Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
Tägliche Bewegung der Erde.
[Tabelle]

Allein diese Zahlen sind bloß durch Rechnung gefunden wor-
den, indem man die Rotation der Erde voraussetzte, und bloß auf
theoretischem Wege die Folgen suchte, welche diese Rotation in Bezie-
hung auf die Erscheinung der Schwere der Erde in verschiedenen Punk-
ten der Oberfläche derselben haben würde. Wenn man daher auch
diese Unterschiede der Schwere auf der Erde unmittelbar beobach-
ten
könnte, und wenn die Resultate dieser Beobachtungen mit
den Ergebnissen der vorhergehenden Rechnung übereinstimmend
gefunden würden, so dürften wir diese Harmonie als einen ferne-
ren, und zwar sehr schönen Beweis für die Umdrehung der Erde
selbst betrachten. Allein wie sollen wir diese Schwere der Erde
in verschiedenen Punkten ihrer Oberfläche messen?

§. 24. (Mittel, die Schwere zu messen.) Der Mittel dazu
gibt es manche, aber sie sind nicht alle der Art, daß wir viel
Gutes von ihnen zu hoffen hätten. Und hier begegnen wir einem
andern Umstande, der nur zu oft in der Astronomie und über-
haupt in allen Naturwissenschaften vorkömmt, und uns nicht sel-
ten in große Verlegenheit setzt. In der Mathematik und in an-
deren positiven Doctrinen ist es genug, einen Satz bewiesen oder
ein gegebenes Problem richtig aufgelöst zu haben, um von der
Wahrheit der Sache, die man sucht, überzeugt zu seyn, und so
lange uns nur um diese Wahrheit, als um eine Hauptsache, zu
thun ist, dürfen wir uns sehr wenig darum kümmern, ob die von
uns gefundene Auflösung auch zugleich die einfachste, die kürzeste
oder die eleganteste nach ihrer äußeren Form seyn mag, da es zu
unserem Zwecke vollkommen hinreicht, daß sie richtig ist. Nicht
so verhält sich die Sache, wenn es sich um Experimente oder um

Tägliche Bewegung der Erde.
[Tabelle]

Allein dieſe Zahlen ſind bloß durch Rechnung gefunden wor-
den, indem man die Rotation der Erde vorausſetzte, und bloß auf
theoretiſchem Wege die Folgen ſuchte, welche dieſe Rotation in Bezie-
hung auf die Erſcheinung der Schwere der Erde in verſchiedenen Punk-
ten der Oberfläche derſelben haben würde. Wenn man daher auch
dieſe Unterſchiede der Schwere auf der Erde unmittelbar beobach-
ten
könnte, und wenn die Reſultate dieſer Beobachtungen mit
den Ergebniſſen der vorhergehenden Rechnung übereinſtimmend
gefunden würden, ſo dürften wir dieſe Harmonie als einen ferne-
ren, und zwar ſehr ſchönen Beweis für die Umdrehung der Erde
ſelbſt betrachten. Allein wie ſollen wir dieſe Schwere der Erde
in verſchiedenen Punkten ihrer Oberfläche meſſen?

§. 24. (Mittel, die Schwere zu meſſen.) Der Mittel dazu
gibt es manche, aber ſie ſind nicht alle der Art, daß wir viel
Gutes von ihnen zu hoffen hätten. Und hier begegnen wir einem
andern Umſtande, der nur zu oft in der Aſtronomie und über-
haupt in allen Naturwiſſenſchaften vorkömmt, und uns nicht ſel-
ten in große Verlegenheit ſetzt. In der Mathematik und in an-
deren poſitiven Doctrinen iſt es genug, einen Satz bewieſen oder
ein gegebenes Problem richtig aufgelöst zu haben, um von der
Wahrheit der Sache, die man ſucht, überzeugt zu ſeyn, und ſo
lange uns nur um dieſe Wahrheit, als um eine Hauptſache, zu
thun iſt, dürfen wir uns ſehr wenig darum kümmern, ob die von
uns gefundene Auflöſung auch zugleich die einfachſte, die kürzeſte
oder die eleganteſte nach ihrer äußeren Form ſeyn mag, da es zu
unſerem Zwecke vollkommen hinreicht, daß ſie richtig iſt. Nicht
ſo verhält ſich die Sache, wenn es ſich um Experimente oder um

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <pb facs="#f0088" n="76"/>
          <fw place="top" type="header">Tägliche Bewegung der Erde.</fw><lb/>
          <table>
            <row>
              <cell/>
            </row>
          </table>
          <p>Allein die&#x017F;e Zahlen &#x017F;ind bloß durch Rechnung gefunden wor-<lb/>
den, indem man die Rotation der Erde voraus&#x017F;etzte, und bloß auf<lb/>
theoreti&#x017F;chem Wege die Folgen &#x017F;uchte, welche die&#x017F;e Rotation in Bezie-<lb/>
hung auf die Er&#x017F;cheinung der Schwere der Erde in ver&#x017F;chiedenen Punk-<lb/>
ten der Oberfläche der&#x017F;elben haben würde. Wenn man daher auch<lb/>
die&#x017F;e Unter&#x017F;chiede der Schwere auf der Erde unmittelbar <hi rendition="#g">beobach-<lb/>
ten</hi> könnte, und wenn die Re&#x017F;ultate die&#x017F;er Beobachtungen mit<lb/>
den Ergebni&#x017F;&#x017F;en der vorhergehenden Rechnung überein&#x017F;timmend<lb/>
gefunden würden, &#x017F;o dürften wir die&#x017F;e Harmonie als einen ferne-<lb/>
ren, und zwar &#x017F;ehr &#x017F;chönen Beweis für die Umdrehung der Erde<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t betrachten. Allein wie &#x017F;ollen wir die&#x017F;e Schwere der Erde<lb/>
in ver&#x017F;chiedenen Punkten ihrer Oberfläche me&#x017F;&#x017F;en?</p><lb/>
          <p>§. 24. (Mittel, die Schwere zu me&#x017F;&#x017F;en.) Der Mittel dazu<lb/>
gibt es manche, aber &#x017F;ie &#x017F;ind nicht alle der Art, daß wir viel<lb/>
Gutes von ihnen zu hoffen hätten. Und hier begegnen wir einem<lb/>
andern Um&#x017F;tande, der nur zu oft in der A&#x017F;tronomie und über-<lb/>
haupt in allen Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften vorkömmt, und uns nicht &#x017F;el-<lb/>
ten in große Verlegenheit &#x017F;etzt. In der Mathematik und in an-<lb/>
deren po&#x017F;itiven Doctrinen i&#x017F;t es genug, einen Satz bewie&#x017F;en oder<lb/>
ein gegebenes Problem richtig aufgelöst zu haben, um von der<lb/>
Wahrheit der Sache, die man &#x017F;ucht, überzeugt zu &#x017F;eyn, und &#x017F;o<lb/>
lange uns nur um die&#x017F;e Wahrheit, als um eine Haupt&#x017F;ache, zu<lb/>
thun i&#x017F;t, dürfen wir uns &#x017F;ehr wenig darum kümmern, ob die von<lb/>
uns gefundene Auflö&#x017F;ung auch zugleich die einfach&#x017F;te, die kürze&#x017F;te<lb/>
oder die elegante&#x017F;te nach ihrer äußeren Form &#x017F;eyn mag, da es zu<lb/>
un&#x017F;erem Zwecke vollkommen hinreicht, <hi rendition="#g">daß &#x017F;ie richtig</hi> i&#x017F;t. Nicht<lb/>
&#x017F;o verhält &#x017F;ich die Sache, wenn es &#x017F;ich um Experimente oder um<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0088] Tägliche Bewegung der Erde. Allein dieſe Zahlen ſind bloß durch Rechnung gefunden wor- den, indem man die Rotation der Erde vorausſetzte, und bloß auf theoretiſchem Wege die Folgen ſuchte, welche dieſe Rotation in Bezie- hung auf die Erſcheinung der Schwere der Erde in verſchiedenen Punk- ten der Oberfläche derſelben haben würde. Wenn man daher auch dieſe Unterſchiede der Schwere auf der Erde unmittelbar beobach- ten könnte, und wenn die Reſultate dieſer Beobachtungen mit den Ergebniſſen der vorhergehenden Rechnung übereinſtimmend gefunden würden, ſo dürften wir dieſe Harmonie als einen ferne- ren, und zwar ſehr ſchönen Beweis für die Umdrehung der Erde ſelbſt betrachten. Allein wie ſollen wir dieſe Schwere der Erde in verſchiedenen Punkten ihrer Oberfläche meſſen? §. 24. (Mittel, die Schwere zu meſſen.) Der Mittel dazu gibt es manche, aber ſie ſind nicht alle der Art, daß wir viel Gutes von ihnen zu hoffen hätten. Und hier begegnen wir einem andern Umſtande, der nur zu oft in der Aſtronomie und über- haupt in allen Naturwiſſenſchaften vorkömmt, und uns nicht ſel- ten in große Verlegenheit ſetzt. In der Mathematik und in an- deren poſitiven Doctrinen iſt es genug, einen Satz bewieſen oder ein gegebenes Problem richtig aufgelöst zu haben, um von der Wahrheit der Sache, die man ſucht, überzeugt zu ſeyn, und ſo lange uns nur um dieſe Wahrheit, als um eine Hauptſache, zu thun iſt, dürfen wir uns ſehr wenig darum kümmern, ob die von uns gefundene Auflöſung auch zugleich die einfachſte, die kürzeſte oder die eleganteſte nach ihrer äußeren Form ſeyn mag, da es zu unſerem Zwecke vollkommen hinreicht, daß ſie richtig iſt. Nicht ſo verhält ſich die Sache, wenn es ſich um Experimente oder um

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/88
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/88>, abgerufen am 02.05.2024.