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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Parallaxen u. Entfernungen d. Gestirne von d. Erde.
ziehen, daß er noch weiter von uns entfernt seyn muß, als diese
Verrückung des Auges, 200.000mal genommen, beträgt.

Nehmen wir z. B. an, der Mittelpunkt unseres Instruments
sey in der Peripherie des Kreises AA' (Fig. 13), und zwar zuerst
in dem Punkte A aufgestellt, und man habe damit den Winkel
VAm des Gegenstandes m mit der fixen Linie AV gemessen. Es
sey nun AA' ein Bogen von 90 Graden und die Linie A'V' mit
AV parallel. Wenn der Halbmesser CA oder CA' des Kreises
fünf Fuß und die Distanz Cm des Gegenstandes eine Million
Fuße oder nahe 44 M. beträgt, so werden wir, wenn wir von A
nach A' gehen, wo der Halbmesser A'C senkrecht auf die erste Ge-
sichtslinie CAm steht, mit unbewaffnetem Auge und ohne Instru-
ment keine, auch nicht die geringsten Aenderung in dem scheinbaren
Durchmesser des Gegenstandes mn bemerken, oder die Winkel
VAm und V'A'm werden uns vollkommen gleich erscheinen. Mit
unserem Instrumente aber werden wir, wenn wir den Mittelpunkt
desselben in B aufstellen, den Unterschied dieser Winkel, da er in
der That eine Secunde beträgt, schon bemerken können.

III. Dieß ist demnach einer von den vielen Fällen, die so oft
in der Astronomie vorkommen, wo uns genaue Messungen, die
wir mit Hilfe eines guten Instruments angestellt haben, in eine
sehr vortheilhafte und von jener ganz verschiedene Lage versetzen,
mit welcher wir uns, ohne den Beistand dieser Instrumente und
bloß unseren Sinnen vertrauend, begnügen müßten. Durch die
Unterstützung dieser Instrumente, durch den vollkommenen Bau
und die genaue Eintheilung der Kreise sowohl, als auch durch die
Vorzüglichkeit der Fernröhre, die beide durch die Künstler unserer
Zeit zu einem so hohen Grade der Vollendung gebracht worden
sind, ist es uns möglich geworden, Gegenstände, von welchen un-
sere Vorfahren keine Ahnung haben konnten, nicht bloß zu sehen,
sondern förmlich zu beobachten, einer genauen Messung zu unter-
werfen, darauf mit Sicherheit weitere Schlüsse zu bauen und auf
diesem Wege die Natur um die so lange vor uns verborgenen
Geheimnisse zu befragen. Aber, so weit wir auch auf dieser Bahn
vorgedrungen sind, und so sehr sich, durch die Vervollkommnung jener
mechanischen Hilfsmittel sowohl, als auch durch die Vollendung
der mathematischen Analyse, dieses wundervollen Instrumentes

Parallaxen u. Entfernungen d. Geſtirne von d. Erde.
ziehen, daß er noch weiter von uns entfernt ſeyn muß, als dieſe
Verrückung des Auges, 200.000mal genommen, beträgt.

Nehmen wir z. B. an, der Mittelpunkt unſeres Inſtruments
ſey in der Peripherie des Kreiſes AA' (Fig. 13), und zwar zuerſt
in dem Punkte A aufgeſtellt, und man habe damit den Winkel
VAm des Gegenſtandes m mit der fixen Linie AV gemeſſen. Es
ſey nun AA' ein Bogen von 90 Graden und die Linie A'V' mit
AV parallel. Wenn der Halbmeſſer CA oder CA' des Kreiſes
fünf Fuß und die Diſtanz Cm des Gegenſtandes eine Million
Fuße oder nahe 44 M. beträgt, ſo werden wir, wenn wir von A
nach A' gehen, wo der Halbmeſſer A'C ſenkrecht auf die erſte Ge-
ſichtslinie CAm ſteht, mit unbewaffnetem Auge und ohne Inſtru-
ment keine, auch nicht die geringſten Aenderung in dem ſcheinbaren
Durchmeſſer des Gegenſtandes mn bemerken, oder die Winkel
VAm und V'A'm werden uns vollkommen gleich erſcheinen. Mit
unſerem Inſtrumente aber werden wir, wenn wir den Mittelpunkt
deſſelben in B aufſtellen, den Unterſchied dieſer Winkel, da er in
der That eine Secunde beträgt, ſchon bemerken können.

III. Dieß iſt demnach einer von den vielen Fällen, die ſo oft
in der Aſtronomie vorkommen, wo uns genaue Meſſungen, die
wir mit Hilfe eines guten Inſtruments angeſtellt haben, in eine
ſehr vortheilhafte und von jener ganz verſchiedene Lage verſetzen,
mit welcher wir uns, ohne den Beiſtand dieſer Inſtrumente und
bloß unſeren Sinnen vertrauend, begnügen müßten. Durch die
Unterſtützung dieſer Inſtrumente, durch den vollkommenen Bau
und die genaue Eintheilung der Kreiſe ſowohl, als auch durch die
Vorzüglichkeit der Fernröhre, die beide durch die Künſtler unſerer
Zeit zu einem ſo hohen Grade der Vollendung gebracht worden
ſind, iſt es uns möglich geworden, Gegenſtände, von welchen un-
ſere Vorfahren keine Ahnung haben konnten, nicht bloß zu ſehen,
ſondern förmlich zu beobachten, einer genauen Meſſung zu unter-
werfen, darauf mit Sicherheit weitere Schlüſſe zu bauen und auf
dieſem Wege die Natur um die ſo lange vor uns verborgenen
Geheimniſſe zu befragen. Aber, ſo weit wir auch auf dieſer Bahn
vorgedrungen ſind, und ſo ſehr ſich, durch die Vervollkommnung jener
mechaniſchen Hilfsmittel ſowohl, als auch durch die Vollendung
der mathematiſchen Analyſe, dieſes wundervollen Inſtrumentes

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[156/0168] Parallaxen u. Entfernungen d. Geſtirne von d. Erde. ziehen, daß er noch weiter von uns entfernt ſeyn muß, als dieſe Verrückung des Auges, 200.000mal genommen, beträgt. Nehmen wir z. B. an, der Mittelpunkt unſeres Inſtruments ſey in der Peripherie des Kreiſes AA' (Fig. 13), und zwar zuerſt in dem Punkte A aufgeſtellt, und man habe damit den Winkel VAm des Gegenſtandes m mit der fixen Linie AV gemeſſen. Es ſey nun AA' ein Bogen von 90 Graden und die Linie A'V' mit AV parallel. Wenn der Halbmeſſer CA oder CA' des Kreiſes fünf Fuß und die Diſtanz Cm des Gegenſtandes eine Million Fuße oder nahe 44 M. beträgt, ſo werden wir, wenn wir von A nach A' gehen, wo der Halbmeſſer A'C ſenkrecht auf die erſte Ge- ſichtslinie CAm ſteht, mit unbewaffnetem Auge und ohne Inſtru- ment keine, auch nicht die geringſten Aenderung in dem ſcheinbaren Durchmeſſer des Gegenſtandes mn bemerken, oder die Winkel VAm und V'A'm werden uns vollkommen gleich erſcheinen. Mit unſerem Inſtrumente aber werden wir, wenn wir den Mittelpunkt deſſelben in B aufſtellen, den Unterſchied dieſer Winkel, da er in der That eine Secunde beträgt, ſchon bemerken können. III. Dieß iſt demnach einer von den vielen Fällen, die ſo oft in der Aſtronomie vorkommen, wo uns genaue Meſſungen, die wir mit Hilfe eines guten Inſtruments angeſtellt haben, in eine ſehr vortheilhafte und von jener ganz verſchiedene Lage verſetzen, mit welcher wir uns, ohne den Beiſtand dieſer Inſtrumente und bloß unſeren Sinnen vertrauend, begnügen müßten. Durch die Unterſtützung dieſer Inſtrumente, durch den vollkommenen Bau und die genaue Eintheilung der Kreiſe ſowohl, als auch durch die Vorzüglichkeit der Fernröhre, die beide durch die Künſtler unſerer Zeit zu einem ſo hohen Grade der Vollendung gebracht worden ſind, iſt es uns möglich geworden, Gegenſtände, von welchen un- ſere Vorfahren keine Ahnung haben konnten, nicht bloß zu ſehen, ſondern förmlich zu beobachten, einer genauen Meſſung zu unter- werfen, darauf mit Sicherheit weitere Schlüſſe zu bauen und auf dieſem Wege die Natur um die ſo lange vor uns verborgenen Geheimniſſe zu befragen. Aber, ſo weit wir auch auf dieſer Bahn vorgedrungen ſind, und ſo ſehr ſich, durch die Vervollkommnung jener mechaniſchen Hilfsmittel ſowohl, als auch durch die Vollendung der mathematiſchen Analyſe, dieſes wundervollen Inſtrumentes

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/168>, abgerufen am 28.03.2024.