Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Venus.
Linie zwischen der Erde und der Sonne steht, ist die Entfernung
der Venus von der Sonne gleich dem, aus der elliptischen Theo-
rie bekannten Radius Vector (I. S. 282) der Erde, weniger dem
der Venus, so daß daher für dieselbe Zeit das Verhältniß der
Entfernungen beider Planeten von der Sonne, also auch das Ver-
hältniß ihrer Parallaxen als eine gegebene und sehr genau bekannte
Größe anzusehen ist. Wenn man aber von zwei unbekannten
Größen ihr Verhältniß und überdieß auch, wie dies bei un-
serer Methode der Fall ist, ihre Differenz kennt, so kann man
auch sehr leicht jede dieser beiden Größen selbst finden. Wenn z.
B. durch die Beobachtung eines Durchgangs die Differenz der
beiden Parallaxen gleich 23" gefunden worden ist, und wenn man
aus der Theorie der elliptischen Bewegung, verbunden mit dem
erwähnten Gesetze Keplers weiß, daß für dieselbe Zeit das Ver-
hältniß der beiden Parallaxen 3,795 ist, so findet daraus jeder
Anfänger in der Algebra sofort, daß die beiden Parallaxen selbst,
die eine gleich 23" und die andre gleich 8" seyn muß, wodurch
daher nicht bloß die gesuchte Parallaxe der Sonne, sondern auch zu-
gleich die der Venus gefunden wird.

§. 74. (Einfache Darstellung des Vorhergehenden.) Man
kann denselben Gegenstand noch auf eine andere, sehr einfache
Weise darstellen. Ist ABC (Fig. 7) die Erde, V die Venus und
S die Sonne, so kann man, ohne in der Erscheinung etwas zu
ändern, die Erde, in Beziehung auf ihre jährliche Bewegung,
als ruhend vorstellen und dafür der Venus die Differenz derjeni-
gen zwei Bewegungen geben, welche dieser Planet und die Erde
in der That haben. Sey also aVb der Weg, welchen Venus mit
dieser relativen Bewegung während der Zeit des ganzen Durch-
gangs in ihrer Bahn beschreibt. Es seyen ferner A und B zwei Be-
obachter auf der Oberfläche der Erde, welche die zwei Endpunkte
desjenigen Erddurchmessers AB einnehmen, der auf der Ebene der
Ecliptik senkrecht steht. Läßt man der größeren Einfachheit we-
gen die tägliche Rotation der Erde außer Betrachtung und nimmt
man also an, daß diese zwei Beobachter ihre Lage gegen die
Sonne unverändert beibehalten, so wird der eine Beobachter A zu
einer gewissen Zeit den Mittelpunkt der Venus auf der Sonnen-

7 *

Venus.
Linie zwiſchen der Erde und der Sonne ſteht, iſt die Entfernung
der Venus von der Sonne gleich dem, aus der elliptiſchen Theo-
rie bekannten Radius Vector (I. S. 282) der Erde, weniger dem
der Venus, ſo daß daher für dieſelbe Zeit das Verhältniß der
Entfernungen beider Planeten von der Sonne, alſo auch das Ver-
hältniß ihrer Parallaxen als eine gegebene und ſehr genau bekannte
Größe anzuſehen iſt. Wenn man aber von zwei unbekannten
Größen ihr Verhältniß und überdieß auch, wie dies bei un-
ſerer Methode der Fall iſt, ihre Differenz kennt, ſo kann man
auch ſehr leicht jede dieſer beiden Größen ſelbſt finden. Wenn z.
B. durch die Beobachtung eines Durchgangs die Differenz der
beiden Parallaxen gleich 23″ gefunden worden iſt, und wenn man
aus der Theorie der elliptiſchen Bewegung, verbunden mit dem
erwähnten Geſetze Keplers weiß, daß für dieſelbe Zeit das Ver-
hältniß der beiden Parallaxen 3,795 iſt, ſo findet daraus jeder
Anfänger in der Algebra ſofort, daß die beiden Parallaxen ſelbſt,
die eine gleich 23″ und die andre gleich 8″ ſeyn muß, wodurch
daher nicht bloß die geſuchte Parallaxe der Sonne, ſondern auch zu-
gleich die der Venus gefunden wird.

§. 74. (Einfache Darſtellung des Vorhergehenden.) Man
kann denſelben Gegenſtand noch auf eine andere, ſehr einfache
Weiſe darſtellen. Iſt ABC (Fig. 7) die Erde, V die Venus und
S die Sonne, ſo kann man, ohne in der Erſcheinung etwas zu
ändern, die Erde, in Beziehung auf ihre jährliche Bewegung,
als ruhend vorſtellen und dafür der Venus die Differenz derjeni-
gen zwei Bewegungen geben, welche dieſer Planet und die Erde
in der That haben. Sey alſo aVb der Weg, welchen Venus mit
dieſer relativen Bewegung während der Zeit des ganzen Durch-
gangs in ihrer Bahn beſchreibt. Es ſeyen ferner A und B zwei Be-
obachter auf der Oberfläche der Erde, welche die zwei Endpunkte
desjenigen Erddurchmeſſers AB einnehmen, der auf der Ebene der
Ecliptik ſenkrecht ſteht. Läßt man der größeren Einfachheit we-
gen die tägliche Rotation der Erde außer Betrachtung und nimmt
man alſo an, daß dieſe zwei Beobachter ihre Lage gegen die
Sonne unverändert beibehalten, ſo wird der eine Beobachter A zu
einer gewiſſen Zeit den Mittelpunkt der Venus auf der Sonnen-

7 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0109" n="99"/><fw place="top" type="header">Venus.</fw><lb/>
Linie zwi&#x017F;chen der Erde und der Sonne &#x017F;teht, i&#x017F;t die Entfernung<lb/>
der Venus von der Sonne gleich dem, aus der ellipti&#x017F;chen Theo-<lb/>
rie bekannten Radius Vector (<hi rendition="#aq">I.</hi> S. 282) der Erde, weniger dem<lb/>
der Venus, &#x017F;o daß daher für die&#x017F;elbe Zeit das Verhältniß der<lb/>
Entfernungen beider Planeten von der Sonne, al&#x017F;o auch das Ver-<lb/>
hältniß ihrer Parallaxen als eine gegebene und &#x017F;ehr genau bekannte<lb/>
Größe anzu&#x017F;ehen i&#x017F;t. Wenn man aber von zwei unbekannten<lb/>
Größen ihr <hi rendition="#g">Verhältniß</hi> und überdieß auch, wie dies bei un-<lb/>
&#x017F;erer Methode der Fall i&#x017F;t, ihre <hi rendition="#g">Differenz</hi> kennt, &#x017F;o kann man<lb/>
auch &#x017F;ehr leicht jede die&#x017F;er beiden Größen &#x017F;elb&#x017F;t finden. Wenn z.<lb/>
B. durch die Beobachtung eines Durchgangs die Differenz der<lb/>
beiden Parallaxen gleich 23&#x2033; gefunden worden i&#x017F;t, und wenn man<lb/>
aus der Theorie der ellipti&#x017F;chen Bewegung, verbunden mit dem<lb/>
erwähnten Ge&#x017F;etze Keplers weiß, daß für die&#x017F;elbe Zeit das Ver-<lb/>
hältniß der beiden Parallaxen 3,<hi rendition="#sub">795</hi> i&#x017F;t, &#x017F;o findet daraus jeder<lb/>
Anfänger in der Algebra &#x017F;ofort, daß die beiden Parallaxen &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
die eine gleich 23&#x2033; und die andre gleich 8&#x2033; &#x017F;eyn muß, wodurch<lb/>
daher nicht bloß die ge&#x017F;uchte Parallaxe der Sonne, &#x017F;ondern auch zu-<lb/>
gleich die der Venus gefunden wird.</p><lb/>
            <p>§. 74. (Einfache Dar&#x017F;tellung des Vorhergehenden.) Man<lb/>
kann den&#x017F;elben Gegen&#x017F;tand noch auf eine andere, &#x017F;ehr einfache<lb/>
Wei&#x017F;e dar&#x017F;tellen. I&#x017F;t <hi rendition="#aq">ABC</hi> (Fig. 7) die Erde, <hi rendition="#aq">V</hi> die Venus und<lb/><hi rendition="#aq">S</hi> die Sonne, &#x017F;o kann man, ohne in der Er&#x017F;cheinung etwas zu<lb/>
ändern, die Erde, in Beziehung auf ihre jährliche Bewegung,<lb/>
als ruhend vor&#x017F;tellen und dafür der Venus die Differenz derjeni-<lb/>
gen zwei Bewegungen geben, welche die&#x017F;er Planet und die Erde<lb/>
in der That haben. Sey al&#x017F;o <hi rendition="#aq">aVb</hi> der Weg, welchen Venus mit<lb/>
die&#x017F;er <hi rendition="#g">relativen</hi> Bewegung während der Zeit des ganzen Durch-<lb/>
gangs in ihrer Bahn be&#x017F;chreibt. Es &#x017F;eyen ferner <hi rendition="#aq">A</hi> und <hi rendition="#aq">B</hi> zwei Be-<lb/>
obachter auf der Oberfläche der Erde, welche die zwei Endpunkte<lb/>
desjenigen Erddurchme&#x017F;&#x017F;ers <hi rendition="#aq">AB</hi> einnehmen, der auf der Ebene der<lb/>
Ecliptik &#x017F;enkrecht &#x017F;teht. Läßt man der größeren Einfachheit we-<lb/>
gen die tägliche Rotation der Erde außer Betrachtung und nimmt<lb/>
man al&#x017F;o an, daß die&#x017F;e zwei Beobachter ihre Lage gegen die<lb/>
Sonne unverändert beibehalten, &#x017F;o wird der eine Beobachter <hi rendition="#aq">A</hi> zu<lb/>
einer gewi&#x017F;&#x017F;en Zeit den Mittelpunkt der Venus auf der Sonnen-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">7 *</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0109] Venus. Linie zwiſchen der Erde und der Sonne ſteht, iſt die Entfernung der Venus von der Sonne gleich dem, aus der elliptiſchen Theo- rie bekannten Radius Vector (I. S. 282) der Erde, weniger dem der Venus, ſo daß daher für dieſelbe Zeit das Verhältniß der Entfernungen beider Planeten von der Sonne, alſo auch das Ver- hältniß ihrer Parallaxen als eine gegebene und ſehr genau bekannte Größe anzuſehen iſt. Wenn man aber von zwei unbekannten Größen ihr Verhältniß und überdieß auch, wie dies bei un- ſerer Methode der Fall iſt, ihre Differenz kennt, ſo kann man auch ſehr leicht jede dieſer beiden Größen ſelbſt finden. Wenn z. B. durch die Beobachtung eines Durchgangs die Differenz der beiden Parallaxen gleich 23″ gefunden worden iſt, und wenn man aus der Theorie der elliptiſchen Bewegung, verbunden mit dem erwähnten Geſetze Keplers weiß, daß für dieſelbe Zeit das Ver- hältniß der beiden Parallaxen 3,795 iſt, ſo findet daraus jeder Anfänger in der Algebra ſofort, daß die beiden Parallaxen ſelbſt, die eine gleich 23″ und die andre gleich 8″ ſeyn muß, wodurch daher nicht bloß die geſuchte Parallaxe der Sonne, ſondern auch zu- gleich die der Venus gefunden wird. §. 74. (Einfache Darſtellung des Vorhergehenden.) Man kann denſelben Gegenſtand noch auf eine andere, ſehr einfache Weiſe darſtellen. Iſt ABC (Fig. 7) die Erde, V die Venus und S die Sonne, ſo kann man, ohne in der Erſcheinung etwas zu ändern, die Erde, in Beziehung auf ihre jährliche Bewegung, als ruhend vorſtellen und dafür der Venus die Differenz derjeni- gen zwei Bewegungen geben, welche dieſer Planet und die Erde in der That haben. Sey alſo aVb der Weg, welchen Venus mit dieſer relativen Bewegung während der Zeit des ganzen Durch- gangs in ihrer Bahn beſchreibt. Es ſeyen ferner A und B zwei Be- obachter auf der Oberfläche der Erde, welche die zwei Endpunkte desjenigen Erddurchmeſſers AB einnehmen, der auf der Ebene der Ecliptik ſenkrecht ſteht. Läßt man der größeren Einfachheit we- gen die tägliche Rotation der Erde außer Betrachtung und nimmt man alſo an, daß dieſe zwei Beobachter ihre Lage gegen die Sonne unverändert beibehalten, ſo wird der eine Beobachter A zu einer gewiſſen Zeit den Mittelpunkt der Venus auf der Sonnen- 7 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/109
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/109>, abgerufen am 27.11.2024.