§. 94. (Streifen und Flecken auf Jupiter.) Es ist durchaus nicht wahrscheinlich, daß diese Streifen und Flecken der Oberfläche Jupiters selbst angehören. Sie bilden sich vielmehr in der Atmosphäre dieses Planeten, weil sie in ihren Bewegungen immer von West nach Ost gehen, und weil auch die Geschwindigkeit der- selben nicht mit der Umdrehung Jupiters um seine Axe überein- stimmt. Diese letzte beträgt nicht ganz zehn unserer Stunden, während diese Flecken ihre Umlaufszeit in 7, 8 bis 10 Stunden vollenden. Nahe am Aequator sieht man öfter solche Flecken, die in jeder Secunde 300 bis 400 Fuß zurücklegen, also die Geschwin- digkeit unserer heftigsten Stürme mehr als achtmal übertreffen. Schröter hat sogar Flecken beobachtet, die 10000 Fuß in einer Secunde zurücklegen. Wahrscheinlich werden sie über der Ober- fläche Jupiters durch starke, nach einer constanten Richtung gehende Winde, die unseren Passatwinden ähnlich sind, in Be- wegung gesetzt. Wenn diese Flecken der Oberfläche des Planeten selbst angehörten, so müßten diese beinahe täglich vorkommenden Zerrüttungen die Oberfläche des Planeten gänzlich unbewohnbar machen, und man müßte annehmen, daß dort große, flüssige, unserm Meere ähnliche Massen täglich aus ihren Ufern treten und das Festland bald mit ihren Fluthen bedecken, bald wieder dasselbe trocken legen. Wenn aber auch diese Veränderungen nur in der Atmosphäre Jupiters vor sich gehen, so muß diese Atmosphäre doch von unserer irdischen sehr verschieden seyn, und eine viel größere Dichtigkeit haben. Schon Cassini beob- achtete in wenigen Stunden plötzliche Verdunklungen und Auf- heiterungen großer Strecken von 10000 und 20000 Quadratmeilen der Oberfläche dieses Planeten, eine Erscheinung, die Schröter besonders an den beiden Polen Jupiters sehr oft sich wieder- holen sah. Die Luft, welche diesen Planeten umgibt, kömmt vielleicht an Dichtigkeit schon der unseres Wassers nahe, und die Ausdünstungen und Wolken, welche in dieser Atmosphäre von den heftigen Stürmen bewegt werden, mögen schon unsern festen Körpern oder den Wolken von Holz auf unsern Altären gleichen. Gewiß ist, daß die Revolutionen, welche in jener Atmosphäre vor sich gehen, an Intensität und Ausdehnung mit unsern Orkanen
Jupiter.
§. 94. (Streifen und Flecken auf Jupiter.) Es iſt durchaus nicht wahrſcheinlich, daß dieſe Streifen und Flecken der Oberfläche Jupiters ſelbſt angehören. Sie bilden ſich vielmehr in der Atmoſphäre dieſes Planeten, weil ſie in ihren Bewegungen immer von Weſt nach Oſt gehen, und weil auch die Geſchwindigkeit der- ſelben nicht mit der Umdrehung Jupiters um ſeine Axe überein- ſtimmt. Dieſe letzte beträgt nicht ganz zehn unſerer Stunden, während dieſe Flecken ihre Umlaufszeit in 7, 8 bis 10 Stunden vollenden. Nahe am Aequator ſieht man öfter ſolche Flecken, die in jeder Secunde 300 bis 400 Fuß zurücklegen, alſo die Geſchwin- digkeit unſerer heftigſten Stürme mehr als achtmal übertreffen. Schröter hat ſogar Flecken beobachtet, die 10000 Fuß in einer Secunde zurücklegen. Wahrſcheinlich werden ſie über der Ober- fläche Jupiters durch ſtarke, nach einer conſtanten Richtung gehende Winde, die unſeren Paſſatwinden ähnlich ſind, in Be- wegung geſetzt. Wenn dieſe Flecken der Oberfläche des Planeten ſelbſt angehörten, ſo müßten dieſe beinahe täglich vorkommenden Zerrüttungen die Oberfläche des Planeten gänzlich unbewohnbar machen, und man müßte annehmen, daß dort große, flüſſige, unſerm Meere ähnliche Maſſen täglich aus ihren Ufern treten und das Feſtland bald mit ihren Fluthen bedecken, bald wieder daſſelbe trocken legen. Wenn aber auch dieſe Veränderungen nur in der Atmoſphäre Jupiters vor ſich gehen, ſo muß dieſe Atmoſphäre doch von unſerer irdiſchen ſehr verſchieden ſeyn, und eine viel größere Dichtigkeit haben. Schon Caſſini beob- achtete in wenigen Stunden plötzliche Verdunklungen und Auf- heiterungen großer Strecken von 10000 und 20000 Quadratmeilen der Oberfläche dieſes Planeten, eine Erſcheinung, die Schröter beſonders an den beiden Polen Jupiters ſehr oft ſich wieder- holen ſah. Die Luft, welche dieſen Planeten umgibt, kömmt vielleicht an Dichtigkeit ſchon der unſeres Waſſers nahe, und die Ausdünſtungen und Wolken, welche in dieſer Atmoſphäre von den heftigen Stürmen bewegt werden, mögen ſchon unſern feſten Körpern oder den Wolken von Holz auf unſern Altären gleichen. Gewiß iſt, daß die Revolutionen, welche in jener Atmoſphäre vor ſich gehen, an Intenſität und Ausdehnung mit unſern Orkanen
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Jupiter.
§. 94. (Streifen und Flecken auf Jupiter.) Es iſt durchaus
nicht wahrſcheinlich, daß dieſe Streifen und Flecken der Oberfläche
Jupiters ſelbſt angehören. Sie bilden ſich vielmehr in der
Atmoſphäre dieſes Planeten, weil ſie in ihren Bewegungen immer
von Weſt nach Oſt gehen, und weil auch die Geſchwindigkeit der-
ſelben nicht mit der Umdrehung Jupiters um ſeine Axe überein-
ſtimmt. Dieſe letzte beträgt nicht ganz zehn unſerer Stunden,
während dieſe Flecken ihre Umlaufszeit in 7, 8 bis 10 Stunden
vollenden. Nahe am Aequator ſieht man öfter ſolche Flecken, die
in jeder Secunde 300 bis 400 Fuß zurücklegen, alſo die Geſchwin-
digkeit unſerer heftigſten Stürme mehr als achtmal übertreffen.
Schröter hat ſogar Flecken beobachtet, die 10000 Fuß in einer
Secunde zurücklegen. Wahrſcheinlich werden ſie über der Ober-
fläche Jupiters durch ſtarke, nach einer conſtanten Richtung
gehende Winde, die unſeren Paſſatwinden ähnlich ſind, in Be-
wegung geſetzt. Wenn dieſe Flecken der Oberfläche des Planeten
ſelbſt angehörten, ſo müßten dieſe beinahe täglich vorkommenden
Zerrüttungen die Oberfläche des Planeten gänzlich unbewohnbar
machen, und man müßte annehmen, daß dort große, flüſſige,
unſerm Meere ähnliche Maſſen täglich aus ihren Ufern treten
und das Feſtland bald mit ihren Fluthen bedecken, bald wieder
daſſelbe trocken legen. Wenn aber auch dieſe Veränderungen
nur in der Atmoſphäre Jupiters vor ſich gehen, ſo muß dieſe
Atmoſphäre doch von unſerer irdiſchen ſehr verſchieden ſeyn,
und eine viel größere Dichtigkeit haben. Schon Caſſini beob-
achtete in wenigen Stunden plötzliche Verdunklungen und Auf-
heiterungen großer Strecken von 10000 und 20000 Quadratmeilen
der Oberfläche dieſes Planeten, eine Erſcheinung, die Schröter
beſonders an den beiden Polen Jupiters ſehr oft ſich wieder-
holen ſah. Die Luft, welche dieſen Planeten umgibt, kömmt
vielleicht an Dichtigkeit ſchon der unſeres Waſſers nahe, und
die Ausdünſtungen und Wolken, welche in dieſer Atmoſphäre von
den heftigen Stürmen bewegt werden, mögen ſchon unſern feſten
Körpern oder den Wolken von Holz auf unſern Altären gleichen.
Gewiß iſt, daß die Revolutionen, welche in jener Atmoſphäre vor
ſich gehen, an Intenſität und Ausdehnung mit unſern Orkanen
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/135>, abgerufen am 23.11.2024.
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