Wenn wir schlafen, so ist unser Zimmer und unser Bette mit den Mitteln versehen, die Wärme in ihrem gehörigen Zustande zu erhalten. Wenn wir zu Tische sitzen, so ist wieder sie es, die unseren Speisen ihre Genießbarkeit, ihren Nutzen und ihre Würze gibt. Sie bereitet unsere Gerichte in der Küche, wie sie die Früchte in unseren Gärten kocht und zur Reife bringt. Die ange- nehmen Säfte, die das Blatt des Theebaums, oder die Beere der Kaffeestaude, oder die Cacaobohne in sich schließt, würden uns immer verborgen geblieben seyn, wenn sie uns die Wärme nicht aufgeschlossen hätte, und selbst die Bereitung aller anderen künst- lichen Getränke, die uns erquicken und erwärmen, und die unsere durch Arbeit und Anstrengung ermatteten Glieder stärken, würden uns noch ein Geheimniß seyn, wenn wir, gleich dem blödsinnigen Feuerländer, mit der Erhaltung und Anwendung der Wärme auf die Körper der Natur noch unbekannt wären.
§. 23. (Verbindung des Lichts mit der Wärme.) Selbst das Licht, jene an sich so köstliche Gabe des Himmels, wie oft wür- den wir uns vergebens darnach sehnen, wenn dieselbe allgütige Hand, die uns dasselbe gegeben, jenes andere noch köstlichere Geschenk zurückgehalten hätte. Wenn die Sonne ihr Antlitz von uns wendet, und die Erde in Finsterniß einhüllt, wenn sie, wie in den Polargegenden, sechs volle Monate nicht wiederkehrt -- woher sollen wir dann Licht nehmen? -- Dann ist es die Wärme, die unsere Luft in Flammen setzt *); dann zünden wir, mit ihrer Hülfe, unsere Kerzen, unsere Lampen an, und schaffen uns künst- liche Tage mitten in der tiefsten Nacht; dann lassen wir unsere Sonnen leuchten zu unseren Geschäften, zu unseren geselligen Ver- gnügungen, und vermehren so die Summe der Genüsse und die Länge unseres Lebens durch nützlich oder angenehm verbrachte Stunden, die wir, ohne jenes Geschenk, in dumpfer Unthätigkeit verloren oder im trägen Schlafe verträumt hätten.
§. 24. (Oberfläche oder Photosphäre der Sonne.) Indem wir nun, nach dieser Digression über die zwei wichtigsten Geschenke,
*) Bekanntlich sind unsere Flammen nichts als brennende Luft, als Theile unserer Atmosphäre, die durch die Hitze weißglühend gemacht werden.
Die Sonne.
Wenn wir ſchlafen, ſo iſt unſer Zimmer und unſer Bette mit den Mitteln verſehen, die Wärme in ihrem gehörigen Zuſtande zu erhalten. Wenn wir zu Tiſche ſitzen, ſo iſt wieder ſie es, die unſeren Speiſen ihre Genießbarkeit, ihren Nutzen und ihre Würze gibt. Sie bereitet unſere Gerichte in der Küche, wie ſie die Früchte in unſeren Gärten kocht und zur Reife bringt. Die ange- nehmen Säfte, die das Blatt des Theebaums, oder die Beere der Kaffeeſtaude, oder die Cacaobohne in ſich ſchließt, würden uns immer verborgen geblieben ſeyn, wenn ſie uns die Wärme nicht aufgeſchloſſen hätte, und ſelbſt die Bereitung aller anderen künſt- lichen Getränke, die uns erquicken und erwärmen, und die unſere durch Arbeit und Anſtrengung ermatteten Glieder ſtärken, würden uns noch ein Geheimniß ſeyn, wenn wir, gleich dem blödſinnigen Feuerländer, mit der Erhaltung und Anwendung der Wärme auf die Körper der Natur noch unbekannt wären.
§. 23. (Verbindung des Lichts mit der Wärme.) Selbſt das Licht, jene an ſich ſo köſtliche Gabe des Himmels, wie oft wür- den wir uns vergebens darnach ſehnen, wenn dieſelbe allgütige Hand, die uns daſſelbe gegeben, jenes andere noch köſtlichere Geſchenk zurückgehalten hätte. Wenn die Sonne ihr Antlitz von uns wendet, und die Erde in Finſterniß einhüllt, wenn ſie, wie in den Polargegenden, ſechs volle Monate nicht wiederkehrt — woher ſollen wir dann Licht nehmen? — Dann iſt es die Wärme, die unſere Luft in Flammen ſetzt *); dann zünden wir, mit ihrer Hülfe, unſere Kerzen, unſere Lampen an, und ſchaffen uns künſt- liche Tage mitten in der tiefſten Nacht; dann laſſen wir unſere Sonnen leuchten zu unſeren Geſchäften, zu unſeren geſelligen Ver- gnügungen, und vermehren ſo die Summe der Genüſſe und die Länge unſeres Lebens durch nützlich oder angenehm verbrachte Stunden, die wir, ohne jenes Geſchenk, in dumpfer Unthätigkeit verloren oder im trägen Schlafe verträumt hätten.
§. 24. (Oberfläche oder Photoſphäre der Sonne.) Indem wir nun, nach dieſer Digreſſion über die zwei wichtigſten Geſchenke,
*) Bekanntlich ſind unſere Flammen nichts als brennende Luft, als Theile unſerer Atmoſphäre, die durch die Hitze weißglühend gemacht werden.
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Die Sonne.
Wenn wir ſchlafen, ſo iſt unſer Zimmer und unſer Bette mit
den Mitteln verſehen, die Wärme in ihrem gehörigen Zuſtande
zu erhalten. Wenn wir zu Tiſche ſitzen, ſo iſt wieder ſie es, die
unſeren Speiſen ihre Genießbarkeit, ihren Nutzen und ihre Würze
gibt. Sie bereitet unſere Gerichte in der Küche, wie ſie die
Früchte in unſeren Gärten kocht und zur Reife bringt. Die ange-
nehmen Säfte, die das Blatt des Theebaums, oder die Beere
der Kaffeeſtaude, oder die Cacaobohne in ſich ſchließt, würden uns
immer verborgen geblieben ſeyn, wenn ſie uns die Wärme nicht
aufgeſchloſſen hätte, und ſelbſt die Bereitung aller anderen künſt-
lichen Getränke, die uns erquicken und erwärmen, und die unſere
durch Arbeit und Anſtrengung ermatteten Glieder ſtärken, würden
uns noch ein Geheimniß ſeyn, wenn wir, gleich dem blödſinnigen
Feuerländer, mit der Erhaltung und Anwendung der Wärme auf
die Körper der Natur noch unbekannt wären.
§. 23. (Verbindung des Lichts mit der Wärme.) Selbſt das
Licht, jene an ſich ſo köſtliche Gabe des Himmels, wie oft wür-
den wir uns vergebens darnach ſehnen, wenn dieſelbe allgütige
Hand, die uns daſſelbe gegeben, jenes andere noch köſtlichere
Geſchenk zurückgehalten hätte. Wenn die Sonne ihr Antlitz von
uns wendet, und die Erde in Finſterniß einhüllt, wenn ſie, wie
in den Polargegenden, ſechs volle Monate nicht wiederkehrt —
woher ſollen wir dann Licht nehmen? — Dann iſt es die Wärme,
die unſere Luft in Flammen ſetzt *); dann zünden wir, mit ihrer
Hülfe, unſere Kerzen, unſere Lampen an, und ſchaffen uns künſt-
liche Tage mitten in der tiefſten Nacht; dann laſſen wir unſere
Sonnen leuchten zu unſeren Geſchäften, zu unſeren geſelligen Ver-
gnügungen, und vermehren ſo die Summe der Genüſſe und die
Länge unſeres Lebens durch nützlich oder angenehm verbrachte
Stunden, die wir, ohne jenes Geſchenk, in dumpfer Unthätigkeit
verloren oder im trägen Schlafe verträumt hätten.
§. 24. (Oberfläche oder Photoſphäre der Sonne.) Indem wir
nun, nach dieſer Digreſſion über die zwei wichtigſten Geſchenke,
*) Bekanntlich ſind unſere Flammen nichts als brennende Luft,
als Theile unſerer Atmoſphäre, die durch die Hitze weißglühend
gemacht werden.
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/42>, abgerufen am 16.07.2024.
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