Das Ergebnis ist, wenn wir den Inhalt des Übereinkommens mit der Tagesordnung der Verhandlungen vergleichen, mehr als bescheiden; aber seine grundsätzliche Bedeutung als erster Schritt auf einem bisher nicht betretenen Wege kann nicht hoch genug an- geschlagen werden.
Das Übereinkommen betrifft lediglich den Civilprozess mit Aus- schluss des Strafverfahrens und umfasst folgende Punkte:
a) Die Zustellung von gerichtlichen oder aussergerichtlichen Schriftstücken. Sie erfolgt auf Grund eines an die zuständige Be- hörde des andern Staates zu richtenden Ersuchens der Beamten der Staatsanwaltschaft oder der Gerichte des ersuchenden Staates. Die Übermittlung erfolgt auf diplomatischem Wege, soweit nicht der unmittelbare geschäftliche Verkehr zwischen den Behörden der beiden Staaten zulässig ist (Artikel 1). Die Zustellung darf nur abgelehnt werden, wenn sie nach der Auffassung des Staates, auf dessen Gebiet sie erfolgen soll, geeignet erscheint, seine Hoheits- rechte zu verletzen oder seine Sicherheit zu gefährden (Artikel 2). Sie hat daher auch dann zu erfolgen, wenn sie dem innern Recht desjenigen Staates, auf dessen Gebiet sie stattfinden soll, wider- spricht. Zum Nachweis der Zustellung genügt das beglaubigte Empfangsbekenntnis des Adressaten oder die Bescheinigung der ersuchten Behörde (Artikel 3). Soweit nach der Gesetzgebung der beteiligten Staaten oder den zwischen ihnen bestehenden besonderen Vereinbarungen ein einfacheres Zustellungsverfahren vorgesehen ist, soll es dabei sein Bewenden haben (Artikel 4).
b) Das Ersuchen um Rechtshilfe. Entsprechend der bisherigen Übung der meisten Kulturstaaten wird den Gerichten eines jeden der Vertragsstaaten das Recht eingeräumt, die zuständige Behörde eines andern Vertragsstaates um die Vornahme von richterlichen Handlungen (Beweisaufnahmen, Parteivernehmungen, Eidesabnahmen u. s. w.) zu ersuchen (Artikel 5). Die Übermittlung der Ersuchungs- schreiben erfolgt ebenfalls, soweit nicht direkter Geschäftsverkehr vorgesehen ist, auf diplomatischem Wege (Artikel 6, Absatz 1). Ists da Schreiben nicht in der Sprache der ersuchten Behörde ab-
§ 32. Gesetzgebung und Rechtspflege.
Das Ergebnis ist, wenn wir den Inhalt des Übereinkommens mit der Tagesordnung der Verhandlungen vergleichen, mehr als bescheiden; aber seine grundsätzliche Bedeutung als erster Schritt auf einem bisher nicht betretenen Wege kann nicht hoch genug an- geschlagen werden.
Das Übereinkommen betrifft lediglich den Civilprozeſs mit Aus- schluſs des Strafverfahrens und umfaſst folgende Punkte:
a) Die Zustellung von gerichtlichen oder auſsergerichtlichen Schriftstücken. Sie erfolgt auf Grund eines an die zuständige Be- hörde des andern Staates zu richtenden Ersuchens der Beamten der Staatsanwaltschaft oder der Gerichte des ersuchenden Staates. Die Übermittlung erfolgt auf diplomatischem Wege, soweit nicht der unmittelbare geschäftliche Verkehr zwischen den Behörden der beiden Staaten zulässig ist (Artikel 1). Die Zustellung darf nur abgelehnt werden, wenn sie nach der Auffassung des Staates, auf dessen Gebiet sie erfolgen soll, geeignet erscheint, seine Hoheits- rechte zu verletzen oder seine Sicherheit zu gefährden (Artikel 2). Sie hat daher auch dann zu erfolgen, wenn sie dem innern Recht desjenigen Staates, auf dessen Gebiet sie stattfinden soll, wider- spricht. Zum Nachweis der Zustellung genügt das beglaubigte Empfangsbekenntnis des Adressaten oder die Bescheinigung der ersuchten Behörde (Artikel 3). Soweit nach der Gesetzgebung der beteiligten Staaten oder den zwischen ihnen bestehenden besonderen Vereinbarungen ein einfacheres Zustellungsverfahren vorgesehen ist, soll es dabei sein Bewenden haben (Artikel 4).
b) Das Ersuchen um Rechtshilfe. Entsprechend der bisherigen Übung der meisten Kulturstaaten wird den Gerichten eines jeden der Vertragsstaaten das Recht eingeräumt, die zuständige Behörde eines andern Vertragsstaates um die Vornahme von richterlichen Handlungen (Beweisaufnahmen, Parteivernehmungen, Eidesabnahmen u. s. w.) zu ersuchen (Artikel 5). Die Übermittlung der Ersuchungs- schreiben erfolgt ebenfalls, soweit nicht direkter Geschäftsverkehr vorgesehen ist, auf diplomatischem Wege (Artikel 6, Absatz 1). Ists da Schreiben nicht in der Sprache der ersuchten Behörde ab-
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§ 32. Gesetzgebung und Rechtspflege.
Das Ergebnis ist, wenn wir den Inhalt des Übereinkommens
mit der Tagesordnung der Verhandlungen vergleichen, mehr als
bescheiden; aber seine grundsätzliche Bedeutung als erster Schritt
auf einem bisher nicht betretenen Wege kann nicht hoch genug an-
geschlagen werden.
Das Übereinkommen betrifft lediglich den Civilprozeſs mit Aus-
schluſs des Strafverfahrens und umfaſst folgende Punkte:
a) Die Zustellung von gerichtlichen oder auſsergerichtlichen
Schriftstücken. Sie erfolgt auf Grund eines an die zuständige Be-
hörde des andern Staates zu richtenden Ersuchens der Beamten
der Staatsanwaltschaft oder der Gerichte des ersuchenden Staates.
Die Übermittlung erfolgt auf diplomatischem Wege, soweit nicht
der unmittelbare geschäftliche Verkehr zwischen den Behörden der
beiden Staaten zulässig ist (Artikel 1). Die Zustellung darf nur
abgelehnt werden, wenn sie nach der Auffassung des Staates, auf
dessen Gebiet sie erfolgen soll, geeignet erscheint, seine Hoheits-
rechte zu verletzen oder seine Sicherheit zu gefährden (Artikel 2).
Sie hat daher auch dann zu erfolgen, wenn sie dem innern Recht
desjenigen Staates, auf dessen Gebiet sie stattfinden soll, wider-
spricht. Zum Nachweis der Zustellung genügt das beglaubigte
Empfangsbekenntnis des Adressaten oder die Bescheinigung der
ersuchten Behörde (Artikel 3). Soweit nach der Gesetzgebung der
beteiligten Staaten oder den zwischen ihnen bestehenden besonderen
Vereinbarungen ein einfacheres Zustellungsverfahren vorgesehen ist,
soll es dabei sein Bewenden haben (Artikel 4).
b) Das Ersuchen um Rechtshilfe. Entsprechend der bisherigen
Übung der meisten Kulturstaaten wird den Gerichten eines jeden
der Vertragsstaaten das Recht eingeräumt, die zuständige Behörde
eines andern Vertragsstaates um die Vornahme von richterlichen
Handlungen (Beweisaufnahmen, Parteivernehmungen, Eidesabnahmen
u. s. w.) zu ersuchen (Artikel 5). Die Übermittlung der Ersuchungs-
schreiben erfolgt ebenfalls, soweit nicht direkter Geschäftsverkehr
vorgesehen ist, auf diplomatischem Wege (Artikel 6, Absatz 1).
Ists da Schreiben nicht in der Sprache der ersuchten Behörde ab-
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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/195>, abgerufen am 16.07.2024.
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