I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.
Vgl. Artikel 3 Abs. 6 der deutschen Reichsverfassung: "Dem Auslande gegenüber haben alle Deutschen gleichmässig Anspruch auf den Schutz des Reichs." Diese, durch die Vertreter des Staates ausgeübte Schutzgewalt (jus protectionis) kann sogar zu einer Ein- mischung in die innern Angelegenheiten eines andern Staates führen (oben § 7 II).
Doch tritt die Berechtigung des diplomatischen Schutzes erst dann ein, wenn die Anrufung der Gerichte oder anderer Behörden des Aufenthaltstaates vergeblich gewesen ist. Also nur bei Rechts- verweigerung oder Rechtsbeugung, sowie bei Verschleppung der Ge- rechtigkeit. Das wird in den Verträgen vielfach ausdrücklich aus- gesprochen. Vgl. Artikel 20 Abs. 2 des deutschen Freundschafts- u. s. w. Vertrages mit Kolumbien vom 23. Juli 1892 (R. G. Bl. 1894 S. 471): "Auch sind sie (die vertragschliessenden Teile), geleitet von dem Wunsche, jeden Anlass zur Trübung ihrer freundschaftlichen Be- ziehungen zu vermeiden, dahin übereingekommen, dass ihre diplo- matischen Vertreter aus Anlass der Rechtsansprüche oder Beschwerden von Privatpersonen nicht in Angelegenheiten eingreifen sollen, welche dem Bereiche der bürgerlichen oder Strafrechtspflege oder Entscheidung im Verwaltungswege angehören, es sei denn, dass es sich um Rechtsverweigerung, um ungewöhnliche oder ungesetzliche Rechtsverzögerung oder um Nichtvollstreckung eines rechtskräftigen Urteils handelt, oder endlich, dass nach Erschöpfung der gesetzlichen Rechtsmittel eine klare Verletzung der zwischen den beiden ver- tragschliessenden Teilen bestehenden Verträge oder der von den ge- sitteten Nationen allgemein anerkannten Bestimmungen des Völker- rechts oder des internationalen Privatrechts vorliegen sollte."
Besondere praktische Bedeutung hat der Schutz der Staats- angehörigen bei Verletzung der Gläubigerrechte durch den schuld- nerischen ausländischen Staat.
Meili, Der Staatsbankerott und die moderne Rechtwissenschaft. 1895.
Politis, Les emprunts d'Etat en droit international. 1894.
Lewandowski, De la protection des capitaux empruntes en France par les Etats etrangers ou par les societes. 1896.
Kebedgy, R. G. I 261; R. G. II 293.
I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.
Vgl. Artikel 3 Abs. 6 der deutschen Reichsverfassung: „Dem Auslande gegenüber haben alle Deutschen gleichmäſsig Anspruch auf den Schutz des Reichs.“ Diese, durch die Vertreter des Staates ausgeübte Schutzgewalt (jus protectionis) kann sogar zu einer Ein- mischung in die innern Angelegenheiten eines andern Staates führen (oben § 7 II).
Doch tritt die Berechtigung des diplomatischen Schutzes erst dann ein, wenn die Anrufung der Gerichte oder anderer Behörden des Aufenthaltstaates vergeblich gewesen ist. Also nur bei Rechts- verweigerung oder Rechtsbeugung, sowie bei Verschleppung der Ge- rechtigkeit. Das wird in den Verträgen vielfach ausdrücklich aus- gesprochen. Vgl. Artikel 20 Abs. 2 des deutschen Freundschafts- u. s. w. Vertrages mit Kolumbien vom 23. Juli 1892 (R. G. Bl. 1894 S. 471): „Auch sind sie (die vertragschlieſsenden Teile), geleitet von dem Wunsche, jeden Anlaſs zur Trübung ihrer freundschaftlichen Be- ziehungen zu vermeiden, dahin übereingekommen, daſs ihre diplo- matischen Vertreter aus Anlaſs der Rechtsansprüche oder Beschwerden von Privatpersonen nicht in Angelegenheiten eingreifen sollen, welche dem Bereiche der bürgerlichen oder Strafrechtspflege oder Entscheidung im Verwaltungswege angehören, es sei denn, daſs es sich um Rechtsverweigerung, um ungewöhnliche oder ungesetzliche Rechtsverzögerung oder um Nichtvollstreckung eines rechtskräftigen Urteils handelt, oder endlich, daſs nach Erschöpfung der gesetzlichen Rechtsmittel eine klare Verletzung der zwischen den beiden ver- tragschlieſsenden Teilen bestehenden Verträge oder der von den ge- sitteten Nationen allgemein anerkannten Bestimmungen des Völker- rechts oder des internationalen Privatrechts vorliegen sollte.“
Besondere praktische Bedeutung hat der Schutz der Staats- angehörigen bei Verletzung der Gläubigerrechte durch den schuld- nerischen ausländischen Staat.
Meili, Der Staatsbankerott und die moderne Rechtwissenschaft. 1895.
Politis, Les emprunts d’Etat en droit international. 1894.
Lewandowski, De la protection des capitaux empruntés en France par les Etats étrangers ou par les sociétés. 1896.
Kebedgy, R. G. I 261; R. G. II 293.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0086"n="64"/><fwplace="top"type="header">I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.</fw><lb/><p>Vgl. Artikel 3 Abs. 6 der deutschen Reichsverfassung: „Dem<lb/>
Auslande gegenüber haben alle Deutschen gleichmäſsig Anspruch auf<lb/>
den Schutz des Reichs.“ Diese, durch die Vertreter des Staates<lb/>
ausgeübte Schutzgewalt (jus protectionis) kann sogar zu einer Ein-<lb/>
mischung in die innern Angelegenheiten eines andern Staates führen<lb/>
(oben § 7 II).</p><lb/><p>Doch tritt die Berechtigung des diplomatischen Schutzes erst<lb/>
dann ein, wenn die Anrufung der Gerichte oder anderer Behörden<lb/>
des Aufenthaltstaates vergeblich gewesen ist. Also nur bei Rechts-<lb/>
verweigerung oder Rechtsbeugung, sowie bei Verschleppung der Ge-<lb/>
rechtigkeit. Das wird in den Verträgen vielfach ausdrücklich aus-<lb/>
gesprochen. Vgl. Artikel 20 Abs. 2 des deutschen Freundschafts- u. s. w.<lb/>
Vertrages mit Kolumbien vom 23. Juli 1892 (R. G. Bl. 1894 S. 471):<lb/>„Auch sind sie (die vertragschlieſsenden Teile), geleitet von dem<lb/>
Wunsche, jeden Anlaſs zur Trübung ihrer freundschaftlichen Be-<lb/>
ziehungen zu vermeiden, dahin übereingekommen, daſs ihre diplo-<lb/>
matischen Vertreter aus Anlaſs der Rechtsansprüche oder Beschwerden<lb/>
von Privatpersonen nicht in Angelegenheiten eingreifen sollen,<lb/>
welche dem Bereiche der bürgerlichen oder Strafrechtspflege oder<lb/>
Entscheidung im Verwaltungswege angehören, es sei denn, daſs es<lb/>
sich um Rechtsverweigerung, um ungewöhnliche oder ungesetzliche<lb/>
Rechtsverzögerung oder um Nichtvollstreckung eines rechtskräftigen<lb/>
Urteils handelt, oder endlich, daſs nach Erschöpfung der gesetzlichen<lb/>
Rechtsmittel eine klare Verletzung der zwischen den beiden ver-<lb/>
tragschlieſsenden Teilen bestehenden Verträge oder der von den ge-<lb/>
sitteten Nationen allgemein anerkannten Bestimmungen des Völker-<lb/>
rechts oder des internationalen Privatrechts vorliegen sollte.“</p><lb/><p>Besondere praktische Bedeutung hat der Schutz der Staats-<lb/>
angehörigen bei Verletzung der Gläubigerrechte durch den schuld-<lb/>
nerischen ausländischen Staat.</p><lb/><p><hirendition="#et"><hirendition="#g">Meili</hi>, Der Staatsbankerott und die moderne Rechtwissenschaft. 1895.</hi></p><lb/><p><hirendition="#et"><hirendition="#g">Politis</hi>, Les emprunts d’Etat en droit international. 1894.</hi></p><lb/><p><hirendition="#et"><hirendition="#g">Lewandowski</hi>, De la protection des capitaux empruntés en France par<lb/>
les Etats étrangers ou par les sociétés. 1896.</hi></p><lb/><p><hirendition="#et"><hirendition="#g">Kebedgy</hi>, R. G. I 261; R. G. II 293.</hi></p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[64/0086]
I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.
Vgl. Artikel 3 Abs. 6 der deutschen Reichsverfassung: „Dem
Auslande gegenüber haben alle Deutschen gleichmäſsig Anspruch auf
den Schutz des Reichs.“ Diese, durch die Vertreter des Staates
ausgeübte Schutzgewalt (jus protectionis) kann sogar zu einer Ein-
mischung in die innern Angelegenheiten eines andern Staates führen
(oben § 7 II).
Doch tritt die Berechtigung des diplomatischen Schutzes erst
dann ein, wenn die Anrufung der Gerichte oder anderer Behörden
des Aufenthaltstaates vergeblich gewesen ist. Also nur bei Rechts-
verweigerung oder Rechtsbeugung, sowie bei Verschleppung der Ge-
rechtigkeit. Das wird in den Verträgen vielfach ausdrücklich aus-
gesprochen. Vgl. Artikel 20 Abs. 2 des deutschen Freundschafts- u. s. w.
Vertrages mit Kolumbien vom 23. Juli 1892 (R. G. Bl. 1894 S. 471):
„Auch sind sie (die vertragschlieſsenden Teile), geleitet von dem
Wunsche, jeden Anlaſs zur Trübung ihrer freundschaftlichen Be-
ziehungen zu vermeiden, dahin übereingekommen, daſs ihre diplo-
matischen Vertreter aus Anlaſs der Rechtsansprüche oder Beschwerden
von Privatpersonen nicht in Angelegenheiten eingreifen sollen,
welche dem Bereiche der bürgerlichen oder Strafrechtspflege oder
Entscheidung im Verwaltungswege angehören, es sei denn, daſs es
sich um Rechtsverweigerung, um ungewöhnliche oder ungesetzliche
Rechtsverzögerung oder um Nichtvollstreckung eines rechtskräftigen
Urteils handelt, oder endlich, daſs nach Erschöpfung der gesetzlichen
Rechtsmittel eine klare Verletzung der zwischen den beiden ver-
tragschlieſsenden Teilen bestehenden Verträge oder der von den ge-
sitteten Nationen allgemein anerkannten Bestimmungen des Völker-
rechts oder des internationalen Privatrechts vorliegen sollte.“
Besondere praktische Bedeutung hat der Schutz der Staats-
angehörigen bei Verletzung der Gläubigerrechte durch den schuld-
nerischen ausländischen Staat.
Meili, Der Staatsbankerott und die moderne Rechtwissenschaft. 1895.
Politis, Les emprunts d’Etat en droit international. 1894.
Lewandowski, De la protection des capitaux empruntés en France par
les Etats étrangers ou par les sociétés. 1896.
Kebedgy, R. G. I 261; R. G. II 293.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/86>, abgerufen am 19.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.