bilden, eine Rinde oder Kugelschaale, welche die innere, noch dich- tere Luft ringsum einschließt, und die an manchen ihrer Stellen so dünn seyn kann, daß sie durch eine von innen auf sie wirkende Kraft leicht dem Zerbrechen ausgesetzt wird.
Nimmt man also mit Franklin an, daß alle Materien mit ihren Kräften anfänglich wie ein Dunst durch den Weltraum verbreitet gewesen sind, so mußten sich, wenn die Anziehung der einzelnen Theile dieser Materie zu wirken anfing, die schweren Dunsttheilchen dem Mittelpunkte mehr nähern, und da sie sich, vermöge ihrer Elasticität, auch einander abstoßen, zugleich immer dichter werden, je mehr sie sich anhäuften, wodurch denn eben die erwähnte Luftkugel entstanden seyn kann, welcher sich die übrigen Körper auf die angegebene Weise festsetzten. Viele dieser Körper, die anfangs zu tief in die Luft durch ihren Fall eingesunken waren, stiegen nachher wieder auf, schlossen sich an die übrigen an, und bildeten endlich diese Kruste, diese Ober- fläche der Erde, die wir bewohnen, und die jetzt so tief in die ganze Luftkugel eingesenkt ist, daß bloß unsere gegenwärtige Atmosphäre darüber noch hervorsteht. Chemische Prozesse, Gas- entwickelungen, Explosionen von Dämpfen, die unter dieser Kruste in der so stark verdichteten Luft statt haben, werden diese Kruste an einzelnen Stellen durchbrechen, wodurch die neptunischen und vulkanischen Revolutionen erklärt werden können, die unsere Erde schon so oft erlitten zu haben scheint, oder sie werden, wenn sie jene Kruste nicht zerbrechen können, in der untern Luft Wellen verursachen, die sich auf Tausende von Meilen erstrecken, und uns als Erdbeben fühlbar seyn werden.
Dieser ursprüngliche Dunst, dieser Nebel, diese chaotische Ur- materie, oder wie man sie sonst nennen will, ist nicht mit unserer atmosphärischen Luft identisch, da diese letzte gleichsam nur ein Produkt, oder der feinste Theil von jenen ist. Wir haben bereits oben, bei Betrachtung der Sterngruppen und Nebelmassen des Himmels gesehen, daß die Annahme einer solchen nebelartigen Urmasse sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich habe, eine Meinung, die schon Newton hatte, indem er behauptete, daß die ganze Welt sich aus einem flüchtigen Wesen niedergeschlagen zu haben scheine, wie sich Wasser aus Dampf niederschlägt, und daß
Urſprung des Weltſyſtems.
bilden, eine Rinde oder Kugelſchaale, welche die innere, noch dich- tere Luft ringsum einſchließt, und die an manchen ihrer Stellen ſo dünn ſeyn kann, daß ſie durch eine von innen auf ſie wirkende Kraft leicht dem Zerbrechen ausgeſetzt wird.
Nimmt man alſo mit Franklin an, daß alle Materien mit ihren Kräften anfänglich wie ein Dunſt durch den Weltraum verbreitet geweſen ſind, ſo mußten ſich, wenn die Anziehung der einzelnen Theile dieſer Materie zu wirken anfing, die ſchweren Dunſttheilchen dem Mittelpunkte mehr nähern, und da ſie ſich, vermöge ihrer Elaſticität, auch einander abſtoßen, zugleich immer dichter werden, je mehr ſie ſich anhäuften, wodurch denn eben die erwähnte Luftkugel entſtanden ſeyn kann, welcher ſich die übrigen Körper auf die angegebene Weiſe feſtſetzten. Viele dieſer Körper, die anfangs zu tief in die Luft durch ihren Fall eingeſunken waren, ſtiegen nachher wieder auf, ſchloſſen ſich an die übrigen an, und bildeten endlich dieſe Kruſte, dieſe Ober- fläche der Erde, die wir bewohnen, und die jetzt ſo tief in die ganze Luftkugel eingeſenkt iſt, daß bloß unſere gegenwärtige Atmoſphäre darüber noch hervorſteht. Chemiſche Prozeſſe, Gas- entwickelungen, Exploſionen von Dämpfen, die unter dieſer Kruſte in der ſo ſtark verdichteten Luft ſtatt haben, werden dieſe Kruſte an einzelnen Stellen durchbrechen, wodurch die neptuniſchen und vulkaniſchen Revolutionen erklärt werden können, die unſere Erde ſchon ſo oft erlitten zu haben ſcheint, oder ſie werden, wenn ſie jene Kruſte nicht zerbrechen können, in der untern Luft Wellen verurſachen, die ſich auf Tauſende von Meilen erſtrecken, und uns als Erdbeben fühlbar ſeyn werden.
Dieſer urſprüngliche Dunſt, dieſer Nebel, dieſe chaotiſche Ur- materie, oder wie man ſie ſonſt nennen will, iſt nicht mit unſerer atmoſphäriſchen Luft identiſch, da dieſe letzte gleichſam nur ein Produkt, oder der feinſte Theil von jenen iſt. Wir haben bereits oben, bei Betrachtung der Sterngruppen und Nebelmaſſen des Himmels geſehen, daß die Annahme einer ſolchen nebelartigen Urmaſſe ſehr viel Wahrſcheinlichkeit für ſich habe, eine Meinung, die ſchon Newton hatte, indem er behauptete, daß die ganze Welt ſich aus einem flüchtigen Weſen niedergeſchlagen zu haben ſcheine, wie ſich Waſſer aus Dampf niederſchlägt, und daß
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Urſprung des Weltſyſtems.
bilden, eine Rinde oder Kugelſchaale, welche die innere, noch dich-
tere Luft ringsum einſchließt, und die an manchen ihrer Stellen
ſo dünn ſeyn kann, daß ſie durch eine von innen auf ſie wirkende
Kraft leicht dem Zerbrechen ausgeſetzt wird.
Nimmt man alſo mit Franklin an, daß alle Materien mit
ihren Kräften anfänglich wie ein Dunſt durch den Weltraum
verbreitet geweſen ſind, ſo mußten ſich, wenn die Anziehung der
einzelnen Theile dieſer Materie zu wirken anfing, die ſchweren
Dunſttheilchen dem Mittelpunkte mehr nähern, und da ſie ſich,
vermöge ihrer Elaſticität, auch einander abſtoßen, zugleich immer
dichter werden, je mehr ſie ſich anhäuften, wodurch denn eben
die erwähnte Luftkugel entſtanden ſeyn kann, welcher ſich
die übrigen Körper auf die angegebene Weiſe feſtſetzten. Viele
dieſer Körper, die anfangs zu tief in die Luft durch ihren Fall
eingeſunken waren, ſtiegen nachher wieder auf, ſchloſſen ſich an
die übrigen an, und bildeten endlich dieſe Kruſte, dieſe Ober-
fläche der Erde, die wir bewohnen, und die jetzt ſo tief in die
ganze Luftkugel eingeſenkt iſt, daß bloß unſere gegenwärtige
Atmoſphäre darüber noch hervorſteht. Chemiſche Prozeſſe, Gas-
entwickelungen, Exploſionen von Dämpfen, die unter dieſer Kruſte
in der ſo ſtark verdichteten Luft ſtatt haben, werden dieſe Kruſte
an einzelnen Stellen durchbrechen, wodurch die neptuniſchen und
vulkaniſchen Revolutionen erklärt werden können, die unſere Erde
ſchon ſo oft erlitten zu haben ſcheint, oder ſie werden, wenn ſie
jene Kruſte nicht zerbrechen können, in der untern Luft Wellen
verurſachen, die ſich auf Tauſende von Meilen erſtrecken, und uns
als Erdbeben fühlbar ſeyn werden.
Dieſer urſprüngliche Dunſt, dieſer Nebel, dieſe chaotiſche Ur-
materie, oder wie man ſie ſonſt nennen will, iſt nicht mit unſerer
atmoſphäriſchen Luft identiſch, da dieſe letzte gleichſam nur ein
Produkt, oder der feinſte Theil von jenen iſt. Wir haben bereits
oben, bei Betrachtung der Sterngruppen und Nebelmaſſen des
Himmels geſehen, daß die Annahme einer ſolchen nebelartigen
Urmaſſe ſehr viel Wahrſcheinlichkeit für ſich habe, eine Meinung,
die ſchon Newton hatte, indem er behauptete, daß die ganze
Welt ſich aus einem flüchtigen Weſen niedergeſchlagen zu haben
ſcheine, wie ſich Waſſer aus Dampf niederſchlägt, und daß
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/209>, abgerufen am 23.11.2024.
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