Ja selbst, wenn diese Direction in der Macht unserer Führer stände, welche Richtung sollen sie nehmen, um sicher auf dem Monde anzukommen? Ich fürchte, diese Herren würden sehr in Verlegenheit kommen, wenn sie diese Frage beantworten und den Kompaß vorzeigen sollten, der ihnen den wahren Weg zum Ziele zeigen wird. Ihr Abfahrtspunkt, die Erde, ist bekanntlich eben so beweglich, wie das Ufer, dem sie entgegen steuern sollen. Jene, die Erde, legt in jedem Tage über 355000 Meilen um die Sonne zurück, fliegt also mit einer Geschwindigkeit durch den Himmels- raum, die mit der unserer Kanonenkugeln nicht weiter verglichen werden kann, und dieser, der Mond, begleitet sie auf ihrem Wege, indem er stets in großen Spiralen- oder Schlangenlinien um sie tanzt und seine Geschwindigkeit jeden Augenblick ändert. Während die Erde in einer einfachen Ellipse während einem Jahre um die Sonne geht, lauft ihr Begleiter in einer Entfernung von 51800 Meilen in derselben Zeit 12 1/3 mal um die Erde, so daß seine wahre Bewegung einer aus 12 bis 13 Knoten zusammen ge- schlungenen Schnur gleicht, die aber so wunderbar verworren ist, daß sie in vielen tausend Jahren nicht wieder in sich selbst zurück- kehrt, weil nämlich jene monatlichen Knoten der Mondsbahn mit dieser jährlichen Schnur der Erdbahn kein gemeinschaftliches Maaß haben und jene daher immer in andere Stellen von dieser fallen müssen.
Allein mit dieser Schwierigkeit ist es noch lange nicht gethan. Eine viel größere wird uns die Schwere oder die sogenannte Anziehung der Erde sowohl, als auch des Mondes selbst, bereiten. Die Schwere der Erde wird nicht zugeben wollen, daß sich das Schiff von ihr entferne, da sie alles fest hält, was zu ihr gehört und da wir noch gar kein Beispiel haben, daß ihr etwas von dem, was sie einmal als ihr Eigenthum erklärt hat, hätte entwendet werden können. Wenn wir aber auch, obschon ich durchaus kein Mittel dazu sehe, dieses Hinderniß überwinden und uns heimlich aus dem Bereiche der Erde entfernen könnten, so werden wir, indem wir dann wohlgemuth weiter schiffen, bald darauf in den anderen Bereich, in die Attractionssphäre des Mondes kommen, der dieselbe löbliche Eigenschaft hat, alles fest zu halten, was er
Littrow's Himmel u. s. Wunder. II. 12
Der Mond.
Ja ſelbſt, wenn dieſe Direction in der Macht unſerer Führer ſtände, welche Richtung ſollen ſie nehmen, um ſicher auf dem Monde anzukommen? Ich fürchte, dieſe Herren würden ſehr in Verlegenheit kommen, wenn ſie dieſe Frage beantworten und den Kompaß vorzeigen ſollten, der ihnen den wahren Weg zum Ziele zeigen wird. Ihr Abfahrtspunkt, die Erde, iſt bekanntlich eben ſo beweglich, wie das Ufer, dem ſie entgegen ſteuern ſollen. Jene, die Erde, legt in jedem Tage über 355000 Meilen um die Sonne zurück, fliegt alſo mit einer Geſchwindigkeit durch den Himmels- raum, die mit der unſerer Kanonenkugeln nicht weiter verglichen werden kann, und dieſer, der Mond, begleitet ſie auf ihrem Wege, indem er ſtets in großen Spiralen- oder Schlangenlinien um ſie tanzt und ſeine Geſchwindigkeit jeden Augenblick ändert. Während die Erde in einer einfachen Ellipſe während einem Jahre um die Sonne geht, lauft ihr Begleiter in einer Entfernung von 51800 Meilen in derſelben Zeit 12 ⅓ mal um die Erde, ſo daß ſeine wahre Bewegung einer aus 12 bis 13 Knoten zuſammen ge- ſchlungenen Schnur gleicht, die aber ſo wunderbar verworren iſt, daß ſie in vielen tauſend Jahren nicht wieder in ſich ſelbſt zurück- kehrt, weil nämlich jene monatlichen Knoten der Mondsbahn mit dieſer jährlichen Schnur der Erdbahn kein gemeinſchaftliches Maaß haben und jene daher immer in andere Stellen von dieſer fallen müſſen.
Allein mit dieſer Schwierigkeit iſt es noch lange nicht gethan. Eine viel größere wird uns die Schwere oder die ſogenannte Anziehung der Erde ſowohl, als auch des Mondes ſelbſt, bereiten. Die Schwere der Erde wird nicht zugeben wollen, daß ſich das Schiff von ihr entferne, da ſie alles feſt hält, was zu ihr gehört und da wir noch gar kein Beiſpiel haben, daß ihr etwas von dem, was ſie einmal als ihr Eigenthum erklärt hat, hätte entwendet werden können. Wenn wir aber auch, obſchon ich durchaus kein Mittel dazu ſehe, dieſes Hinderniß überwinden und uns heimlich aus dem Bereiche der Erde entfernen könnten, ſo werden wir, indem wir dann wohlgemuth weiter ſchiffen, bald darauf in den anderen Bereich, in die Attractionsſphäre des Mondes kommen, der dieſelbe löbliche Eigenſchaft hat, alles feſt zu halten, was er
Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 12
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0187"n="177"/><fwplace="top"type="header">Der Mond.</fw><lb/><p>Ja ſelbſt, wenn dieſe Direction in der Macht unſerer Führer<lb/>ſtände, welche Richtung ſollen ſie nehmen, um ſicher auf dem<lb/>
Monde anzukommen? Ich fürchte, dieſe Herren würden ſehr in<lb/>
Verlegenheit kommen, wenn ſie dieſe Frage beantworten und den<lb/>
Kompaß vorzeigen ſollten, der ihnen den wahren Weg zum Ziele<lb/>
zeigen wird. Ihr Abfahrtspunkt, die Erde, iſt bekanntlich eben ſo<lb/>
beweglich, wie das Ufer, dem ſie entgegen ſteuern ſollen. Jene,<lb/>
die Erde, legt in jedem Tage über 355000 Meilen um die Sonne<lb/>
zurück, fliegt alſo mit einer Geſchwindigkeit durch den Himmels-<lb/>
raum, die mit der unſerer Kanonenkugeln nicht weiter verglichen<lb/>
werden kann, und dieſer, der Mond, begleitet ſie auf ihrem Wege,<lb/>
indem er ſtets in großen Spiralen- oder Schlangenlinien um ſie<lb/>
tanzt und ſeine Geſchwindigkeit jeden Augenblick ändert. Während<lb/>
die Erde in einer einfachen Ellipſe während einem Jahre um die<lb/>
Sonne geht, lauft ihr Begleiter in einer Entfernung von 51800<lb/>
Meilen in derſelben Zeit 12 ⅓ mal um die Erde, ſo daß ſeine<lb/>
wahre Bewegung einer aus 12 bis 13 Knoten zuſammen ge-<lb/>ſchlungenen Schnur gleicht, die aber ſo wunderbar verworren iſt,<lb/>
daß ſie in vielen tauſend Jahren nicht wieder in ſich ſelbſt zurück-<lb/>
kehrt, weil nämlich jene monatlichen Knoten der Mondsbahn mit<lb/>
dieſer jährlichen Schnur der Erdbahn kein gemeinſchaftliches Maaß<lb/>
haben und jene daher immer in andere Stellen von dieſer fallen<lb/>
müſſen.</p><lb/><p>Allein mit dieſer Schwierigkeit iſt es noch lange nicht gethan.<lb/>
Eine viel größere wird uns die <hirendition="#g">Schwere</hi> oder die ſogenannte<lb/>
Anziehung der Erde ſowohl, als auch des Mondes ſelbſt, bereiten.<lb/>
Die Schwere der Erde wird nicht zugeben wollen, daß ſich das<lb/>
Schiff von ihr entferne, da ſie alles feſt hält, was zu ihr gehört<lb/>
und da wir noch gar kein Beiſpiel haben, daß ihr etwas von dem,<lb/>
was ſie einmal als ihr Eigenthum erklärt hat, hätte entwendet<lb/>
werden können. Wenn wir aber auch, obſchon ich durchaus kein<lb/>
Mittel dazu ſehe, dieſes Hinderniß überwinden und uns heimlich<lb/>
aus dem Bereiche der Erde entfernen könnten, ſo werden wir,<lb/>
indem wir dann wohlgemuth weiter ſchiffen, bald darauf in den<lb/>
anderen Bereich, in die Attractionsſphäre des Mondes kommen,<lb/>
der dieſelbe löbliche Eigenſchaft hat, alles feſt zu halten, was er<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Littrow’s</hi> Himmel u. ſ. Wunder. <hirendition="#aq">II.</hi> 12</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[177/0187]
Der Mond.
Ja ſelbſt, wenn dieſe Direction in der Macht unſerer Führer
ſtände, welche Richtung ſollen ſie nehmen, um ſicher auf dem
Monde anzukommen? Ich fürchte, dieſe Herren würden ſehr in
Verlegenheit kommen, wenn ſie dieſe Frage beantworten und den
Kompaß vorzeigen ſollten, der ihnen den wahren Weg zum Ziele
zeigen wird. Ihr Abfahrtspunkt, die Erde, iſt bekanntlich eben ſo
beweglich, wie das Ufer, dem ſie entgegen ſteuern ſollen. Jene,
die Erde, legt in jedem Tage über 355000 Meilen um die Sonne
zurück, fliegt alſo mit einer Geſchwindigkeit durch den Himmels-
raum, die mit der unſerer Kanonenkugeln nicht weiter verglichen
werden kann, und dieſer, der Mond, begleitet ſie auf ihrem Wege,
indem er ſtets in großen Spiralen- oder Schlangenlinien um ſie
tanzt und ſeine Geſchwindigkeit jeden Augenblick ändert. Während
die Erde in einer einfachen Ellipſe während einem Jahre um die
Sonne geht, lauft ihr Begleiter in einer Entfernung von 51800
Meilen in derſelben Zeit 12 ⅓ mal um die Erde, ſo daß ſeine
wahre Bewegung einer aus 12 bis 13 Knoten zuſammen ge-
ſchlungenen Schnur gleicht, die aber ſo wunderbar verworren iſt,
daß ſie in vielen tauſend Jahren nicht wieder in ſich ſelbſt zurück-
kehrt, weil nämlich jene monatlichen Knoten der Mondsbahn mit
dieſer jährlichen Schnur der Erdbahn kein gemeinſchaftliches Maaß
haben und jene daher immer in andere Stellen von dieſer fallen
müſſen.
Allein mit dieſer Schwierigkeit iſt es noch lange nicht gethan.
Eine viel größere wird uns die Schwere oder die ſogenannte
Anziehung der Erde ſowohl, als auch des Mondes ſelbſt, bereiten.
Die Schwere der Erde wird nicht zugeben wollen, daß ſich das
Schiff von ihr entferne, da ſie alles feſt hält, was zu ihr gehört
und da wir noch gar kein Beiſpiel haben, daß ihr etwas von dem,
was ſie einmal als ihr Eigenthum erklärt hat, hätte entwendet
werden können. Wenn wir aber auch, obſchon ich durchaus kein
Mittel dazu ſehe, dieſes Hinderniß überwinden und uns heimlich
aus dem Bereiche der Erde entfernen könnten, ſo werden wir,
indem wir dann wohlgemuth weiter ſchiffen, bald darauf in den
anderen Bereich, in die Attractionsſphäre des Mondes kommen,
der dieſelbe löbliche Eigenſchaft hat, alles feſt zu halten, was er
Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 12
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/187>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.