Spur auffinden kann. Ein einziger Gran Moschus verbreitet in einem großen und luftigen Zimmer oft mehrere Jahre durch einen starken Geruch, und Papiere, die neben Moschus gelegen haben, können die Reise nach Ostindien und zurück machen, ohne ihren Geruch zu verlieren. Bedenkt man nun, wie viele Moschus- Theilchen sich von einem solchen Körper in jeder Sekunde abson- dern müssen, um nach allen Richtungen von ihm durch den Geruch erkannt zu werden, so muß man über die Menge, also auch über die Kleinheit dieser Theilchen erstaunen.
Nicht minder bewunderungswürdig erscheint uns der Sinn des Gesichts. Das Licht des Mondes, auch viele tausendmale in unsern Hohlspiegeln und Brenngläsern verdichtet, zeigt nicht die geringste Wirkung, weder auf unsere Thermometer, noch auch auf die chemischen Erscheinungen der Körper, die diesem höchst conden- sirten Lichte ausgesetzt werden. Aber so wie auch nur ein Strahl des nicht verdichteten Mondlichts die Pupille unseres Auges trifft, zieht sich dieselbe sogleich zusammen, und doch bleibt diese Pupille ganz unbeweglich, wenn man sie mit den Spitzen einer Nadel kratzt, wenn man sie mit Säuren benetzt, oder wenn man electri- sche Funken auf die Oberfläche derselben leitet. Diese Beispiele mögen uns lehren, mit welcher Behutsamkeit man zu Werke gehen muß, wenn man von Experimenten, an leblosen Körpern ange- stellt, auf jene schließen will, die an den mit Leben begabten Substanzen statt haben, und ohne Zweifel sind unsere Physiologen besonders aus dem Grunde noch so weit hinter ihren eigenen Wünschen zurück, weil sie ihre Beobachtungen an dem thierischen Organismus gewöhnlich erst dann anstellen können, wenn bereits das Leben aus ihm entflohen ist.
§. 8. (Krystallisation der Körper.) Durch Bemerkungen dieser Art, die sich so oft darbieten, wird man versucht, alle Körper der Natur als ins Unendliche theilbar anzunehmen. Allein die son- derbaren Phänomene der Krystallisation scheinen dieser Annahme zu widersprechen. -- Wenn Salz mit Wasser gemischt und das Gemenge einer höheren Temperatur ausgesetzt wird, so verdampft das Wasser allmählig und wenn einmal so viel Wasser sich in Dampfgestalt entfernt hat, daß der noch übrige Rest desselben nicht mehr im Stande ist, die ganze Masse des Salzes im flüssigen
Eigenſchaften der Körper.
Spur auffinden kann. Ein einziger Gran Moſchus verbreitet in einem großen und luftigen Zimmer oft mehrere Jahre durch einen ſtarken Geruch, und Papiere, die neben Moſchus gelegen haben, können die Reiſe nach Oſtindien und zurück machen, ohne ihren Geruch zu verlieren. Bedenkt man nun, wie viele Moſchus- Theilchen ſich von einem ſolchen Körper in jeder Sekunde abſon- dern müſſen, um nach allen Richtungen von ihm durch den Geruch erkannt zu werden, ſo muß man über die Menge, alſo auch über die Kleinheit dieſer Theilchen erſtaunen.
Nicht minder bewunderungswürdig erſcheint uns der Sinn des Geſichts. Das Licht des Mondes, auch viele tauſendmale in unſern Hohlſpiegeln und Brenngläſern verdichtet, zeigt nicht die geringſte Wirkung, weder auf unſere Thermometer, noch auch auf die chemiſchen Erſcheinungen der Körper, die dieſem höchſt conden- ſirten Lichte ausgeſetzt werden. Aber ſo wie auch nur ein Strahl des nicht verdichteten Mondlichts die Pupille unſeres Auges trifft, zieht ſich dieſelbe ſogleich zuſammen, und doch bleibt dieſe Pupille ganz unbeweglich, wenn man ſie mit den Spitzen einer Nadel kratzt, wenn man ſie mit Säuren benetzt, oder wenn man electri- ſche Funken auf die Oberfläche derſelben leitet. Dieſe Beiſpiele mögen uns lehren, mit welcher Behutſamkeit man zu Werke gehen muß, wenn man von Experimenten, an lebloſen Körpern ange- ſtellt, auf jene ſchließen will, die an den mit Leben begabten Subſtanzen ſtatt haben, und ohne Zweifel ſind unſere Phyſiologen beſonders aus dem Grunde noch ſo weit hinter ihren eigenen Wünſchen zurück, weil ſie ihre Beobachtungen an dem thieriſchen Organismus gewöhnlich erſt dann anſtellen können, wenn bereits das Leben aus ihm entflohen iſt.
§. 8. (Kryſtalliſation der Körper.) Durch Bemerkungen dieſer Art, die ſich ſo oft darbieten, wird man verſucht, alle Körper der Natur als ins Unendliche theilbar anzunehmen. Allein die ſon- derbaren Phänomene der Kryſtalliſation ſcheinen dieſer Annahme zu widerſprechen. — Wenn Salz mit Waſſer gemiſcht und das Gemenge einer höheren Temperatur ausgeſetzt wird, ſo verdampft das Waſſer allmählig und wenn einmal ſo viel Waſſer ſich in Dampfgeſtalt entfernt hat, daß der noch übrige Reſt deſſelben nicht mehr im Stande iſt, die ganze Maſſe des Salzes im flüſſigen
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[9/0021]
Eigenſchaften der Körper.
Spur auffinden kann. Ein einziger Gran Moſchus verbreitet in
einem großen und luftigen Zimmer oft mehrere Jahre durch einen
ſtarken Geruch, und Papiere, die neben Moſchus gelegen haben,
können die Reiſe nach Oſtindien und zurück machen, ohne ihren
Geruch zu verlieren. Bedenkt man nun, wie viele Moſchus-
Theilchen ſich von einem ſolchen Körper in jeder Sekunde abſon-
dern müſſen, um nach allen Richtungen von ihm durch den Geruch
erkannt zu werden, ſo muß man über die Menge, alſo auch über
die Kleinheit dieſer Theilchen erſtaunen.
Nicht minder bewunderungswürdig erſcheint uns der Sinn
des Geſichts. Das Licht des Mondes, auch viele tauſendmale in
unſern Hohlſpiegeln und Brenngläſern verdichtet, zeigt nicht die
geringſte Wirkung, weder auf unſere Thermometer, noch auch auf
die chemiſchen Erſcheinungen der Körper, die dieſem höchſt conden-
ſirten Lichte ausgeſetzt werden. Aber ſo wie auch nur ein Strahl
des nicht verdichteten Mondlichts die Pupille unſeres Auges trifft,
zieht ſich dieſelbe ſogleich zuſammen, und doch bleibt dieſe Pupille
ganz unbeweglich, wenn man ſie mit den Spitzen einer Nadel
kratzt, wenn man ſie mit Säuren benetzt, oder wenn man electri-
ſche Funken auf die Oberfläche derſelben leitet. Dieſe Beiſpiele
mögen uns lehren, mit welcher Behutſamkeit man zu Werke gehen
muß, wenn man von Experimenten, an lebloſen Körpern ange-
ſtellt, auf jene ſchließen will, die an den mit Leben begabten
Subſtanzen ſtatt haben, und ohne Zweifel ſind unſere Phyſiologen
beſonders aus dem Grunde noch ſo weit hinter ihren eigenen
Wünſchen zurück, weil ſie ihre Beobachtungen an dem thieriſchen
Organismus gewöhnlich erſt dann anſtellen können, wenn bereits
das Leben aus ihm entflohen iſt.
§. 8. (Kryſtalliſation der Körper.) Durch Bemerkungen dieſer
Art, die ſich ſo oft darbieten, wird man verſucht, alle Körper der
Natur als ins Unendliche theilbar anzunehmen. Allein die ſon-
derbaren Phänomene der Kryſtalliſation ſcheinen dieſer Annahme
zu widerſprechen. — Wenn Salz mit Waſſer gemiſcht und das
Gemenge einer höheren Temperatur ausgeſetzt wird, ſo verdampft
das Waſſer allmählig und wenn einmal ſo viel Waſſer ſich in
Dampfgeſtalt entfernt hat, daß der noch übrige Reſt deſſelben nicht
mehr im Stande iſt, die ganze Maſſe des Salzes im flüſſigen
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/21>, abgerufen am 23.07.2024.
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