Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Kepler's Gesetze.
zeiten beider um den Punkt S, oder um die Sonne, einander
gleich sind, die durch seine ganze Bahn gleichförmige Geschwin-
digkeit dieses mittleren Planeten gleich dem Mittel aus allen
verschiedenen Geschwindigkeiten des wahren Planeten.

Es ist also, wie man sieht, sehr leicht, den Winkel B' S M
des mittleren Planeten für jede gegebene Zeit zu finden, und es
handelt sich nur noch darum, wie man, wenn m gegeben ist,
auch den Winkel B S P und den Radius Vector S P = r des
wahren Planeten für dieselbe Zeit finden soll. Man nennt aber
den Winkel B' S M oder m die mittlere Anomalie und den
Winkel B S P oder v die wahre Anomalie des Planeten.

§. 141. (Gleichung der Bahn und elliptischer Radius Vector.)
Ohne uns hier in eine strenge Auflösung dieses Problems ein-
zulassen, wird es hinreichen, zu zeigen, wie man diese Auflösung
bei allen jenen Ellipsen leicht und mit hier hinlänglicher Genauig-
keit finden kann, deren Excentricität C S gegen ihre halbe große
Axe C B sehr klein ist, ein Fall, der in der That bei allen Pla-
neten, besonders bei den sieben älteren, statt hat. Bezeichnet man
also dieses Verhältniß [Formel 1] in jeder Ellipse durch e, so ist die
wahre Anomalie v immer gleich der mittleren m mehr dem dop-
pelten Producte der Größe e in den Sinus von m, und der Ra-
dius Vector r ist immer gleich der halben großen Axe, weniger
dem Producte dieser Halbaxe in die Größe e und in den Cosinus
von m, wobei diese Winkel m und v ohne Unterbrechung von 0°
bis 360° gezählt werden. Demnach besteht also die Bewegung
jedes Planeten aus zwei Theilen. Der erste ist gleichförmig, ge-
hört gleichsam dem Kreise an und ist auch ganz derselbe, den
wir schon in dem vorhergehenden Kapitel betrachtet haben. Der
andere aber ist ungleichförmig, gehört der Ellipse an, und ist
gleich 2 e Sin m. Man nennt diesen zweiten Theil die Gleichung
der Bahn
, und sie wird mit ihren Zeichen zur mittleren Länge
des Planeten gesetzt, um die wahre oder elliptische Länge
desselben in der Bahn zu erhalten. Eben so ist die wahre oder
elliptische Distanz des Planeten von der Sonne, oder sein Radius
Vector, aus zwei ähnlichen Theilen zusammengesetzt, davon der

Kepler’s Geſetze.
zeiten beider um den Punkt S, oder um die Sonne, einander
gleich ſind, die durch ſeine ganze Bahn gleichförmige Geſchwin-
digkeit dieſes mittleren Planeten gleich dem Mittel aus allen
verſchiedenen Geſchwindigkeiten des wahren Planeten.

Es iſt alſo, wie man ſieht, ſehr leicht, den Winkel B' S M
des mittleren Planeten für jede gegebene Zeit zu finden, und es
handelt ſich nur noch darum, wie man, wenn m gegeben iſt,
auch den Winkel B S P und den Radius Vector S P = r des
wahren Planeten für dieſelbe Zeit finden ſoll. Man nennt aber
den Winkel B' S M oder m die mittlere Anomalie und den
Winkel B S P oder v die wahre Anomalie des Planeten.

§. 141. (Gleichung der Bahn und elliptiſcher Radius Vector.)
Ohne uns hier in eine ſtrenge Auflöſung dieſes Problems ein-
zulaſſen, wird es hinreichen, zu zeigen, wie man dieſe Auflöſung
bei allen jenen Ellipſen leicht und mit hier hinlänglicher Genauig-
keit finden kann, deren Excentricität C S gegen ihre halbe große
Axe C B ſehr klein iſt, ein Fall, der in der That bei allen Pla-
neten, beſonders bei den ſieben älteren, ſtatt hat. Bezeichnet man
alſo dieſes Verhältniß [Formel 1] in jeder Ellipſe durch e, ſo iſt die
wahre Anomalie v immer gleich der mittleren m mehr dem dop-
pelten Producte der Größe e in den Sinus von m, und der Ra-
dius Vector r iſt immer gleich der halben großen Axe, weniger
dem Producte dieſer Halbaxe in die Größe e und in den Coſinus
von m, wobei dieſe Winkel m und v ohne Unterbrechung von 0°
bis 360° gezählt werden. Demnach beſteht alſo die Bewegung
jedes Planeten aus zwei Theilen. Der erſte iſt gleichförmig, ge-
hört gleichſam dem Kreiſe an und iſt auch ganz derſelbe, den
wir ſchon in dem vorhergehenden Kapitel betrachtet haben. Der
andere aber iſt ungleichförmig, gehört der Ellipſe an, und iſt
gleich 2 e Sin m. Man nennt dieſen zweiten Theil die Gleichung
der Bahn
, und ſie wird mit ihren Zeichen zur mittleren Länge
des Planeten geſetzt, um die wahre oder elliptiſche Länge
deſſelben in der Bahn zu erhalten. Eben ſo iſt die wahre oder
elliptiſche Diſtanz des Planeten von der Sonne, oder ſein Radius
Vector, aus zwei ähnlichen Theilen zuſammengeſetzt, davon der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0291" n="279"/><fw place="top" type="header">Kepler&#x2019;s Ge&#x017F;etze.</fw><lb/>
zeiten beider um den Punkt <hi rendition="#aq">S</hi>, oder um die Sonne, einander<lb/>
gleich &#x017F;ind, die durch &#x017F;eine ganze Bahn gleichförmige Ge&#x017F;chwin-<lb/>
digkeit die&#x017F;es mittleren Planeten gleich dem Mittel aus allen<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Ge&#x017F;chwindigkeiten des wahren Planeten.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t al&#x017F;o, wie man &#x017F;ieht, &#x017F;ehr leicht, den Winkel <hi rendition="#aq">B' S M</hi><lb/>
des mittleren Planeten für jede gegebene Zeit zu finden, und es<lb/>
handelt &#x017F;ich nur noch darum, wie man, wenn <hi rendition="#aq">m</hi> gegeben i&#x017F;t,<lb/>
auch den Winkel <hi rendition="#aq">B S P</hi> und den Radius Vector <hi rendition="#aq">S P = r</hi> des<lb/>
wahren Planeten für die&#x017F;elbe Zeit finden &#x017F;oll. Man nennt aber<lb/>
den Winkel <hi rendition="#aq">B' S M</hi> oder <hi rendition="#aq">m</hi> die <hi rendition="#g">mittlere Anomalie</hi> und den<lb/>
Winkel <hi rendition="#aq">B S P</hi> oder <hi rendition="#aq">v</hi> die <hi rendition="#g">wahre Anomalie</hi> des Planeten.</p><lb/>
          <p>§. 141. (Gleichung der Bahn und ellipti&#x017F;cher Radius Vector.)<lb/>
Ohne uns hier in eine &#x017F;trenge Auflö&#x017F;ung die&#x017F;es Problems ein-<lb/>
zula&#x017F;&#x017F;en, wird es hinreichen, zu zeigen, wie man die&#x017F;e Auflö&#x017F;ung<lb/>
bei allen jenen Ellip&#x017F;en leicht und mit hier hinlänglicher Genauig-<lb/>
keit finden kann, deren Excentricität <hi rendition="#aq">C S</hi> gegen ihre halbe große<lb/>
Axe <hi rendition="#aq">C B</hi> &#x017F;ehr klein i&#x017F;t, ein Fall, der in der That bei allen Pla-<lb/>
neten, be&#x017F;onders bei den &#x017F;ieben älteren, &#x017F;tatt hat. Bezeichnet man<lb/>
al&#x017F;o die&#x017F;es Verhältniß <formula/> in jeder Ellip&#x017F;e durch <hi rendition="#aq">e</hi>, &#x017F;o i&#x017F;t die<lb/>
wahre Anomalie <hi rendition="#aq">v</hi> immer gleich der mittleren <hi rendition="#aq">m</hi> mehr dem dop-<lb/>
pelten Producte der Größe <hi rendition="#aq">e</hi> in den Sinus von <hi rendition="#aq">m</hi>, und der Ra-<lb/>
dius Vector <hi rendition="#aq">r</hi> i&#x017F;t immer gleich der halben großen Axe, weniger<lb/>
dem Producte die&#x017F;er Halbaxe in die Größe <hi rendition="#aq">e</hi> und in den Co&#x017F;inus<lb/>
von <hi rendition="#aq">m</hi>, wobei die&#x017F;e Winkel <hi rendition="#aq">m</hi> und <hi rendition="#aq">v</hi> ohne Unterbrechung von 0°<lb/>
bis 360° gezählt werden. Demnach be&#x017F;teht al&#x017F;o die Bewegung<lb/>
jedes Planeten aus zwei Theilen. Der er&#x017F;te i&#x017F;t gleichförmig, ge-<lb/>
hört gleich&#x017F;am dem Krei&#x017F;e an und i&#x017F;t auch ganz der&#x017F;elbe, den<lb/>
wir &#x017F;chon in dem vorhergehenden Kapitel betrachtet haben. Der<lb/>
andere aber i&#x017F;t ungleichförmig, gehört der Ellip&#x017F;e an, und i&#x017F;t<lb/>
gleich 2 <hi rendition="#aq">e Sin m.</hi> Man nennt die&#x017F;en zweiten Theil die <hi rendition="#g">Gleichung<lb/>
der Bahn</hi>, und &#x017F;ie wird mit ihren Zeichen zur mittleren Länge<lb/>
des Planeten ge&#x017F;etzt, um die <hi rendition="#g">wahre</hi> oder <hi rendition="#g">ellipti&#x017F;che Länge</hi><lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben in der Bahn zu erhalten. Eben &#x017F;o i&#x017F;t die wahre oder<lb/>
ellipti&#x017F;che Di&#x017F;tanz des Planeten von der Sonne, oder &#x017F;ein Radius<lb/>
Vector, aus zwei ähnlichen Theilen zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, davon der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0291] Kepler’s Geſetze. zeiten beider um den Punkt S, oder um die Sonne, einander gleich ſind, die durch ſeine ganze Bahn gleichförmige Geſchwin- digkeit dieſes mittleren Planeten gleich dem Mittel aus allen verſchiedenen Geſchwindigkeiten des wahren Planeten. Es iſt alſo, wie man ſieht, ſehr leicht, den Winkel B' S M des mittleren Planeten für jede gegebene Zeit zu finden, und es handelt ſich nur noch darum, wie man, wenn m gegeben iſt, auch den Winkel B S P und den Radius Vector S P = r des wahren Planeten für dieſelbe Zeit finden ſoll. Man nennt aber den Winkel B' S M oder m die mittlere Anomalie und den Winkel B S P oder v die wahre Anomalie des Planeten. §. 141. (Gleichung der Bahn und elliptiſcher Radius Vector.) Ohne uns hier in eine ſtrenge Auflöſung dieſes Problems ein- zulaſſen, wird es hinreichen, zu zeigen, wie man dieſe Auflöſung bei allen jenen Ellipſen leicht und mit hier hinlänglicher Genauig- keit finden kann, deren Excentricität C S gegen ihre halbe große Axe C B ſehr klein iſt, ein Fall, der in der That bei allen Pla- neten, beſonders bei den ſieben älteren, ſtatt hat. Bezeichnet man alſo dieſes Verhältniß [FORMEL] in jeder Ellipſe durch e, ſo iſt die wahre Anomalie v immer gleich der mittleren m mehr dem dop- pelten Producte der Größe e in den Sinus von m, und der Ra- dius Vector r iſt immer gleich der halben großen Axe, weniger dem Producte dieſer Halbaxe in die Größe e und in den Coſinus von m, wobei dieſe Winkel m und v ohne Unterbrechung von 0° bis 360° gezählt werden. Demnach beſteht alſo die Bewegung jedes Planeten aus zwei Theilen. Der erſte iſt gleichförmig, ge- hört gleichſam dem Kreiſe an und iſt auch ganz derſelbe, den wir ſchon in dem vorhergehenden Kapitel betrachtet haben. Der andere aber iſt ungleichförmig, gehört der Ellipſe an, und iſt gleich 2 e Sin m. Man nennt dieſen zweiten Theil die Gleichung der Bahn, und ſie wird mit ihren Zeichen zur mittleren Länge des Planeten geſetzt, um die wahre oder elliptiſche Länge deſſelben in der Bahn zu erhalten. Eben ſo iſt die wahre oder elliptiſche Diſtanz des Planeten von der Sonne, oder ſein Radius Vector, aus zwei ähnlichen Theilen zuſammengeſetzt, davon der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/291
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/291>, abgerufen am 19.04.2024.