der Erde oder genau ebensoviel, als jene Erhöhung des Polar- sternes auf der Oberfläche des Himmels, wie dieses seyn muß, wenn die Erde in der That die Gestalt einer Kugel haben soll.
§. 9. (III. Aus den sogenannten Reisen um die Welt). Wir wissen ferner, daß unsere sogenannten Weltumsegler, wenn sie ihren Cours immer in derselben Richtung z. B. von Ost nach West beibehalten, also sich scheinbar immer weiter von ihrem Abfahrtspunkte entfernen, daß sie doch am Ende ihrer Reise wieder an demselben Punkte ankommen, von welchem sie ausgegangen sind, was unmöglich wäre, wenn die Erde die Gestalt einer Ebene hätte. Ebenso entfernen sich zwei solcher Schiffe, die aus dem- selben Hafen, das eine nach West, und das andere nach Ost auslaufen, nicht immer von einander, wie dieses auf einer Ebene der Fall seyn müßte, sondern sie begegnen einander auf halbem Wege, obschon sie in der That immer in derselben Richtung, und zwar auf einer scheinbaren Ebene fortzusegeln wähnten, ohne irgendwo eine Ecke oder einen Abgrund zu treffen, der sie in ihrem Laufe aufgehalten hätte.
§. 10. (IV. Aus Mondesfinsternissen). Wer ferner je eine Mondesfinsterniß angesehen hat und weiß, daß sie entsteht, wenn der Mond in den Schatten tritt, welchen die von der Sonne be- leuchtete Erde hinter sich wirft, dem wird der bloße Anblick dieser Erscheinung schon einen Beweis mehr für die runde Gestalt der Erde geben. Die Gränze des Erdschattens erscheint nämlich, bei diesen Finsternissen, auf der kugelförmigen Oberfläche des Mondes immer rund, zum Zeichen, daß die Erde selbst, welche diesen Schatten wirft, auch rund seyn müsse. Zwar könnte man ein- wenden, daß auch dann, wenn die Erde, und daher auch ihr Schatten, eine Ebene wären, der letzte auf dem Monde doch rund erscheinen müßte. In der That ist der Schnitt einer Kugel, also auch des Mondes, mit einer Ebene immer ein Kreis, und ein Kreis muß allen denen, welche außer der Ebene desselben, und schief gegen dieselbe stehen, als eine Elipse, also als eine krumme Linie erscheinen. Allein wir, die Bewohner der Erde, sind zur Zeit jener Finsternisse immer sehr nahe in der Ebene jenes Krei- ses, und dieser Kreis oder diese Schattengränze müßte uns daher auf dem Monde als eine gerade Linie erscheinen, wenn diese
Geſtalt der Erde.
der Erde oder genau ebenſoviel, als jene Erhöhung des Polar- ſternes auf der Oberfläche des Himmels, wie dieſes ſeyn muß, wenn die Erde in der That die Geſtalt einer Kugel haben ſoll.
§. 9. (III. Aus den ſogenannten Reiſen um die Welt). Wir wiſſen ferner, daß unſere ſogenannten Weltumſegler, wenn ſie ihren Cours immer in derſelben Richtung z. B. von Oſt nach Weſt beibehalten, alſo ſich ſcheinbar immer weiter von ihrem Abfahrtspunkte entfernen, daß ſie doch am Ende ihrer Reiſe wieder an demſelben Punkte ankommen, von welchem ſie ausgegangen ſind, was unmöglich wäre, wenn die Erde die Geſtalt einer Ebene hätte. Ebenſo entfernen ſich zwei ſolcher Schiffe, die aus dem- ſelben Hafen, das eine nach Weſt, und das andere nach Oſt auslaufen, nicht immer von einander, wie dieſes auf einer Ebene der Fall ſeyn müßte, ſondern ſie begegnen einander auf halbem Wege, obſchon ſie in der That immer in derſelben Richtung, und zwar auf einer ſcheinbaren Ebene fortzuſegeln wähnten, ohne irgendwo eine Ecke oder einen Abgrund zu treffen, der ſie in ihrem Laufe aufgehalten hätte.
§. 10. (IV. Aus Mondesfinſterniſſen). Wer ferner je eine Mondesfinſterniß angeſehen hat und weiß, daß ſie entſteht, wenn der Mond in den Schatten tritt, welchen die von der Sonne be- leuchtete Erde hinter ſich wirft, dem wird der bloße Anblick dieſer Erſcheinung ſchon einen Beweis mehr für die runde Geſtalt der Erde geben. Die Gränze des Erdſchattens erſcheint nämlich, bei dieſen Finſterniſſen, auf der kugelförmigen Oberfläche des Mondes immer rund, zum Zeichen, daß die Erde ſelbſt, welche dieſen Schatten wirft, auch rund ſeyn müſſe. Zwar könnte man ein- wenden, daß auch dann, wenn die Erde, und daher auch ihr Schatten, eine Ebene wären, der letzte auf dem Monde doch rund erſcheinen müßte. In der That iſt der Schnitt einer Kugel, alſo auch des Mondes, mit einer Ebene immer ein Kreis, und ein Kreis muß allen denen, welche außer der Ebene deſſelben, und ſchief gegen dieſelbe ſtehen, als eine Elipſe, alſo als eine krumme Linie erſcheinen. Allein wir, die Bewohner der Erde, ſind zur Zeit jener Finſterniſſe immer ſehr nahe in der Ebene jenes Krei- ſes, und dieſer Kreis oder dieſe Schattengränze müßte uns daher auf dem Monde als eine gerade Linie erſcheinen, wenn dieſe
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Geſtalt der Erde.
der Erde oder genau ebenſoviel, als jene Erhöhung des Polar-
ſternes auf der Oberfläche des Himmels, wie dieſes ſeyn muß,
wenn die Erde in der That die Geſtalt einer Kugel haben ſoll.
§. 9. (III. Aus den ſogenannten Reiſen um die Welt). Wir
wiſſen ferner, daß unſere ſogenannten Weltumſegler, wenn ſie
ihren Cours immer in derſelben Richtung z. B. von Oſt nach
Weſt beibehalten, alſo ſich ſcheinbar immer weiter von ihrem
Abfahrtspunkte entfernen, daß ſie doch am Ende ihrer Reiſe wieder
an demſelben Punkte ankommen, von welchem ſie ausgegangen
ſind, was unmöglich wäre, wenn die Erde die Geſtalt einer Ebene
hätte. Ebenſo entfernen ſich zwei ſolcher Schiffe, die aus dem-
ſelben Hafen, das eine nach Weſt, und das andere nach Oſt
auslaufen, nicht immer von einander, wie dieſes auf einer Ebene
der Fall ſeyn müßte, ſondern ſie begegnen einander auf halbem
Wege, obſchon ſie in der That immer in derſelben Richtung, und
zwar auf einer ſcheinbaren Ebene fortzuſegeln wähnten, ohne
irgendwo eine Ecke oder einen Abgrund zu treffen, der ſie in
ihrem Laufe aufgehalten hätte.
§. 10. (IV. Aus Mondesfinſterniſſen). Wer ferner je eine
Mondesfinſterniß angeſehen hat und weiß, daß ſie entſteht, wenn
der Mond in den Schatten tritt, welchen die von der Sonne be-
leuchtete Erde hinter ſich wirft, dem wird der bloße Anblick dieſer
Erſcheinung ſchon einen Beweis mehr für die runde Geſtalt der
Erde geben. Die Gränze des Erdſchattens erſcheint nämlich, bei
dieſen Finſterniſſen, auf der kugelförmigen Oberfläche des Mondes
immer rund, zum Zeichen, daß die Erde ſelbſt, welche dieſen
Schatten wirft, auch rund ſeyn müſſe. Zwar könnte man ein-
wenden, daß auch dann, wenn die Erde, und daher auch ihr
Schatten, eine Ebene wären, der letzte auf dem Monde doch rund
erſcheinen müßte. In der That iſt der Schnitt einer Kugel, alſo
auch des Mondes, mit einer Ebene immer ein Kreis, und ein
Kreis muß allen denen, welche außer der Ebene deſſelben, und
ſchief gegen dieſelbe ſtehen, als eine Elipſe, alſo als eine krumme
Linie erſcheinen. Allein wir, die Bewohner der Erde, ſind zur
Zeit jener Finſterniſſe immer ſehr nahe in der Ebene jenes Krei-
ſes, und dieſer Kreis oder dieſe Schattengränze müßte uns daher
auf dem Monde als eine gerade Linie erſcheinen, wenn dieſe
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/65>, abgerufen am 16.02.2025.
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