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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 18. Internationale Gerichte.
1880 S. 145) und die dazu gehörende Verordnung vom 23. Dezember
1880 (R. G. Bl. 1880 S. 192) haben die 1874 und 1875 aufgestellten
Zeitbeschränkungen ausdrücklich als aufgehoben erklärt. So haben
diese gemischten Gerichtshöfe, trotz der mannigfachen gegen sie
geltend gemachten Bedenken feste Wurzel geschlagen und die
Lebenskraft des Gedankens, dem sie ihre Entstehung verdanken,
überzeugend dargethan.

2. Es bestehen als gemischte Gerichte: Drei Gerichtshöfe erster
Instanz in Alexandrien, Kairo und Ismaila (früher in Sagasig), jeder
mit vier europäischen und drei egyptischen Richtern besetzt; und der
Appellationshof in Alexandrien, besetzt mit sieben europäischen und
vier egyptischen Richtern. Die europäischen Mitglieder dieser Gerichts-
höfe werden von dem Vizekönig von Egypten auf Vorschlag und mit
Zustimmung der europäischen Mächte ernannt.

3. Die Zuständigkeit der gemischten Gerichte umfasst:

a) Die Civilgerichtsbarkeit
a) in allen Streitigkeiten, in welchen eine in Egypten belegene
unbewegliche Sache oder ein Recht an einer solchen Sache
den Gegenstand des Streites bildet;
b) in allen andern Streitigkeiten zwischen Europäern und
Egyptern;
b) die Strafgerichtsbarkeit dagegen nur:
a) über alle Übertretungen;
b) über alle Verbrechen oder Vergehen, die gegen die gemischten
Gerichte selbst oder ihre Mitglieder begangen werden;
g) über Verbrechen und Vergehen, die in der Absicht begangen
worden sind, die Vollstreckung von Entscheidungen dieser
Gerichte zu verhindern;
d) über Verbrechen oder Vergehen, welche von einem Mitglied
der Gerichte in seiner amtlichen Stellung begangen worden sind.

Die wiederholten Versuche, eine Erweiterung der strafrecht-
lichen Zuständigkeit zu vereinbaren, sind bisher gescheitert.

4. Soweit die Zuständigkeit der gemischten Gerichte nicht ein-
greift, bleibt die der Konsuln, beziehungsweise der bisherigen Gerichte,
bestehen.

Dieses gilt insbesondere:

a) von den Konsuln selbst, ihren Familienangehörigen, den in
ihrem Dienst befindlichen Personen und den ihnen unter-

§ 18. Internationale Gerichte.
1880 S. 145) und die dazu gehörende Verordnung vom 23. Dezember
1880 (R. G. Bl. 1880 S. 192) haben die 1874 und 1875 aufgestellten
Zeitbeschränkungen ausdrücklich als aufgehoben erklärt. So haben
diese gemischten Gerichtshöfe, trotz der mannigfachen gegen sie
geltend gemachten Bedenken feste Wurzel geschlagen und die
Lebenskraft des Gedankens, dem sie ihre Entstehung verdanken,
überzeugend dargethan.

2. Es bestehen als gemischte Gerichte: Drei Gerichtshöfe erster
Instanz in Alexandrien, Kairo und Ismaila (früher in Sagasig), jeder
mit vier europäischen und drei egyptischen Richtern besetzt; und der
Appellationshof in Alexandrien, besetzt mit sieben europäischen und
vier egyptischen Richtern. Die europäischen Mitglieder dieser Gerichts-
höfe werden von dem Vizekönig von Egypten auf Vorschlag und mit
Zustimmung der europäischen Mächte ernannt.

3. Die Zuständigkeit der gemischten Gerichte umfaſst:

a) Die Civilgerichtsbarkeit
α) in allen Streitigkeiten, in welchen eine in Egypten belegene
unbewegliche Sache oder ein Recht an einer solchen Sache
den Gegenstand des Streites bildet;
β) in allen andern Streitigkeiten zwischen Europäern und
Egyptern;
b) die Strafgerichtsbarkeit dagegen nur:
α) über alle Übertretungen;
β) über alle Verbrechen oder Vergehen, die gegen die gemischten
Gerichte selbst oder ihre Mitglieder begangen werden;
γ) über Verbrechen und Vergehen, die in der Absicht begangen
worden sind, die Vollstreckung von Entscheidungen dieser
Gerichte zu verhindern;
δ) über Verbrechen oder Vergehen, welche von einem Mitglied
der Gerichte in seiner amtlichen Stellung begangen worden sind.

Die wiederholten Versuche, eine Erweiterung der strafrecht-
lichen Zuständigkeit zu vereinbaren, sind bisher gescheitert.

4. Soweit die Zuständigkeit der gemischten Gerichte nicht ein-
greift, bleibt die der Konsuln, beziehungsweise der bisherigen Gerichte,
bestehen.

Dieses gilt insbesondere:

a) von den Konsuln selbst, ihren Familienangehörigen, den in
ihrem Dienst befindlichen Personen und den ihnen unter-
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[101/0123] § 18. Internationale Gerichte. 1880 S. 145) und die dazu gehörende Verordnung vom 23. Dezember 1880 (R. G. Bl. 1880 S. 192) haben die 1874 und 1875 aufgestellten Zeitbeschränkungen ausdrücklich als aufgehoben erklärt. So haben diese gemischten Gerichtshöfe, trotz der mannigfachen gegen sie geltend gemachten Bedenken feste Wurzel geschlagen und die Lebenskraft des Gedankens, dem sie ihre Entstehung verdanken, überzeugend dargethan. 2. Es bestehen als gemischte Gerichte: Drei Gerichtshöfe erster Instanz in Alexandrien, Kairo und Ismaila (früher in Sagasig), jeder mit vier europäischen und drei egyptischen Richtern besetzt; und der Appellationshof in Alexandrien, besetzt mit sieben europäischen und vier egyptischen Richtern. Die europäischen Mitglieder dieser Gerichts- höfe werden von dem Vizekönig von Egypten auf Vorschlag und mit Zustimmung der europäischen Mächte ernannt. 3. Die Zuständigkeit der gemischten Gerichte umfaſst: a) Die Civilgerichtsbarkeit α) in allen Streitigkeiten, in welchen eine in Egypten belegene unbewegliche Sache oder ein Recht an einer solchen Sache den Gegenstand des Streites bildet; β) in allen andern Streitigkeiten zwischen Europäern und Egyptern; b) die Strafgerichtsbarkeit dagegen nur: α) über alle Übertretungen; β) über alle Verbrechen oder Vergehen, die gegen die gemischten Gerichte selbst oder ihre Mitglieder begangen werden; γ) über Verbrechen und Vergehen, die in der Absicht begangen worden sind, die Vollstreckung von Entscheidungen dieser Gerichte zu verhindern; δ) über Verbrechen oder Vergehen, welche von einem Mitglied der Gerichte in seiner amtlichen Stellung begangen worden sind. Die wiederholten Versuche, eine Erweiterung der strafrecht- lichen Zuständigkeit zu vereinbaren, sind bisher gescheitert. 4. Soweit die Zuständigkeit der gemischten Gerichte nicht ein- greift, bleibt die der Konsuln, beziehungsweise der bisherigen Gerichte, bestehen. Dieses gilt insbesondere: a) von den Konsuln selbst, ihren Familienangehörigen, den in ihrem Dienst befindlichen Personen und den ihnen unter-

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/123>, abgerufen am 24.11.2024.