Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.
bedeckende Meer stört die Lage der Erdaxen so wenig, daß es
vielmehr, durch seine große Beweglichkeit, der Erde erst den sichern
und dauernden Zustand des Gleichgewichtes gibt, der sonst, bei
einer ganz starren Masse der Erde, durch die kleinste äußere Ein-
wirkung schon gestört werden könnte.

§. 126. (Freie Axen der Rotation.) Wir haben bereits oben
(S. 32) von der Schwungkraft gesprochen, durch welche jedes
Element eines Körpers, der sich um eine gerade Linie als um
seine Axe dreht, sich in senkrechter Richtung von dieser Axe zu
entfernen strebt. Da aber diese Elemente, durch den Zusammen-
hang des Körpers, an dieser Entfernung gehindert werden, so
entsteht daraus ein Druck auf die Rotationsaxe. Dieser Druck
liegt, so wie die Centrifugalkraft, in der Richtung der Linie, die
von dem Elemente senkrecht auf die Axe gezogen wird, und ist
offenbar desto größer, je größer diese Linie, d. h. je weiter das
Element von der Rotationsaxe entfernt liegt. Ist nun der Körper,
in Beziehung auf diese Axe, nicht zu allen Seiten derselben sym-
metrisch gestellt, so wird dieser Druck ein Wanken der Rotationsaxe
und eine Störung der sonst gleichförmigen Drehung des Körpers
erzeugen. Ist aber der Körper so gebaut, und die Rotationsaxe
durch ihn so gestellt, daß jedes Element desselben, auf der einen
Seite der Axe, ein anderes gleich großes und gleich entferntes
auf der andern Seite derselben hat, so wird zwar jedes dieser
zwei Elemente einen Druck auf die Axe erzeugen, aber beide
Pressungen werden erstens gleich groß, und zweitens auf einander
in ihrer Richtung entgegengesetzt seyn, d. h. beide Pressungen
werden sich gegenseitig aufheben, und die Axe wird durch dieses
Elementenpaar keinen Druck erleiden. Da dasselbe von jeden
zwei anderen eben so gegen einander gestellten Elementen gilt,
und da, der Voraussetzung gemäß, der ganze Körper nur aus
solchen Elementenpaaren besteht, so wird auch die Drehungsaxe
eines solchen Körpers von keinem Elemente desselben einen Druck
erleiden, oder sie wird eine sogenannte freie Axe seyn. Für eine
Kugel z. B. sind alle Durchmesser derselben solche freie Axen,
und eben so ist für ein Ellipsoid, das durch die Umdrehung einer
Ellipse um seine große oder kleine Axe entsteht, diese große oder
diese kleine Axe eine freie, weil in der That alle auf diese Ro-

Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.
bedeckende Meer ſtört die Lage der Erdaxen ſo wenig, daß es
vielmehr, durch ſeine große Beweglichkeit, der Erde erſt den ſichern
und dauernden Zuſtand des Gleichgewichtes gibt, der ſonſt, bei
einer ganz ſtarren Maſſe der Erde, durch die kleinſte äußere Ein-
wirkung ſchon geſtört werden könnte.

§. 126. (Freie Axen der Rotation.) Wir haben bereits oben
(S. 32) von der Schwungkraft geſprochen, durch welche jedes
Element eines Körpers, der ſich um eine gerade Linie als um
ſeine Axe dreht, ſich in ſenkrechter Richtung von dieſer Axe zu
entfernen ſtrebt. Da aber dieſe Elemente, durch den Zuſammen-
hang des Körpers, an dieſer Entfernung gehindert werden, ſo
entſteht daraus ein Druck auf die Rotationsaxe. Dieſer Druck
liegt, ſo wie die Centrifugalkraft, in der Richtung der Linie, die
von dem Elemente ſenkrecht auf die Axe gezogen wird, und iſt
offenbar deſto größer, je größer dieſe Linie, d. h. je weiter das
Element von der Rotationsaxe entfernt liegt. Iſt nun der Körper,
in Beziehung auf dieſe Axe, nicht zu allen Seiten derſelben ſym-
metriſch geſtellt, ſo wird dieſer Druck ein Wanken der Rotationsaxe
und eine Störung der ſonſt gleichförmigen Drehung des Körpers
erzeugen. Iſt aber der Körper ſo gebaut, und die Rotationsaxe
durch ihn ſo geſtellt, daß jedes Element deſſelben, auf der einen
Seite der Axe, ein anderes gleich großes und gleich entferntes
auf der andern Seite derſelben hat, ſo wird zwar jedes dieſer
zwei Elemente einen Druck auf die Axe erzeugen, aber beide
Preſſungen werden erſtens gleich groß, und zweitens auf einander
in ihrer Richtung entgegengeſetzt ſeyn, d. h. beide Preſſungen
werden ſich gegenſeitig aufheben, und die Axe wird durch dieſes
Elementenpaar keinen Druck erleiden. Da daſſelbe von jeden
zwei anderen eben ſo gegen einander geſtellten Elementen gilt,
und da, der Vorausſetzung gemäß, der ganze Körper nur aus
ſolchen Elementenpaaren beſteht, ſo wird auch die Drehungsaxe
eines ſolchen Körpers von keinem Elemente deſſelben einen Druck
erleiden, oder ſie wird eine ſogenannte freie Axe ſeyn. Für eine
Kugel z. B. ſind alle Durchmeſſer derſelben ſolche freie Axen,
und eben ſo iſt für ein Ellipſoid, das durch die Umdrehung einer
Ellipſe um ſeine große oder kleine Axe entſteht, dieſe große oder
dieſe kleine Axe eine freie, weil in der That alle auf dieſe Ro-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0185" n="173"/><fw place="top" type="header">Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.</fw><lb/>
bedeckende Meer &#x017F;tört die Lage der Erdaxen &#x017F;o wenig, daß es<lb/>
vielmehr, durch &#x017F;eine große Beweglichkeit, der Erde er&#x017F;t den &#x017F;ichern<lb/>
und dauernden Zu&#x017F;tand des Gleichgewichtes gibt, der &#x017F;on&#x017F;t, bei<lb/>
einer ganz &#x017F;tarren Ma&#x017F;&#x017F;e der Erde, durch die klein&#x017F;te äußere Ein-<lb/>
wirkung &#x017F;chon ge&#x017F;tört werden könnte.</p><lb/>
              <p>§. 126. (Freie Axen der Rotation.) Wir haben bereits oben<lb/>
(S. 32) von der <hi rendition="#g">Schwungkraft</hi> ge&#x017F;prochen, durch welche jedes<lb/>
Element eines Körpers, der &#x017F;ich um eine gerade Linie als um<lb/>
&#x017F;eine Axe dreht, &#x017F;ich in &#x017F;enkrechter Richtung von die&#x017F;er Axe zu<lb/>
entfernen &#x017F;trebt. Da aber die&#x017F;e Elemente, durch den Zu&#x017F;ammen-<lb/>
hang des Körpers, an die&#x017F;er Entfernung gehindert werden, &#x017F;o<lb/>
ent&#x017F;teht daraus ein <hi rendition="#g">Druck</hi> auf die Rotationsaxe. Die&#x017F;er Druck<lb/>
liegt, &#x017F;o wie die Centrifugalkraft, in der Richtung der Linie, die<lb/>
von dem Elemente &#x017F;enkrecht auf die Axe gezogen wird, und i&#x017F;t<lb/>
offenbar de&#x017F;to größer, je größer die&#x017F;e Linie, d. h. je weiter das<lb/>
Element von der Rotationsaxe entfernt liegt. I&#x017F;t nun der Körper,<lb/>
in Beziehung auf die&#x017F;e Axe, nicht zu allen Seiten der&#x017F;elben &#x017F;ym-<lb/>
metri&#x017F;ch ge&#x017F;tellt, &#x017F;o wird die&#x017F;er Druck ein Wanken der Rotationsaxe<lb/>
und eine Störung der &#x017F;on&#x017F;t gleichförmigen Drehung des Körpers<lb/>
erzeugen. I&#x017F;t aber der Körper &#x017F;o gebaut, und die Rotationsaxe<lb/>
durch ihn &#x017F;o ge&#x017F;tellt, daß jedes Element de&#x017F;&#x017F;elben, auf der einen<lb/>
Seite der Axe, ein anderes gleich großes und gleich entferntes<lb/>
auf der andern Seite der&#x017F;elben hat, &#x017F;o wird zwar jedes die&#x017F;er<lb/>
zwei Elemente einen Druck auf die Axe erzeugen, aber beide<lb/>
Pre&#x017F;&#x017F;ungen werden er&#x017F;tens gleich groß, und zweitens auf einander<lb/>
in ihrer Richtung entgegenge&#x017F;etzt &#x017F;eyn, d. h. beide Pre&#x017F;&#x017F;ungen<lb/>
werden &#x017F;ich gegen&#x017F;eitig aufheben, und die Axe wird durch die&#x017F;es<lb/>
Elementenpaar <hi rendition="#g">keinen</hi> Druck erleiden. Da da&#x017F;&#x017F;elbe von jeden<lb/>
zwei anderen eben &#x017F;o gegen einander ge&#x017F;tellten Elementen gilt,<lb/>
und da, der Voraus&#x017F;etzung gemäß, der ganze Körper nur aus<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;olchen</hi> Elementenpaaren be&#x017F;teht, &#x017F;o wird auch die Drehungsaxe<lb/>
eines &#x017F;olchen Körpers von keinem Elemente de&#x017F;&#x017F;elben einen Druck<lb/>
erleiden, oder &#x017F;ie wird eine &#x017F;ogenannte <hi rendition="#g">freie</hi> Axe &#x017F;eyn. Für eine<lb/>
Kugel z. B. &#x017F;ind alle Durchme&#x017F;&#x017F;er der&#x017F;elben &#x017F;olche freie Axen,<lb/>
und eben &#x017F;o i&#x017F;t für ein Ellip&#x017F;oid, das durch die Umdrehung einer<lb/>
Ellip&#x017F;e um &#x017F;eine große oder kleine Axe ent&#x017F;teht, die&#x017F;e große oder<lb/>
die&#x017F;e kleine Axe eine <hi rendition="#g">freie</hi>, weil in der That alle auf die&#x017F;e Ro-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0185] Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten. bedeckende Meer ſtört die Lage der Erdaxen ſo wenig, daß es vielmehr, durch ſeine große Beweglichkeit, der Erde erſt den ſichern und dauernden Zuſtand des Gleichgewichtes gibt, der ſonſt, bei einer ganz ſtarren Maſſe der Erde, durch die kleinſte äußere Ein- wirkung ſchon geſtört werden könnte. §. 126. (Freie Axen der Rotation.) Wir haben bereits oben (S. 32) von der Schwungkraft geſprochen, durch welche jedes Element eines Körpers, der ſich um eine gerade Linie als um ſeine Axe dreht, ſich in ſenkrechter Richtung von dieſer Axe zu entfernen ſtrebt. Da aber dieſe Elemente, durch den Zuſammen- hang des Körpers, an dieſer Entfernung gehindert werden, ſo entſteht daraus ein Druck auf die Rotationsaxe. Dieſer Druck liegt, ſo wie die Centrifugalkraft, in der Richtung der Linie, die von dem Elemente ſenkrecht auf die Axe gezogen wird, und iſt offenbar deſto größer, je größer dieſe Linie, d. h. je weiter das Element von der Rotationsaxe entfernt liegt. Iſt nun der Körper, in Beziehung auf dieſe Axe, nicht zu allen Seiten derſelben ſym- metriſch geſtellt, ſo wird dieſer Druck ein Wanken der Rotationsaxe und eine Störung der ſonſt gleichförmigen Drehung des Körpers erzeugen. Iſt aber der Körper ſo gebaut, und die Rotationsaxe durch ihn ſo geſtellt, daß jedes Element deſſelben, auf der einen Seite der Axe, ein anderes gleich großes und gleich entferntes auf der andern Seite derſelben hat, ſo wird zwar jedes dieſer zwei Elemente einen Druck auf die Axe erzeugen, aber beide Preſſungen werden erſtens gleich groß, und zweitens auf einander in ihrer Richtung entgegengeſetzt ſeyn, d. h. beide Preſſungen werden ſich gegenſeitig aufheben, und die Axe wird durch dieſes Elementenpaar keinen Druck erleiden. Da daſſelbe von jeden zwei anderen eben ſo gegen einander geſtellten Elementen gilt, und da, der Vorausſetzung gemäß, der ganze Körper nur aus ſolchen Elementenpaaren beſteht, ſo wird auch die Drehungsaxe eines ſolchen Körpers von keinem Elemente deſſelben einen Druck erleiden, oder ſie wird eine ſogenannte freie Axe ſeyn. Für eine Kugel z. B. ſind alle Durchmeſſer derſelben ſolche freie Axen, und eben ſo iſt für ein Ellipſoid, das durch die Umdrehung einer Ellipſe um ſeine große oder kleine Axe entſteht, dieſe große oder dieſe kleine Axe eine freie, weil in der That alle auf dieſe Ro-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/185
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/185>, abgerufen am 07.05.2024.