Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.Refraction, Präcession und Nutation. anderen Hülfsmittel, weder einer Widerlegung, noch auch einesstrengen Beweises fähig zu seyn scheinen. Selbst wenn man aus der Construction dieser Bildnisse mit Gewißheit bestimmen könnte, unter welche Gestirne die Erbauer derselben die Nachtgleichen oder die Solstitien versetzt haben -- aber wie weit ist man noch von dieser Bestimmung, über welche noch die größte Ungewißheit herrscht, entfernt -- selbst dann noch würde man über das Alter dieser Denkmähler keinen sicheren Ausspruch wagen können, da die be- kannte Lust der Aegyptier und Indier, mit einem hohen Alter- thume ihres Volkes zu prahlen, sie leicht verleiten konnte, nicht den zur Zeit der Erbauung jener Tempel bestandenen, sondern einen viel früheren, vielleicht ganz imaginären Zustand des Him- mels darzustellen. So haben uns die Engländer erst in unseren Tagen mit sehr alten Planetentafeln der Indier bekannt gemacht, die sämmtlich von einer Conjunction aller Planeten anfangen, welche um das Jahr 3100 vor Chr. G. beobachtet worden seyn soll. Allein als man diese Tafeln, deren hohes Alterthum sie uns in der That ganz besonders merkwürdig gemacht hätte, näher un- tersuchte, fand man, daß sie noch eine andere, viel neuere Epoche voraussetzen, die in das Jahr 1491 nach Chr. G. fällt, und daß man, wenn man mit dieser Epoche und mit den mittleren Bewe- gungen dieser Tafeln rückwärts rechnet, allerdings jene allgemeine Conjunction der Planeten findet, die aber demungeachtet nicht statt gehabt hat, weil unsere neuesten Tafeln, welche jene indischen an Vollkommenheit weit hinter sich zurücklassen, dieser Conjunction gänzlich widersprechen und dadurch zugleich zeigen, daß jene erste, altergraue Epoche nur eines der vielen Opfer war, welche die auf ihr hohes Alterthum stolzen Indier ihrer Eitelkeit bringen wollten. Refraction, Präceſſion und Nutation. anderen Hülfsmittel, weder einer Widerlegung, noch auch einesſtrengen Beweiſes fähig zu ſeyn ſcheinen. Selbſt wenn man aus der Conſtruction dieſer Bildniſſe mit Gewißheit beſtimmen könnte, unter welche Geſtirne die Erbauer derſelben die Nachtgleichen oder die Solſtitien verſetzt haben — aber wie weit iſt man noch von dieſer Beſtimmung, über welche noch die größte Ungewißheit herrſcht, entfernt — ſelbſt dann noch würde man über das Alter dieſer Denkmähler keinen ſicheren Ausſpruch wagen können, da die be- kannte Luſt der Aegyptier und Indier, mit einem hohen Alter- thume ihres Volkes zu prahlen, ſie leicht verleiten konnte, nicht den zur Zeit der Erbauung jener Tempel beſtandenen, ſondern einen viel früheren, vielleicht ganz imaginären Zuſtand des Him- mels darzuſtellen. So haben uns die Engländer erſt in unſeren Tagen mit ſehr alten Planetentafeln der Indier bekannt gemacht, die ſämmtlich von einer Conjunction aller Planeten anfangen, welche um das Jahr 3100 vor Chr. G. beobachtet worden ſeyn ſoll. Allein als man dieſe Tafeln, deren hohes Alterthum ſie uns in der That ganz beſonders merkwürdig gemacht hätte, näher un- terſuchte, fand man, daß ſie noch eine andere, viel neuere Epoche vorausſetzen, die in das Jahr 1491 nach Chr. G. fällt, und daß man, wenn man mit dieſer Epoche und mit den mittleren Bewe- gungen dieſer Tafeln rückwärts rechnet, allerdings jene allgemeine Conjunction der Planeten findet, die aber demungeachtet nicht ſtatt gehabt hat, weil unſere neueſten Tafeln, welche jene indiſchen an Vollkommenheit weit hinter ſich zurücklaſſen, dieſer Conjunction gänzlich widerſprechen und dadurch zugleich zeigen, daß jene erſte, altergraue Epoche nur eines der vielen Opfer war, welche die auf ihr hohes Alterthum ſtolzen Indier ihrer Eitelkeit bringen wollten. <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0374" n="362"/><fw place="top" type="header">Refraction, Präceſſion und Nutation.</fw><lb/> anderen Hülfsmittel, weder einer Widerlegung, noch auch eines<lb/> ſtrengen Beweiſes fähig zu ſeyn ſcheinen. 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Refraction, Präceſſion und Nutation.
anderen Hülfsmittel, weder einer Widerlegung, noch auch eines
ſtrengen Beweiſes fähig zu ſeyn ſcheinen. Selbſt wenn man aus
der Conſtruction dieſer Bildniſſe mit Gewißheit beſtimmen könnte,
unter welche Geſtirne die Erbauer derſelben die Nachtgleichen oder
die Solſtitien verſetzt haben — aber wie weit iſt man noch von
dieſer Beſtimmung, über welche noch die größte Ungewißheit herrſcht,
entfernt — ſelbſt dann noch würde man über das Alter dieſer
Denkmähler keinen ſicheren Ausſpruch wagen können, da die be-
kannte Luſt der Aegyptier und Indier, mit einem hohen Alter-
thume ihres Volkes zu prahlen, ſie leicht verleiten konnte, nicht
den zur Zeit der Erbauung jener Tempel beſtandenen, ſondern
einen viel früheren, vielleicht ganz imaginären Zuſtand des Him-
mels darzuſtellen. So haben uns die Engländer erſt in unſeren
Tagen mit ſehr alten Planetentafeln der Indier bekannt gemacht,
die ſämmtlich von einer Conjunction aller Planeten anfangen,
welche um das Jahr 3100 vor Chr. G. beobachtet worden ſeyn
ſoll. Allein als man dieſe Tafeln, deren hohes Alterthum ſie uns
in der That ganz beſonders merkwürdig gemacht hätte, näher un-
terſuchte, fand man, daß ſie noch eine andere, viel neuere Epoche
vorausſetzen, die in das Jahr 1491 nach Chr. G. fällt, und daß
man, wenn man mit dieſer Epoche und mit den mittleren Bewe-
gungen dieſer Tafeln rückwärts rechnet, allerdings jene allgemeine
Conjunction der Planeten findet, die aber demungeachtet nicht
ſtatt gehabt hat, weil unſere neueſten Tafeln, welche jene indiſchen
an Vollkommenheit weit hinter ſich zurücklaſſen, dieſer Conjunction
gänzlich widerſprechen und dadurch zugleich zeigen, daß jene erſte,
altergraue Epoche nur eines der vielen Opfer war, welche die auf
ihr hohes Alterthum ſtolzen Indier ihrer Eitelkeit bringen wollten.
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