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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
finden sich in den zwischen einzelnen Staaten geschlossenen Ver-
trägen vielfach Vereinbarungen über die Ausdehnung, welche die Kon-
trahenten dem Begriff der Kontrebande geben werden. Die Kongoakte
vom 26. Februar 1885 begnügt sich mit einem allgemeinen Hinweis
auf das Völkerrecht. Artikel 25 sagt in Absatz 3: "Dieser Grund-
satz (der Handelsfreiheit) erleidet eine Ausnahme nur bezüglich der
Beförderung von Gegenständen, welche für einen Kriegführenden
bestimmt und nach dem Völkerrecht als Kriegskontrebande anzusehen
sind" (ebenso Artikel 33 Absatz 4).

c) Als Quasikontrebande (contrebande par analogie) bezeichnet
man wohl auch die Kriegsmannschaften selbst, sowie auch die
militärischen Depeschen; d. h. man unterwirft die neutralen
Schiffe, auf welchen diese oder jene befördert werden, ebenso
der Wegnahme, als wenn sie wirkliche Kontrebande geführt
hätten.

2. Die Kriegskontrebande unterliegt der Wegnahme jedoch nur
dann, wenn sie während der Beförderung an den Kriegführenden von
dessen Gegner ergriffen wird.

Das Schiff, das Kontrebande geführt hat, wird frei, sobald
es die Ladung glücklich gelöscht hat. Es darf auf der Weiterfahrt
oder auf der Heimreise nicht mit Beschlag belegt werden. Mass-
gebend ist der Bestimmungsort der Ware, d. h. der wirkliche Be-
stimmungsort, nicht eine Scheinadresse. Dabei kommt aber nur
derjenige Bestimmungsort in Frage, nach dem das Schiff die Ware
zu bringen hat; nicht der Ort, an welchen, von jenem Bestimmungs-
hafen des Schiffes aus, die Ware, sei es zur See, sei es auf dem
Landwege, weiter gebracht werden soll. Ist während eines deutsch-
französischen Krieges ein amerikanisches Schiff mit Kontrebande
von New-York nach Portsmouth unterwegs, und es kann nachge-
wiesen werden, dass die Ware in dem englischen Hafen gelöscht
und dann durch ein anderes Schiff in die Hände eines der Krieg-
führenden gebracht werden soll, so unterliegt das Schiff der Weg-
nahme nicht. Die entgegengesetzte Ansicht betrachtet zunächst
die ganze Reise des Schiffes von dem Verlassen des Heimathafens
bis zur Rückkehr in diesen als eine Einheit und gestattet daher

IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
finden sich in den zwischen einzelnen Staaten geschlossenen Ver-
trägen vielfach Vereinbarungen über die Ausdehnung, welche die Kon-
trahenten dem Begriff der Kontrebande geben werden. Die Kongoakte
vom 26. Februar 1885 begnügt sich mit einem allgemeinen Hinweis
auf das Völkerrecht. Artikel 25 sagt in Absatz 3: „Dieser Grund-
satz (der Handelsfreiheit) erleidet eine Ausnahme nur bezüglich der
Beförderung von Gegenständen, welche für einen Kriegführenden
bestimmt und nach dem Völkerrecht als Kriegskontrebande anzusehen
sind“ (ebenso Artikel 33 Absatz 4).

c) Als Quasikontrebande (contrebande par analogie) bezeichnet
man wohl auch die Kriegsmannschaften selbst, sowie auch die
militärischen Depeschen; d. h. man unterwirft die neutralen
Schiffe, auf welchen diese oder jene befördert werden, ebenso
der Wegnahme, als wenn sie wirkliche Kontrebande geführt
hätten.

2. Die Kriegskontrebande unterliegt der Wegnahme jedoch nur
dann, wenn sie während der Beförderung an den Kriegführenden von
dessen Gegner ergriffen wird.

Das Schiff, das Kontrebande geführt hat, wird frei, sobald
es die Ladung glücklich gelöscht hat. Es darf auf der Weiterfahrt
oder auf der Heimreise nicht mit Beschlag belegt werden. Maſs-
gebend ist der Bestimmungsort der Ware, d. h. der wirkliche Be-
stimmungsort, nicht eine Scheinadresse. Dabei kommt aber nur
derjenige Bestimmungsort in Frage, nach dem das Schiff die Ware
zu bringen hat; nicht der Ort, an welchen, von jenem Bestimmungs-
hafen des Schiffes aus, die Ware, sei es zur See, sei es auf dem
Landwege, weiter gebracht werden soll. Ist während eines deutsch-
französischen Krieges ein amerikanisches Schiff mit Kontrebande
von New-York nach Portsmouth unterwegs, und es kann nachge-
wiesen werden, daſs die Ware in dem englischen Hafen gelöscht
und dann durch ein anderes Schiff in die Hände eines der Krieg-
führenden gebracht werden soll, so unterliegt das Schiff der Weg-
nahme nicht. Die entgegengesetzte Ansicht betrachtet zunächst
die ganze Reise des Schiffes von dem Verlassen des Heimathafens
bis zur Rückkehr in diesen als eine Einheit und gestattet daher

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[246/0268] IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung. finden sich in den zwischen einzelnen Staaten geschlossenen Ver- trägen vielfach Vereinbarungen über die Ausdehnung, welche die Kon- trahenten dem Begriff der Kontrebande geben werden. Die Kongoakte vom 26. Februar 1885 begnügt sich mit einem allgemeinen Hinweis auf das Völkerrecht. Artikel 25 sagt in Absatz 3: „Dieser Grund- satz (der Handelsfreiheit) erleidet eine Ausnahme nur bezüglich der Beförderung von Gegenständen, welche für einen Kriegführenden bestimmt und nach dem Völkerrecht als Kriegskontrebande anzusehen sind“ (ebenso Artikel 33 Absatz 4). c) Als Quasikontrebande (contrebande par analogie) bezeichnet man wohl auch die Kriegsmannschaften selbst, sowie auch die militärischen Depeschen; d. h. man unterwirft die neutralen Schiffe, auf welchen diese oder jene befördert werden, ebenso der Wegnahme, als wenn sie wirkliche Kontrebande geführt hätten. 2. Die Kriegskontrebande unterliegt der Wegnahme jedoch nur dann, wenn sie während der Beförderung an den Kriegführenden von dessen Gegner ergriffen wird. Das Schiff, das Kontrebande geführt hat, wird frei, sobald es die Ladung glücklich gelöscht hat. Es darf auf der Weiterfahrt oder auf der Heimreise nicht mit Beschlag belegt werden. Maſs- gebend ist der Bestimmungsort der Ware, d. h. der wirkliche Be- stimmungsort, nicht eine Scheinadresse. Dabei kommt aber nur derjenige Bestimmungsort in Frage, nach dem das Schiff die Ware zu bringen hat; nicht der Ort, an welchen, von jenem Bestimmungs- hafen des Schiffes aus, die Ware, sei es zur See, sei es auf dem Landwege, weiter gebracht werden soll. Ist während eines deutsch- französischen Krieges ein amerikanisches Schiff mit Kontrebande von New-York nach Portsmouth unterwegs, und es kann nachge- wiesen werden, daſs die Ware in dem englischen Hafen gelöscht und dann durch ein anderes Schiff in die Hände eines der Krieg- führenden gebracht werden soll, so unterliegt das Schiff der Weg- nahme nicht. Die entgegengesetzte Ansicht betrachtet zunächst die ganze Reise des Schiffes von dem Verlassen des Heimathafens bis zur Rückkehr in diesen als eine Einheit und gestattet daher

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/268>, abgerufen am 30.04.2024.