Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Tägliche Bewegung der Erde.
mung des Fallranmes der schweren Körper in der ersten Secunde
ihrer Bewegung. Am Aequator erhalten nämlich die Körper am
Ende der ersten Secunde ihres Falles eine Geschwindigkeit, mit
welcher sie, wenn sie dieselbe auch ferner beibehielten, in jeder
folgenden Secunde den Raum von 30,10276 P. Fuß zurücklegen
würden. Für jede andere Breite aber erhält man die ihr ent-
sprechende Geschwindigkeit, wenn man zu der vorhergehenden
Größe die Zahl 0,16354, ebenfalls durch das Quadrat des Sinus
dieser Breite multiplicirt, hinzu addirt.

Wir könnten uns mit diesem schönen Beweise für die Rota-
tion unserer Erde allerdings begnügen, da er der Art ist, daß er
bei Keinem, der seinen Werth zu erkennen weiß, irgend einem Zweifel
über ihn oder über die Sache selbst weiter Raum geben könnte.
Da aber der Gegenstand für uns ebenso intressant als wichtig
ist, so wird es erlaubt seyn, ihn noch kurz von einer andern Seite
zu betrachten.

§. 35. (Beständige Ostwinde). Unsere Seeleute wissen sehr
wohl, daß in der Entfernung von etwa zwanzig Graden vom
Aequator nordwärts ein beftändiger Nordostwind, und ebensoweit
vom Aequator auf der südlichen Seite ein Südostwind beinahe
durch das ganze Jahr weht, während nahe am Aequator selbst
diese Winde nicht bemerkt werden. Man nennt sie die tro-
pischen Winde (vents alises oder trade-winds), und benützt sie
gewöhnlich zur Ueberfahrt von Europa nach Amerika, indem man
zuerst in gerader Richtung gegen Süden segelt, und sodann, wenn
man in den Bereich dieser beständigen Ostwinde gekommen
ist, sich von ihnen nach West führen läßt. -- Die Entstehung
dieser Winde hängt unmittelbar von der Rotation der Erde ab.
Diejenige Zone der Erde nämlich, die sich bis auf 23 Grade zu
beiden Seiten des Aequators erstreckt, ist, wie wir bald sehen
werden, diejenige, deren Bewohner die Sonne noch in ihrem Zenithe
sehen können, und wo es folglich am wärmsten ist, daher sie auch
die heiße Zone genannt wird. In diesen Gegenden der Erde
wird die sie umgebende Luft durch die größere Temperatur ver-
dünnt, und daher leichter gemacht. Diese leichtere Luft erhebt
sich über die benachbarte nördliche und südliche, kältere also auch
dichtere Luft, und wenn sie eine gewisse Höhe erreicht hat, so fließt

Tägliche Bewegung der Erde.
mung des Fallranmes der ſchweren Körper in der erſten Secunde
ihrer Bewegung. Am Aequator erhalten nämlich die Körper am
Ende der erſten Secunde ihres Falles eine Geſchwindigkeit, mit
welcher ſie, wenn ſie dieſelbe auch ferner beibehielten, in jeder
folgenden Secunde den Raum von 30,10276 P. Fuß zurücklegen
würden. Für jede andere Breite aber erhält man die ihr ent-
ſprechende Geſchwindigkeit, wenn man zu der vorhergehenden
Größe die Zahl 0,16354, ebenfalls durch das Quadrat des Sinus
dieſer Breite multiplicirt, hinzu addirt.

Wir könnten uns mit dieſem ſchönen Beweiſe für die Rota-
tion unſerer Erde allerdings begnügen, da er der Art iſt, daß er
bei Keinem, der ſeinen Werth zu erkennen weiß, irgend einem Zweifel
über ihn oder über die Sache ſelbſt weiter Raum geben könnte.
Da aber der Gegenſtand für uns ebenſo intreſſant als wichtig
iſt, ſo wird es erlaubt ſeyn, ihn noch kurz von einer andern Seite
zu betrachten.

§. 35. (Beſtändige Oſtwinde). Unſere Seeleute wiſſen ſehr
wohl, daß in der Entfernung von etwa zwanzig Graden vom
Aequator nordwärts ein beftändiger Nordoſtwind, und ebenſoweit
vom Aequator auf der ſüdlichen Seite ein Südoſtwind beinahe
durch das ganze Jahr weht, während nahe am Aequator ſelbſt
dieſe Winde nicht bemerkt werden. Man nennt ſie die tro-
piſchen Winde (vents alisés oder trade-winds), und benützt ſie
gewöhnlich zur Ueberfahrt von Europa nach Amerika, indem man
zuerſt in gerader Richtung gegen Süden ſegelt, und ſodann, wenn
man in den Bereich dieſer beſtändigen Oſtwinde gekommen
iſt, ſich von ihnen nach Weſt führen läßt. — Die Entſtehung
dieſer Winde hängt unmittelbar von der Rotation der Erde ab.
Diejenige Zone der Erde nämlich, die ſich bis auf 23 Grade zu
beiden Seiten des Aequators erſtreckt, iſt, wie wir bald ſehen
werden, diejenige, deren Bewohner die Sonne noch in ihrem Zenithe
ſehen können, und wo es folglich am wärmſten iſt, daher ſie auch
die heiße Zone genannt wird. In dieſen Gegenden der Erde
wird die ſie umgebende Luft durch die größere Temperatur ver-
dünnt, und daher leichter gemacht. Dieſe leichtere Luft erhebt
ſich über die benachbarte nördliche und ſüdliche, kältere alſo auch
dichtere Luft, und wenn ſie eine gewiſſe Höhe erreicht hat, ſo fließt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0100" n="88"/><fw place="top" type="header">Tägliche Bewegung der Erde.</fw><lb/>
mung des Fallranmes der &#x017F;chweren Körper in der er&#x017F;ten Secunde<lb/>
ihrer Bewegung. Am Aequator erhalten nämlich die Körper am<lb/>
Ende der er&#x017F;ten Secunde ihres Falles eine Ge&#x017F;chwindigkeit, mit<lb/>
welcher &#x017F;ie, wenn &#x017F;ie die&#x017F;elbe auch ferner beibehielten, in jeder<lb/>
folgenden Secunde den Raum von 30,<hi rendition="#sub">10276</hi> P. Fuß zurücklegen<lb/>
würden. Für jede andere Breite aber erhält man die ihr ent-<lb/>
&#x017F;prechende Ge&#x017F;chwindigkeit, wenn man zu der vorhergehenden<lb/>
Größe die Zahl 0,<hi rendition="#sub">16354</hi>, ebenfalls durch das Quadrat des Sinus<lb/>
die&#x017F;er Breite multiplicirt, hinzu addirt.</p><lb/>
          <p>Wir könnten uns mit die&#x017F;em &#x017F;chönen Bewei&#x017F;e für die Rota-<lb/>
tion un&#x017F;erer Erde allerdings begnügen, da er der Art i&#x017F;t, daß er<lb/>
bei Keinem, der &#x017F;einen Werth zu erkennen weiß, irgend einem Zweifel<lb/>
über ihn oder über die Sache &#x017F;elb&#x017F;t weiter Raum geben könnte.<lb/>
Da aber der Gegen&#x017F;tand für uns eben&#x017F;o intre&#x017F;&#x017F;ant als wichtig<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;o wird es erlaubt &#x017F;eyn, ihn noch kurz von einer andern Seite<lb/>
zu betrachten.</p><lb/>
          <p>§. 35. (Be&#x017F;tändige O&#x017F;twinde). Un&#x017F;ere Seeleute wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ehr<lb/>
wohl, daß in der Entfernung von etwa zwanzig Graden vom<lb/>
Aequator nordwärts ein beftändiger Nordo&#x017F;twind, und eben&#x017F;oweit<lb/>
vom Aequator auf der &#x017F;üdlichen Seite ein Südo&#x017F;twind beinahe<lb/>
durch das ganze Jahr weht, während nahe am Aequator &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;e Winde nicht bemerkt werden. Man nennt &#x017F;ie die tro-<lb/>
pi&#x017F;chen Winde (<hi rendition="#aq">vents alisés</hi> oder <hi rendition="#aq">trade-winds</hi>), und benützt &#x017F;ie<lb/>
gewöhnlich zur Ueberfahrt von Europa nach Amerika, indem man<lb/>
zuer&#x017F;t in gerader Richtung gegen Süden &#x017F;egelt, und &#x017F;odann, wenn<lb/>
man in den Bereich die&#x017F;er <hi rendition="#g">be&#x017F;tändigen O&#x017F;twinde</hi> gekommen<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;ich von ihnen nach We&#x017F;t führen läßt. &#x2014; Die Ent&#x017F;tehung<lb/>
die&#x017F;er Winde hängt unmittelbar von der Rotation der Erde ab.<lb/>
Diejenige Zone der Erde nämlich, die &#x017F;ich bis auf 23 Grade zu<lb/>
beiden Seiten des Aequators er&#x017F;treckt, i&#x017F;t, wie wir bald &#x017F;ehen<lb/>
werden, diejenige, deren Bewohner die Sonne noch in ihrem Zenithe<lb/>
&#x017F;ehen können, und wo es folglich am wärm&#x017F;ten i&#x017F;t, daher &#x017F;ie auch<lb/>
die <hi rendition="#g">heiße Zone</hi> genannt wird. In die&#x017F;en Gegenden der Erde<lb/>
wird die &#x017F;ie umgebende Luft durch die größere Temperatur ver-<lb/>
dünnt, und daher leichter gemacht. Die&#x017F;e leichtere Luft erhebt<lb/>
&#x017F;ich über die benachbarte nördliche und &#x017F;üdliche, kältere al&#x017F;o auch<lb/>
dichtere Luft, und wenn &#x017F;ie eine gewi&#x017F;&#x017F;e Höhe erreicht hat, &#x017F;o fließt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0100] Tägliche Bewegung der Erde. mung des Fallranmes der ſchweren Körper in der erſten Secunde ihrer Bewegung. Am Aequator erhalten nämlich die Körper am Ende der erſten Secunde ihres Falles eine Geſchwindigkeit, mit welcher ſie, wenn ſie dieſelbe auch ferner beibehielten, in jeder folgenden Secunde den Raum von 30,10276 P. Fuß zurücklegen würden. Für jede andere Breite aber erhält man die ihr ent- ſprechende Geſchwindigkeit, wenn man zu der vorhergehenden Größe die Zahl 0,16354, ebenfalls durch das Quadrat des Sinus dieſer Breite multiplicirt, hinzu addirt. Wir könnten uns mit dieſem ſchönen Beweiſe für die Rota- tion unſerer Erde allerdings begnügen, da er der Art iſt, daß er bei Keinem, der ſeinen Werth zu erkennen weiß, irgend einem Zweifel über ihn oder über die Sache ſelbſt weiter Raum geben könnte. Da aber der Gegenſtand für uns ebenſo intreſſant als wichtig iſt, ſo wird es erlaubt ſeyn, ihn noch kurz von einer andern Seite zu betrachten. §. 35. (Beſtändige Oſtwinde). Unſere Seeleute wiſſen ſehr wohl, daß in der Entfernung von etwa zwanzig Graden vom Aequator nordwärts ein beftändiger Nordoſtwind, und ebenſoweit vom Aequator auf der ſüdlichen Seite ein Südoſtwind beinahe durch das ganze Jahr weht, während nahe am Aequator ſelbſt dieſe Winde nicht bemerkt werden. Man nennt ſie die tro- piſchen Winde (vents alisés oder trade-winds), und benützt ſie gewöhnlich zur Ueberfahrt von Europa nach Amerika, indem man zuerſt in gerader Richtung gegen Süden ſegelt, und ſodann, wenn man in den Bereich dieſer beſtändigen Oſtwinde gekommen iſt, ſich von ihnen nach Weſt führen läßt. — Die Entſtehung dieſer Winde hängt unmittelbar von der Rotation der Erde ab. Diejenige Zone der Erde nämlich, die ſich bis auf 23 Grade zu beiden Seiten des Aequators erſtreckt, iſt, wie wir bald ſehen werden, diejenige, deren Bewohner die Sonne noch in ihrem Zenithe ſehen können, und wo es folglich am wärmſten iſt, daher ſie auch die heiße Zone genannt wird. In dieſen Gegenden der Erde wird die ſie umgebende Luft durch die größere Temperatur ver- dünnt, und daher leichter gemacht. Dieſe leichtere Luft erhebt ſich über die benachbarte nördliche und ſüdliche, kältere alſo auch dichtere Luft, und wenn ſie eine gewiſſe Höhe erreicht hat, ſo fließt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/100
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/100>, abgerufen am 02.05.2024.