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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Jahreszeiten.
Jahres nach Norden und durch den anderen Theil nach Süden,
daher die Bewohner dieses Erdgürtels zweimal im Jahre ganz
schattenlos und die andere Zeit hindurch zweischattig sind. Für
sie liegen die beiden Pole in dem Horizonte, die Parallelkreise
stehen alle senkrecht über dem Horizonte, daher alle Gestirne eben-
falls im senkrechten Bogen auf und nieder gehen und im Laufe
jedes Tages alle Theile des Himmels sich über dem Horizonte
erheben oder sichtbar sind.

In den beiden gemäßigten Zonen erreicht die Sonne auch im
Mittage nie das Zenith des Beobachters und bleibt von demsel-
ben um so weiter entfernt, je weiter der Beobachter selbst von dem
Aequator absteht, und mit diesem Abstande wächst auch die Un-
gleichheit der Tage und Nächte, bis endlich an den äußersten
Gränzen dieser Zonen unter den Polarkreisen der längste Tag, so
wie die längste Nacht volle 24 Stunden beträgt. In diesen beiden
Zonen sind die vier Jahreszeiten, die in dem heißen Erdgürtel
bloß in einem durch eine periodische Regenzeit unterbrochenen
Sommer bestehen, deutlich unterschieden, aber immer einander ent-
gegengesetzt, so daß die nördliche Zone Frühling oder Sommer
hat, wenn die südliche Herbst oder Winter hat.

Den Bewohnern dieser Zonen ist immer ein Theil des Him-
mels in der Nähe des entgegengesetzten Poles ganz verborgen
oder unsichtbar, und die ihnen noch auf- und untergehenden Ge-
stirne beschreiben alle gegen die Ebene des Horizonts schiefe
Kreise. Der Schatten aller senkrechten Gegenstände endlich fällt
in der nördlichen Zone immer nach Norden und in der südlichen
immer nach Süden.

In den kalten Zonen endlich, geht die Sonne, wenn sie dem
Aequator nahe oder gar auf der der Zone entgegengesetzten Seite
des Aequators steht, nicht mehr auf, und eben so, wenn sie dem
diese Zone begränzenden Wendekreise nahe genug gekommen ist,
nicht mehr unter. Dann sieht man sie so, wie überhaupt alle dort
sichtbare Gestirne in ununterbrochenen Kreisen um sich herumge-
hen, die sich immer weniger gegen den Horizont neigen, bis sie
endlich für den Mittelpunkt dieser Zonen, für den Pol selbst, ganz
mit dem Horizonte parallel werden. An der äußersten Gränze

Jahreszeiten.
Jahres nach Norden und durch den anderen Theil nach Süden,
daher die Bewohner dieſes Erdgürtels zweimal im Jahre ganz
ſchattenlos und die andere Zeit hindurch zweiſchattig ſind. Für
ſie liegen die beiden Pole in dem Horizonte, die Parallelkreiſe
ſtehen alle ſenkrecht über dem Horizonte, daher alle Geſtirne eben-
falls im ſenkrechten Bogen auf und nieder gehen und im Laufe
jedes Tages alle Theile des Himmels ſich über dem Horizonte
erheben oder ſichtbar ſind.

In den beiden gemäßigten Zonen erreicht die Sonne auch im
Mittage nie das Zenith des Beobachters und bleibt von demſel-
ben um ſo weiter entfernt, je weiter der Beobachter ſelbſt von dem
Aequator abſteht, und mit dieſem Abſtande wächst auch die Un-
gleichheit der Tage und Nächte, bis endlich an den äußerſten
Gränzen dieſer Zonen unter den Polarkreiſen der längſte Tag, ſo
wie die längſte Nacht volle 24 Stunden beträgt. In dieſen beiden
Zonen ſind die vier Jahreszeiten, die in dem heißen Erdgürtel
bloß in einem durch eine periodiſche Regenzeit unterbrochenen
Sommer beſtehen, deutlich unterſchieden, aber immer einander ent-
gegengeſetzt, ſo daß die nördliche Zone Frühling oder Sommer
hat, wenn die ſüdliche Herbſt oder Winter hat.

Den Bewohnern dieſer Zonen iſt immer ein Theil des Him-
mels in der Nähe des entgegengeſetzten Poles ganz verborgen
oder unſichtbar, und die ihnen noch auf- und untergehenden Ge-
ſtirne beſchreiben alle gegen die Ebene des Horizonts ſchiefe
Kreiſe. Der Schatten aller ſenkrechten Gegenſtände endlich fällt
in der nördlichen Zone immer nach Norden und in der ſüdlichen
immer nach Süden.

In den kalten Zonen endlich, geht die Sonne, wenn ſie dem
Aequator nahe oder gar auf der der Zone entgegengeſetzten Seite
des Aequators ſteht, nicht mehr auf, und eben ſo, wenn ſie dem
dieſe Zone begränzenden Wendekreiſe nahe genug gekommen iſt,
nicht mehr unter. Dann ſieht man ſie ſo, wie überhaupt alle dort
ſichtbare Geſtirne in ununterbrochenen Kreiſen um ſich herumge-
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mit dem Horizonte parallel werden. An der äußerſten Gränze

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[203/0215] Jahreszeiten. Jahres nach Norden und durch den anderen Theil nach Süden, daher die Bewohner dieſes Erdgürtels zweimal im Jahre ganz ſchattenlos und die andere Zeit hindurch zweiſchattig ſind. Für ſie liegen die beiden Pole in dem Horizonte, die Parallelkreiſe ſtehen alle ſenkrecht über dem Horizonte, daher alle Geſtirne eben- falls im ſenkrechten Bogen auf und nieder gehen und im Laufe jedes Tages alle Theile des Himmels ſich über dem Horizonte erheben oder ſichtbar ſind. In den beiden gemäßigten Zonen erreicht die Sonne auch im Mittage nie das Zenith des Beobachters und bleibt von demſel- ben um ſo weiter entfernt, je weiter der Beobachter ſelbſt von dem Aequator abſteht, und mit dieſem Abſtande wächst auch die Un- gleichheit der Tage und Nächte, bis endlich an den äußerſten Gränzen dieſer Zonen unter den Polarkreiſen der längſte Tag, ſo wie die längſte Nacht volle 24 Stunden beträgt. In dieſen beiden Zonen ſind die vier Jahreszeiten, die in dem heißen Erdgürtel bloß in einem durch eine periodiſche Regenzeit unterbrochenen Sommer beſtehen, deutlich unterſchieden, aber immer einander ent- gegengeſetzt, ſo daß die nördliche Zone Frühling oder Sommer hat, wenn die ſüdliche Herbſt oder Winter hat. Den Bewohnern dieſer Zonen iſt immer ein Theil des Him- mels in der Nähe des entgegengeſetzten Poles ganz verborgen oder unſichtbar, und die ihnen noch auf- und untergehenden Ge- ſtirne beſchreiben alle gegen die Ebene des Horizonts ſchiefe Kreiſe. Der Schatten aller ſenkrechten Gegenſtände endlich fällt in der nördlichen Zone immer nach Norden und in der ſüdlichen immer nach Süden. In den kalten Zonen endlich, geht die Sonne, wenn ſie dem Aequator nahe oder gar auf der der Zone entgegengeſetzten Seite des Aequators ſteht, nicht mehr auf, und eben ſo, wenn ſie dem dieſe Zone begränzenden Wendekreiſe nahe genug gekommen iſt, nicht mehr unter. Dann ſieht man ſie ſo, wie überhaupt alle dort ſichtbare Geſtirne in ununterbrochenen Kreiſen um ſich herumge- hen, die ſich immer weniger gegen den Horizont neigen, bis ſie endlich für den Mittelpunkt dieſer Zonen, für den Pol ſelbſt, ganz mit dem Horizonte parallel werden. An der äußerſten Gränze

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/215>, abgerufen am 29.03.2024.