Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.Die Sonne. gend würde nur mehr unseren Zeichnungen mit Tusche, unserengrauen Kupferstichen gleichen. Der Regenbogen mit seinem schö- nen Farbenspiele würde in eine schmale Linie weißgrauen Lichtes übergeben; die Sterne würden matt an einem aschfarbnen Him- mel scheinen, und der Vorbote des Morgens, so wie der Be- schließer unserer Tage würde nicht mehr seinen Rosenmantel, son- dern nur eine einfarbige graue Decke über den Himmel breiten, und selbst der schönste Mittag würde uns nur wie jetzt ein trü- ber Wintertag erscheinen. Aber die Natur, die schon in die For- men der Körper, die sie gebildet hat, eine so ausgezeichnete Schön- heit zu legen wußte, hat ihnen zugleich jene ätherische Anmuth hinzugefügt, die sie aus den Farben der Sonnenstrahlen schöpfte. Ohne dieses Geschenk könnte wohl das Laub der Pflanzenwelt den Knospen Nahrung, und der von ihnen bedeckten Frucht noch Schutz gewähren, aber das jugendliche Grün der Blätter, und der frische Schmelz unserer Wiesen im Frühling würde mit dem welken Gelb des Herbstes überzogen seyn. Ohne dieses Geschenk könnte der Diamant wohl noch seinen Glanz und seine Härte ha- ben, aber er würde, seines lebhaften Farbenspieles beraubt, auf- hören, in dem Kranze der Schönheit und in dem Diademe der Fürsten zu prangen. Ohne dieses köstliche Geschenk endlich könnte wohl das menschliche Angesicht noch immer dasselbe feine Gewebe, noch immer derselbe Verräther unserer verborgensten Gefühle seyn, aber das Rosenlicht der Liebe und die Purpurfarbe der Schaam- röthe würde nicht mehr auf der jugendlichen Wange blühen, und selbst jene krankhaft fliegende Röthe des welkenden Gesichtes würde nicht mehr die herannahende, oft willkommene Befreiung von dem Lager der Schmerzen verkündigen. §. 8. (Eigenschaften des Sonnenspectrums.) Der in seine Die Sonne. gend würde nur mehr unſeren Zeichnungen mit Tuſche, unſerengrauen Kupferſtichen gleichen. Der Regenbogen mit ſeinem ſchö- nen Farbenſpiele würde in eine ſchmale Linie weißgrauen Lichtes übergeben; die Sterne würden matt an einem aſchfarbnen Him- mel ſcheinen, und der Vorbote des Morgens, ſo wie der Be- ſchließer unſerer Tage würde nicht mehr ſeinen Roſenmantel, ſon- dern nur eine einfarbige graue Decke über den Himmel breiten, und ſelbſt der ſchönſte Mittag würde uns nur wie jetzt ein trü- ber Wintertag erſcheinen. Aber die Natur, die ſchon in die For- men der Körper, die ſie gebildet hat, eine ſo ausgezeichnete Schön- heit zu legen wußte, hat ihnen zugleich jene ätheriſche Anmuth hinzugefügt, die ſie aus den Farben der Sonnenſtrahlen ſchöpfte. Ohne dieſes Geſchenk könnte wohl das Laub der Pflanzenwelt den Knospen Nahrung, und der von ihnen bedeckten Frucht noch Schutz gewähren, aber das jugendliche Grün der Blätter, und der friſche Schmelz unſerer Wieſen im Frühling würde mit dem welken Gelb des Herbſtes überzogen ſeyn. Ohne dieſes Geſchenk könnte der Diamant wohl noch ſeinen Glanz und ſeine Härte ha- ben, aber er würde, ſeines lebhaften Farbenſpieles beraubt, auf- hören, in dem Kranze der Schönheit und in dem Diademe der Fürſten zu prangen. Ohne dieſes köſtliche Geſchenk endlich könnte wohl das menſchliche Angeſicht noch immer daſſelbe feine Gewebe, noch immer derſelbe Verräther unſerer verborgenſten Gefühle ſeyn, aber das Roſenlicht der Liebe und die Purpurfarbe der Schaam- röthe würde nicht mehr auf der jugendlichen Wange blühen, und ſelbſt jene krankhaft fliegende Röthe des welkenden Geſichtes würde nicht mehr die herannahende, oft willkommene Befreiung von dem Lager der Schmerzen verkündigen. §. 8. (Eigenſchaften des Sonnenſpectrums.) Der in ſeine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0020" n="10"/><fw place="top" type="header">Die Sonne.</fw><lb/> gend würde nur mehr unſeren Zeichnungen mit Tuſche, unſeren<lb/> grauen Kupferſtichen gleichen. Der Regenbogen mit ſeinem ſchö-<lb/> nen Farbenſpiele würde in eine ſchmale Linie weißgrauen Lichtes<lb/> übergeben; die Sterne würden matt an einem aſchfarbnen Him-<lb/> mel ſcheinen, und der Vorbote des Morgens, ſo wie der Be-<lb/> ſchließer unſerer Tage würde nicht mehr ſeinen Roſenmantel, ſon-<lb/> dern nur eine einfarbige graue Decke über den Himmel breiten,<lb/> und ſelbſt der ſchönſte Mittag würde uns nur wie jetzt ein trü-<lb/> ber Wintertag erſcheinen. 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Die Sonne.
gend würde nur mehr unſeren Zeichnungen mit Tuſche, unſeren
grauen Kupferſtichen gleichen. Der Regenbogen mit ſeinem ſchö-
nen Farbenſpiele würde in eine ſchmale Linie weißgrauen Lichtes
übergeben; die Sterne würden matt an einem aſchfarbnen Him-
mel ſcheinen, und der Vorbote des Morgens, ſo wie der Be-
ſchließer unſerer Tage würde nicht mehr ſeinen Roſenmantel, ſon-
dern nur eine einfarbige graue Decke über den Himmel breiten,
und ſelbſt der ſchönſte Mittag würde uns nur wie jetzt ein trü-
ber Wintertag erſcheinen. Aber die Natur, die ſchon in die For-
men der Körper, die ſie gebildet hat, eine ſo ausgezeichnete Schön-
heit zu legen wußte, hat ihnen zugleich jene ätheriſche Anmuth
hinzugefügt, die ſie aus den Farben der Sonnenſtrahlen ſchöpfte.
Ohne dieſes Geſchenk könnte wohl das Laub der Pflanzenwelt den
Knospen Nahrung, und der von ihnen bedeckten Frucht noch
Schutz gewähren, aber das jugendliche Grün der Blätter, und
der friſche Schmelz unſerer Wieſen im Frühling würde mit dem
welken Gelb des Herbſtes überzogen ſeyn. Ohne dieſes Geſchenk
könnte der Diamant wohl noch ſeinen Glanz und ſeine Härte ha-
ben, aber er würde, ſeines lebhaften Farbenſpieles beraubt, auf-
hören, in dem Kranze der Schönheit und in dem Diademe der
Fürſten zu prangen. Ohne dieſes köſtliche Geſchenk endlich könnte
wohl das menſchliche Angeſicht noch immer daſſelbe feine Gewebe,
noch immer derſelbe Verräther unſerer verborgenſten Gefühle ſeyn,
aber das Roſenlicht der Liebe und die Purpurfarbe der Schaam-
röthe würde nicht mehr auf der jugendlichen Wange blühen, und
ſelbſt jene krankhaft fliegende Röthe des welkenden Geſichtes würde
nicht mehr die herannahende, oft willkommene Befreiung von dem
Lager der Schmerzen verkündigen.
§. 8. (Eigenſchaften des Sonnenſpectrums.) Der in ſeine
Farben zerlegte Sonnenſtrahl erſcheint, wenn er von einer weißen
Tafel aufgefangen wird, auf derſelben unter der Geſtalt eines an
ſeinen beiden kürzeren Seiten abgerundeten Rechtecks, welches
man das Farbenſpectrum zu nennen pflegt. Nimmt man die
Länge dieſes Spectrums als Einheit an, ſo beträgt davon das
rothe Licht 0,12, das orangefarbne 0,07, das gelbe 0,13, grüne 0,17,
blaue 0,17, das indigofarbne 0,11, und endlich das violette 0,21
Theile, ſo daß alſo das violette den größten und das orange-
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