
Schooß — ja wenn ſie ſelbſt, die Königin unſerer Tage, wenn ſie
ihre Zeit gelebt und ihre Beſtimmung erfüllt hat, wenn endlich
ſie ſelbſt erliſcht und verſchwindet aus der Reihe der erſchaffenen
Weſen — ſo entſetzlich dieß auch uns ſcheinen mag — was ge-
ſchähe dann anders, als was nach dem ewigen Geſetze der Natur
geſchehen muß?
Denn überall, wo wir in dem Weltraume Entſtehen, Wachs-
thum und Zunahme bemerken, da muß auch Abnahme und Tod
ſeyn, und wo immer im Wechſel der Dinge Fortgang iſt, da
iſt auch Untergang, ſcheinbarer Untergang wenigſtens, Ab-
wechslung von Geſtalten und Formen. Alles, was Körper, das
heißt, was ſterblich iſt, eilt ſeiner Auflöſung entgegen, und kann
von keiner Kraft davon zurück gehalten werden. Und wie auf
den Gipfeln unſerer Berge, und in den Abgründen der Erde die
Verſteinerungen und Ueberreſte der Pflanzen und Thiere einer
längſt verſchwundenen Vorwelt zerſtreut liegen, ſo werden auch einſt
die morſchen Trümmer des großen, himmliſchen Baues über uns,
in dem Weltenraume zerſtreut werden. Dieſe Sonne, dieſe Sterne
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/229>, abgerufen am 24.11.2024.
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