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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 5. Die Staaten als Rechtssubjekte des Völkerrechts.
verbindende Staatsgrundgesetz dem einzelnen Staate eine gewisse
völkerrechtliche Handlungsfähigkeit eingeräumt sein. So bilden
Schweden und Norwegen seit dem 6. August 1815 eine Realunion.
Aber beide Staaten haben, jeder für sich allein, Verträge geschlossen,
so Auslieferungs- und Handelsverträge, und wiederholt erscheinen
die beiden Staaten nebeneinander als Unterzeichner von Kollektiv-
verträgen. Daher ist denn auch in der Litteratur die juristische
Konstruktion des Verhältnisses dieser beiden Staaten zu einander
sehr bestritten.

III.

Ein Staat ist entstanden, sobald alle drei Merkmale des
Staatsbegriffes gegeben sind; er ist untergegangen, sobald eines von
ihnen hinwegfällt.

Entstehung und Untergang des Staates kann erfolgen (unten § 20):

1. Durch natürliche Thatsachen oder diesen gleichstehende
Handlungen. Der Staat kann entstehen durch Besiedlung eines bis-
her unbewohnten Gebietes. So wurde die Neger-Republik Liberia,
1821 durch Besiedlung mit freigelassenen Negern gegründet, 1847
als unabhängiger Staat anerkannt; unter ähnlichen Umständen 1860
das benachbarte Maryland; Transvaal ist 1837 durch holländische
Buren besiedelt worden. Er kann untergehen durch Auswande-
rung oder Vernichtung sämtlicher Staatsangehörigen, durch den
Untergang des Staatsgebietes (infolge eines Erdbebens, einer Sturm-
flut u. s. w.).

2. Durch Rechtsgeschäft, insbesondere durch die Vereinbarung
der beteiligten Staaten oder dritter Mächte. So haben sich durch
Vertrag vom 20. Juni 1895 die bisher selbständigen Staaten Hon-
duras, Salvador und Nicaragua zur "Republica mayor von Central-
Amerika" zusammengeschlossen; so ist der Einheitstaat Österreich
durch den Ausgleich von 1867 zum Doppelreich Österreich-Ungarn
geworden.

3. Durch Waffengewalt insbesondere. So ist durch den griechi-
schen Freiheitskrieg von 1821--1829 (ganz abgesehen von den
Beschlüssen der Londoner Konferenz von 1830/31) Griechenland
zum selbständigen Staat geworden. Durch Eroberung wurden 1866

§ 5. Die Staaten als Rechtssubjekte des Völkerrechts.
verbindende Staatsgrundgesetz dem einzelnen Staate eine gewisse
völkerrechtliche Handlungsfähigkeit eingeräumt sein. So bilden
Schweden und Norwegen seit dem 6. August 1815 eine Realunion.
Aber beide Staaten haben, jeder für sich allein, Verträge geschlossen,
so Auslieferungs- und Handelsverträge, und wiederholt erscheinen
die beiden Staaten nebeneinander als Unterzeichner von Kollektiv-
verträgen. Daher ist denn auch in der Litteratur die juristische
Konstruktion des Verhältnisses dieser beiden Staaten zu einander
sehr bestritten.

III.

Ein Staat ist entstanden, sobald alle drei Merkmale des
Staatsbegriffes gegeben sind; er ist untergegangen, sobald eines von
ihnen hinwegfällt.

Entstehung und Untergang des Staates kann erfolgen (unten § 20):

1. Durch natürliche Thatsachen oder diesen gleichstehende
Handlungen. Der Staat kann entstehen durch Besiedlung eines bis-
her unbewohnten Gebietes. So wurde die Neger-Republik Liberia,
1821 durch Besiedlung mit freigelassenen Negern gegründet, 1847
als unabhängiger Staat anerkannt; unter ähnlichen Umständen 1860
das benachbarte Maryland; Transvaal ist 1837 durch holländische
Buren besiedelt worden. Er kann untergehen durch Auswande-
rung oder Vernichtung sämtlicher Staatsangehörigen, durch den
Untergang des Staatsgebietes (infolge eines Erdbebens, einer Sturm-
flut u. s. w.).

2. Durch Rechtsgeschäft, insbesondere durch die Vereinbarung
der beteiligten Staaten oder dritter Mächte. So haben sich durch
Vertrag vom 20. Juni 1895 die bisher selbständigen Staaten Hon-
duras, Salvador und Nicaragua zur „Republica mayor von Central-
Amerika“ zusammengeschlossen; so ist der Einheitstaat Österreich
durch den Ausgleich von 1867 zum Doppelreich Österreich-Ungarn
geworden.

3. Durch Waffengewalt insbesondere. So ist durch den griechi-
schen Freiheitskrieg von 1821—1829 (ganz abgesehen von den
Beschlüssen der Londoner Konferenz von 1830/31) Griechenland
zum selbständigen Staat geworden. Durch Eroberung wurden 1866

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[25/0047] § 5. Die Staaten als Rechtssubjekte des Völkerrechts. verbindende Staatsgrundgesetz dem einzelnen Staate eine gewisse völkerrechtliche Handlungsfähigkeit eingeräumt sein. So bilden Schweden und Norwegen seit dem 6. August 1815 eine Realunion. Aber beide Staaten haben, jeder für sich allein, Verträge geschlossen, so Auslieferungs- und Handelsverträge, und wiederholt erscheinen die beiden Staaten nebeneinander als Unterzeichner von Kollektiv- verträgen. Daher ist denn auch in der Litteratur die juristische Konstruktion des Verhältnisses dieser beiden Staaten zu einander sehr bestritten. III. Ein Staat ist entstanden, sobald alle drei Merkmale des Staatsbegriffes gegeben sind; er ist untergegangen, sobald eines von ihnen hinwegfällt. Entstehung und Untergang des Staates kann erfolgen (unten § 20): 1. Durch natürliche Thatsachen oder diesen gleichstehende Handlungen. Der Staat kann entstehen durch Besiedlung eines bis- her unbewohnten Gebietes. So wurde die Neger-Republik Liberia, 1821 durch Besiedlung mit freigelassenen Negern gegründet, 1847 als unabhängiger Staat anerkannt; unter ähnlichen Umständen 1860 das benachbarte Maryland; Transvaal ist 1837 durch holländische Buren besiedelt worden. Er kann untergehen durch Auswande- rung oder Vernichtung sämtlicher Staatsangehörigen, durch den Untergang des Staatsgebietes (infolge eines Erdbebens, einer Sturm- flut u. s. w.). 2. Durch Rechtsgeschäft, insbesondere durch die Vereinbarung der beteiligten Staaten oder dritter Mächte. So haben sich durch Vertrag vom 20. Juni 1895 die bisher selbständigen Staaten Hon- duras, Salvador und Nicaragua zur „Republica mayor von Central- Amerika“ zusammengeschlossen; so ist der Einheitstaat Österreich durch den Ausgleich von 1867 zum Doppelreich Österreich-Ungarn geworden. 3. Durch Waffengewalt insbesondere. So ist durch den griechi- schen Freiheitskrieg von 1821—1829 (ganz abgesehen von den Beschlüssen der Londoner Konferenz von 1830/31) Griechenland zum selbständigen Staat geworden. Durch Eroberung wurden 1866

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/47>, abgerufen am 23.11.2024.