Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.Jährliche Bewegung der Sonne. vorgerückt, daß die Mitte dieses Sternbilds, oder der sogenannteJacobsstab, zur Zeit der Mitternacht bereits untergeht. Auf dieselbe Weise wird man bemerken, daß solche Sternbilder, die in einer gewissen Jahreszeit um Mitternacht aufgingen, sechs Monate später um Mitternacht untergehen. Nicht minder bekannt ist der schöne Stern Aldebaran, der größte der Hyaden im Sternbilde des Stiers. Um die Mitte des Mai sieht man ihn noch bald nach Sonnenuntergang auf der Westseite in der Nähe der Sonne, nach welcher er etwa in einer Stunde ebenfalls untergeht. Gegen das Ende dieses Monats sieht man ihn gar nicht mehr, weil die Sonne an dieselbe Stelle des Himmels gekommen ist, die Alde- baran einnimmt. Aber gegen das Ende des Junius erblickt man ihn wieder auf der Ostseite auf einige Augenblicke kurz vor dem Aufgange der Sonne, und nun sieht man ihn mit jedem folgenden Tage immer früher vor der Sonne aufgehen, so daß er also auch immer länger in den letzten Stunden der Nacht sichtbar bleibt, bis er endlich in dem Lichte der aufgehenden Sonne, oder mit dem Anbruche des hellen Tages, verschwindet. Die Alten waren auf diese Verschwindung der Sterne oder auf die Zeit, wo ein Stern mit der Sonne zugleich auf- und untergeht, sehr aufmerk- sam, und sie nannten dieselbe den cosmischen Auf- und Unter- gang, so wie sie die Zeit, wo der Stern kurz vor dem Aufgange der Sonne auf-, und kurz nach dem Untergange derselben unter- geht, den helischen Auf- und Untergang des Sterns hießen. Aus der Wiederkehr dieser Phänomene, also aus dem Ein- und Austritte gewisser Sterne in und aus den Sonnenstrahlen, schloß man, daß die Sonne wieder an derselben Stelle des Himmels sey, daß sie also in der Zwischenzeit ihren ganzen Umlauf um die Erde zurückgelegt habe. Man nennt diese Zeit eines Umlaufs der Sonne bekanntlich das Jahr, und die Alten wurden, eben durch diese Art von Beobachtungen, bald gewahr, daß die Länge oder die Dauer dieses Jahrs nahe 3651/4 Tage betrage. Am deutlichsten bemerkt man dieses Fortrücken der Sonne, Jährliche Bewegung der Sonne. vorgerückt, daß die Mitte dieſes Sternbilds, oder der ſogenannteJacobsſtab, zur Zeit der Mitternacht bereits untergeht. Auf dieſelbe Weiſe wird man bemerken, daß ſolche Sternbilder, die in einer gewiſſen Jahreszeit um Mitternacht aufgingen, ſechs Monate ſpäter um Mitternacht untergehen. Nicht minder bekannt iſt der ſchöne Stern Aldebaran, der größte der Hyaden im Sternbilde des Stiers. Um die Mitte des Mai ſieht man ihn noch bald nach Sonnenuntergang auf der Weſtſeite in der Nähe der Sonne, nach welcher er etwa in einer Stunde ebenfalls untergeht. Gegen das Ende dieſes Monats ſieht man ihn gar nicht mehr, weil die Sonne an dieſelbe Stelle des Himmels gekommen iſt, die Alde- baran einnimmt. Aber gegen das Ende des Junius erblickt man ihn wieder auf der Oſtſeite auf einige Augenblicke kurz vor dem Aufgange der Sonne, und nun ſieht man ihn mit jedem folgenden Tage immer früher vor der Sonne aufgehen, ſo daß er alſo auch immer länger in den letzten Stunden der Nacht ſichtbar bleibt, bis er endlich in dem Lichte der aufgehenden Sonne, oder mit dem Anbruche des hellen Tages, verſchwindet. Die Alten waren auf dieſe Verſchwindung der Sterne oder auf die Zeit, wo ein Stern mit der Sonne zugleich auf- und untergeht, ſehr aufmerk- ſam, und ſie nannten dieſelbe den cosmiſchen Auf- und Unter- gang, ſo wie ſie die Zeit, wo der Stern kurz vor dem Aufgange der Sonne auf-, und kurz nach dem Untergange derſelben unter- geht, den heliſchen Auf- und Untergang des Sterns hießen. Aus der Wiederkehr dieſer Phänomene, alſo aus dem Ein- und Austritte gewiſſer Sterne in und aus den Sonnenſtrahlen, ſchloß man, daß die Sonne wieder an derſelben Stelle des Himmels ſey, daß ſie alſo in der Zwiſchenzeit ihren ganzen Umlauf um die Erde zurückgelegt habe. Man nennt dieſe Zeit eines Umlaufs der Sonne bekanntlich das Jahr, und die Alten wurden, eben durch dieſe Art von Beobachtungen, bald gewahr, daß die Länge oder die Dauer dieſes Jahrs nahe 365¼ Tage betrage. Am deutlichſten bemerkt man dieſes Fortrücken der Sonne, <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0110" n="98"/><fw place="top" type="header">Jährliche Bewegung der Sonne.</fw><lb/> vorgerückt, daß die Mitte dieſes Sternbilds, oder der ſogenannte<lb/> Jacobsſtab, zur Zeit der Mitternacht bereits untergeht. Auf<lb/> dieſelbe Weiſe wird man bemerken, daß ſolche Sternbilder, die in<lb/> einer gewiſſen Jahreszeit um Mitternacht aufgingen, ſechs Monate<lb/> ſpäter um Mitternacht untergehen. Nicht minder bekannt iſt der<lb/> ſchöne Stern <hi rendition="#g">Aldebaran</hi>, der größte der Hyaden im Sternbilde<lb/> des Stiers. Um die Mitte des Mai ſieht man ihn noch bald<lb/> nach Sonnenuntergang auf der Weſtſeite in der Nähe der Sonne,<lb/> nach welcher er etwa in einer Stunde ebenfalls untergeht. Gegen<lb/> das Ende dieſes Monats ſieht man ihn gar nicht mehr, weil die<lb/> Sonne an dieſelbe Stelle des Himmels gekommen iſt, die Alde-<lb/> baran einnimmt. Aber gegen das Ende des Junius erblickt man<lb/> ihn wieder auf der Oſtſeite auf einige Augenblicke kurz vor dem<lb/> Aufgange der Sonne, und nun ſieht man ihn mit jedem folgenden<lb/> Tage immer früher vor der Sonne aufgehen, ſo daß er alſo auch<lb/> immer länger in den letzten Stunden der Nacht ſichtbar bleibt,<lb/> bis er endlich in dem Lichte der aufgehenden Sonne, oder mit<lb/> dem Anbruche des hellen Tages, verſchwindet. Die Alten waren<lb/> auf dieſe Verſchwindung der Sterne oder auf die Zeit, wo ein<lb/> Stern mit der Sonne zugleich auf- und untergeht, ſehr aufmerk-<lb/> ſam, und ſie nannten dieſelbe den <hi rendition="#g">cosmiſchen</hi> Auf- und Unter-<lb/> gang, ſo wie ſie die Zeit, wo der Stern kurz vor dem Aufgange<lb/> der Sonne auf-, und kurz nach dem Untergange derſelben unter-<lb/> geht, den <hi rendition="#g">heliſchen</hi> Auf- und Untergang des Sterns hießen.<lb/> Aus der Wiederkehr dieſer Phänomene, alſo aus dem Ein- und<lb/> Austritte gewiſſer Sterne in und aus den Sonnenſtrahlen, ſchloß<lb/> man, daß die Sonne wieder an derſelben Stelle des Himmels<lb/> ſey, daß ſie alſo in der Zwiſchenzeit ihren ganzen Umlauf um die<lb/> Erde zurückgelegt habe. Man nennt dieſe Zeit eines Umlaufs der<lb/> Sonne bekanntlich <hi rendition="#g">das Jahr</hi>, und die Alten wurden, eben durch<lb/> dieſe Art von Beobachtungen, bald gewahr, daß die Länge oder<lb/> die Dauer dieſes Jahrs nahe 365¼ Tage betrage.</p><lb/> <p>Am deutlichſten bemerkt man dieſes Fortrücken der Sonne,<lb/> wenn man auf diejenigen Sterne merkt, die zu verſchiedenen Jah-<lb/> reszeiten um Mitternacht (§. 26) am höchſten in Süden ſtehen, alſo<lb/> eben durch den Meridian (§. 14) des Beobachters gehen. Im An-<lb/> fange des Frühlings ſehen wir um Mitternacht am ſüdlichen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0110]
Jährliche Bewegung der Sonne.
vorgerückt, daß die Mitte dieſes Sternbilds, oder der ſogenannte
Jacobsſtab, zur Zeit der Mitternacht bereits untergeht. Auf
dieſelbe Weiſe wird man bemerken, daß ſolche Sternbilder, die in
einer gewiſſen Jahreszeit um Mitternacht aufgingen, ſechs Monate
ſpäter um Mitternacht untergehen. Nicht minder bekannt iſt der
ſchöne Stern Aldebaran, der größte der Hyaden im Sternbilde
des Stiers. Um die Mitte des Mai ſieht man ihn noch bald
nach Sonnenuntergang auf der Weſtſeite in der Nähe der Sonne,
nach welcher er etwa in einer Stunde ebenfalls untergeht. Gegen
das Ende dieſes Monats ſieht man ihn gar nicht mehr, weil die
Sonne an dieſelbe Stelle des Himmels gekommen iſt, die Alde-
baran einnimmt. Aber gegen das Ende des Junius erblickt man
ihn wieder auf der Oſtſeite auf einige Augenblicke kurz vor dem
Aufgange der Sonne, und nun ſieht man ihn mit jedem folgenden
Tage immer früher vor der Sonne aufgehen, ſo daß er alſo auch
immer länger in den letzten Stunden der Nacht ſichtbar bleibt,
bis er endlich in dem Lichte der aufgehenden Sonne, oder mit
dem Anbruche des hellen Tages, verſchwindet. Die Alten waren
auf dieſe Verſchwindung der Sterne oder auf die Zeit, wo ein
Stern mit der Sonne zugleich auf- und untergeht, ſehr aufmerk-
ſam, und ſie nannten dieſelbe den cosmiſchen Auf- und Unter-
gang, ſo wie ſie die Zeit, wo der Stern kurz vor dem Aufgange
der Sonne auf-, und kurz nach dem Untergange derſelben unter-
geht, den heliſchen Auf- und Untergang des Sterns hießen.
Aus der Wiederkehr dieſer Phänomene, alſo aus dem Ein- und
Austritte gewiſſer Sterne in und aus den Sonnenſtrahlen, ſchloß
man, daß die Sonne wieder an derſelben Stelle des Himmels
ſey, daß ſie alſo in der Zwiſchenzeit ihren ganzen Umlauf um die
Erde zurückgelegt habe. Man nennt dieſe Zeit eines Umlaufs der
Sonne bekanntlich das Jahr, und die Alten wurden, eben durch
dieſe Art von Beobachtungen, bald gewahr, daß die Länge oder
die Dauer dieſes Jahrs nahe 365¼ Tage betrage.
Am deutlichſten bemerkt man dieſes Fortrücken der Sonne,
wenn man auf diejenigen Sterne merkt, die zu verſchiedenen Jah-
reszeiten um Mitternacht (§. 26) am höchſten in Süden ſtehen, alſo
eben durch den Meridian (§. 14) des Beobachters gehen. Im An-
fange des Frühlings ſehen wir um Mitternacht am ſüdlichen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |