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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 25. Erschliessung des Landes und Rechtsstellung der Fremden.

Die Küstenfrachtfahrt besteht in der Fahrt von einem Punkt
der Küste eines Staates zu einem andern Küstenpunkt desselben
Staates, so dass die in dem einen Hafen geladenen Güter in dem
andern Hafen desselben Staates gelöscht werden. Verschieden
von der Küstenfrachtfahrt ist die stufenweise Löschung der aus dem
Ausland gebrachten Ladung in verschiedenen Häfen desselben frem-
den Staates (commercio de escala). Diese wird auch den Schiffen
fremder Mächte, selbst abgesehen von besonderen Vereinbarungen,
eingeräumt. Vgl. als Beispiel den deutschen Freundschafts- u. s. w.
Vertrag mit Nicaragua vom 4. Februar 1896 (R. G. Bl. 1897 S. 171)
Artikel 16 Abs. 1: "Die deutschen Schiffe in Nicaragua und die nicara-
guanischen Schiffe in Deutschland können einen Teil ihrer aus dem
Auslande kommenden Ladung in dem einen Hafen und den Rest
dieser Ladung in einem oder mehreren anderen Häfen desselben
Landes entlöschen, und nicht minder können sie ihre Rückfracht
teilweise in verschiedenen Häfen des gedachten Landes einnehmen,
ohne in jedem Hafen andere und höhere Abgaben zu entrichten, als
diejenigen, welche unter ähnlichen Umständen die Schiffe des eigenen
Landes entrichten oder zu entrichten haben werden."

d) Wichtig wird auch hier die häufig verwendete Meist-
begünstigungsklausel
(oben § 21 III S. 116).

2. Das Recht, Grundbesitz durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden
oder von Todeswegen zu erwerben, zu besitzen und darüber zu verfügen,
kann den Staatsfremden versagt werden
(oben § 8 III 1), wird ihnen
aber von den meisten Kulturstaaten gewährt.

Solche Beschränkungen bestanden in der Türkei bis 1867,
in England bis 1870 und bestehen (von den halbcivilisierten
Staaten abgesehen) noch heute in Russland. Nach der rumänischen
Verfassung von 1879 ist der Erwerb von Grundbesitz den rumäni-
schen Staatsangehörigen vorbehalten.

3. Privatrechtlich stehen die Staatsfremden den Staatsangehörigen
grundsätzlich gleich. Dieselben Vorschriften finden auf diese wie auf
jene Anwendung. Daher sind aber auch alle den Staatsfremden als
solchen treffenden Abgaben und Lasten dem heutigen Völkerrecht fremd.


§ 25. Erschlieſsung des Landes und Rechtsstellung der Fremden.

Die Küstenfrachtfahrt besteht in der Fahrt von einem Punkt
der Küste eines Staates zu einem andern Küstenpunkt desselben
Staates, so daſs die in dem einen Hafen geladenen Güter in dem
andern Hafen desselben Staates gelöscht werden. Verschieden
von der Küstenfrachtfahrt ist die stufenweise Löschung der aus dem
Ausland gebrachten Ladung in verschiedenen Häfen desselben frem-
den Staates (commercio de escala). Diese wird auch den Schiffen
fremder Mächte, selbst abgesehen von besonderen Vereinbarungen,
eingeräumt. Vgl. als Beispiel den deutschen Freundschafts- u. s. w.
Vertrag mit Nicaragua vom 4. Februar 1896 (R. G. Bl. 1897 S. 171)
Artikel 16 Abs. 1: „Die deutschen Schiffe in Nicaragua und die nicara-
guanischen Schiffe in Deutschland können einen Teil ihrer aus dem
Auslande kommenden Ladung in dem einen Hafen und den Rest
dieser Ladung in einem oder mehreren anderen Häfen desselben
Landes entlöschen, und nicht minder können sie ihre Rückfracht
teilweise in verschiedenen Häfen des gedachten Landes einnehmen,
ohne in jedem Hafen andere und höhere Abgaben zu entrichten, als
diejenigen, welche unter ähnlichen Umständen die Schiffe des eigenen
Landes entrichten oder zu entrichten haben werden.“

d) Wichtig wird auch hier die häufig verwendete Meist-
begünstigungsklausel
(oben § 21 III S. 116).

2. Das Recht, Grundbesitz durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden
oder von Todeswegen zu erwerben, zu besitzen und darüber zu verfügen,
kann den Staatsfremden versagt werden
(oben § 8 III 1), wird ihnen
aber von den meisten Kulturstaaten gewährt.

Solche Beschränkungen bestanden in der Türkei bis 1867,
in England bis 1870 und bestehen (von den halbcivilisierten
Staaten abgesehen) noch heute in Ruſsland. Nach der rumänischen
Verfassung von 1879 ist der Erwerb von Grundbesitz den rumäni-
schen Staatsangehörigen vorbehalten.

3. Privatrechtlich stehen die Staatsfremden den Staatsangehörigen
grundsätzlich gleich. Dieselben Vorschriften finden auf diese wie auf
jene Anwendung. Daher sind aber auch alle den Staatsfremden als
solchen treffenden Abgaben und Lasten dem heutigen Völkerrecht fremd.


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[133/0155] § 25. Erschlieſsung des Landes und Rechtsstellung der Fremden. Die Küstenfrachtfahrt besteht in der Fahrt von einem Punkt der Küste eines Staates zu einem andern Küstenpunkt desselben Staates, so daſs die in dem einen Hafen geladenen Güter in dem andern Hafen desselben Staates gelöscht werden. Verschieden von der Küstenfrachtfahrt ist die stufenweise Löschung der aus dem Ausland gebrachten Ladung in verschiedenen Häfen desselben frem- den Staates (commercio de escala). Diese wird auch den Schiffen fremder Mächte, selbst abgesehen von besonderen Vereinbarungen, eingeräumt. Vgl. als Beispiel den deutschen Freundschafts- u. s. w. Vertrag mit Nicaragua vom 4. Februar 1896 (R. G. Bl. 1897 S. 171) Artikel 16 Abs. 1: „Die deutschen Schiffe in Nicaragua und die nicara- guanischen Schiffe in Deutschland können einen Teil ihrer aus dem Auslande kommenden Ladung in dem einen Hafen und den Rest dieser Ladung in einem oder mehreren anderen Häfen desselben Landes entlöschen, und nicht minder können sie ihre Rückfracht teilweise in verschiedenen Häfen des gedachten Landes einnehmen, ohne in jedem Hafen andere und höhere Abgaben zu entrichten, als diejenigen, welche unter ähnlichen Umständen die Schiffe des eigenen Landes entrichten oder zu entrichten haben werden.“ d) Wichtig wird auch hier die häufig verwendete Meist- begünstigungsklausel (oben § 21 III S. 116). 2. Das Recht, Grundbesitz durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden oder von Todeswegen zu erwerben, zu besitzen und darüber zu verfügen, kann den Staatsfremden versagt werden (oben § 8 III 1), wird ihnen aber von den meisten Kulturstaaten gewährt. Solche Beschränkungen bestanden in der Türkei bis 1867, in England bis 1870 und bestehen (von den halbcivilisierten Staaten abgesehen) noch heute in Ruſsland. Nach der rumänischen Verfassung von 1879 ist der Erwerb von Grundbesitz den rumäni- schen Staatsangehörigen vorbehalten. 3. Privatrechtlich stehen die Staatsfremden den Staatsangehörigen grundsätzlich gleich. Dieselben Vorschriften finden auf diese wie auf jene Anwendung. Daher sind aber auch alle den Staatsfremden als solchen treffenden Abgaben und Lasten dem heutigen Völkerrecht fremd.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/155>, abgerufen am 22.11.2024.