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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
b) Sie haben die Civil- und Strafgerichtsbarkeit in allen Streitig-
keiten, in welchen beide Teile Staatsangehörige, Schutzgenossen
oder de facto Unterthanen ihres Staates sind.
c) In Streitigkeiten zwischen Angehörigen verschiedener christlichen
Staaten entscheidet der Konsul des Geklagten oder Beschuldigten

(nach dem Grundsatz: actor sequitur forum rei).
d) Bei Streitigkeiten zwischen den Angehörigen eines christlichen
Staates und einem Eingeborenen giebt es keine allgemeine Regel.

Vgl. Verhandlungen des Instituts für Völkerrecht von 1883.

In der Türkei, in China und in Persien entscheiden in
diesem Falle die lokalen Gerichte, aber mit Dazwischenkunft des
Konsuls. Nach dem deutsch-persischen Freundschafts- u. s. w. Ver-
trag vom 11. Juni 1873 (R. G. Bl. 1873 S. 351) Artikel 16 sollen
Strafsachen, in welche Deutsche in Persien oder umgekehrt ver-
wickelt werden, nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung beur-
teilt werden. Vgl. auch den Vertrag zwischen China und dem
Deutschen Zollverein vom 2. September 1861 (Preussische Gesetz-
sammlung 1863 S. 265). Dagegen entscheiden in Korea, Zanzibar
und andern Ländern die Behörden des Geklagten oder Angeklagten.

e) Die Konsuln haben das Recht der Beistandschaft in allen Streitig-
keiten, in welchen ein Angehöriger ihres Staates als Partei vor
den einheimischen Gerichten zu erscheinen hat.
f) Sie geniessen die Exterritorialität wie die Gesandten.

Es sind ihnen sogar, darüber hinausgehend, weitere besondere
Rechte eingeräumt. So haben sie das Recht, sich eine Ehrenwache
zu halten; ihre Wohnung gilt als Asyl; ihre Schutzgewalt erstreckt
sich teilweise über das ganze Stadtviertel, in dem sie mit ihren
Staatsangehörigen wohnen (franchise des quartiers, oben S. 79).

Samel, Les etrangers devant les tribunaux consulaires et nationaux en
Turquie. 1891.

Derselbe, De la competence des tribunaux ottomans. 1893.

3. Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass aber auch die Staats-
angehörigen der christlichen Staaten selbst in den konsularischen Juris-
diktionsbezirken einer weitgehenden Befreiung von der Staatsgewalt
des Aufenthaltsstaates geniessen, insoweit also exterritorial sind
(oben
§ 8 IV).


II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
b) Sie haben die Civil- und Strafgerichtsbarkeit in allen Streitig-
keiten, in welchen beide Teile Staatsangehörige, Schutzgenossen
oder de facto Unterthanen ihres Staates sind.
c) In Streitigkeiten zwischen Angehörigen verschiedener christlichen
Staaten entscheidet der Konsul des Geklagten oder Beschuldigten

(nach dem Grundsatz: actor sequitur forum rei).
d) Bei Streitigkeiten zwischen den Angehörigen eines christlichen
Staates und einem Eingeborenen giebt es keine allgemeine Regel.

Vgl. Verhandlungen des Instituts für Völkerrecht von 1883.

In der Türkei, in China und in Persien entscheiden in
diesem Falle die lokalen Gerichte, aber mit Dazwischenkunft des
Konsuls. Nach dem deutsch-persischen Freundschafts- u. s. w. Ver-
trag vom 11. Juni 1873 (R. G. Bl. 1873 S. 351) Artikel 16 sollen
Strafsachen, in welche Deutsche in Persien oder umgekehrt ver-
wickelt werden, nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung beur-
teilt werden. Vgl. auch den Vertrag zwischen China und dem
Deutschen Zollverein vom 2. September 1861 (Preuſsische Gesetz-
sammlung 1863 S. 265). Dagegen entscheiden in Korea, Zanzibar
und andern Ländern die Behörden des Geklagten oder Angeklagten.

e) Die Konsuln haben das Recht der Beistandschaft in allen Streitig-
keiten, in welchen ein Angehöriger ihres Staates als Partei vor
den einheimischen Gerichten zu erscheinen hat.
f) Sie genieſsen die Exterritorialität wie die Gesandten.

Es sind ihnen sogar, darüber hinausgehend, weitere besondere
Rechte eingeräumt. So haben sie das Recht, sich eine Ehrenwache
zu halten; ihre Wohnung gilt als Asyl; ihre Schutzgewalt erstreckt
sich teilweise über das ganze Stadtviertel, in dem sie mit ihren
Staatsangehörigen wohnen (franchise des quartiers, oben S. 79).

Samel, Les étrangers devant les tribunaux consulaires et nationaux en
Turquie. 1891.

Derselbe, De la compétence des tribunaux ottomans. 1893.

3. Aus dem Gesagten ergiebt sich, daſs aber auch die Staats-
angehörigen der christlichen Staaten selbst in den konsularischen Juris-
diktionsbezirken einer weitgehenden Befreiung von der Staatsgewalt
des Aufenthaltsstaates genieſsen, insoweit also exterritorial sind
(oben
§ 8 IV).


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[90/0112] II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen. b) Sie haben die Civil- und Strafgerichtsbarkeit in allen Streitig- keiten, in welchen beide Teile Staatsangehörige, Schutzgenossen oder de facto Unterthanen ihres Staates sind. c) In Streitigkeiten zwischen Angehörigen verschiedener christlichen Staaten entscheidet der Konsul des Geklagten oder Beschuldigten (nach dem Grundsatz: actor sequitur forum rei). d) Bei Streitigkeiten zwischen den Angehörigen eines christlichen Staates und einem Eingeborenen giebt es keine allgemeine Regel. Vgl. Verhandlungen des Instituts für Völkerrecht von 1883. In der Türkei, in China und in Persien entscheiden in diesem Falle die lokalen Gerichte, aber mit Dazwischenkunft des Konsuls. Nach dem deutsch-persischen Freundschafts- u. s. w. Ver- trag vom 11. Juni 1873 (R. G. Bl. 1873 S. 351) Artikel 16 sollen Strafsachen, in welche Deutsche in Persien oder umgekehrt ver- wickelt werden, nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung beur- teilt werden. Vgl. auch den Vertrag zwischen China und dem Deutschen Zollverein vom 2. September 1861 (Preuſsische Gesetz- sammlung 1863 S. 265). Dagegen entscheiden in Korea, Zanzibar und andern Ländern die Behörden des Geklagten oder Angeklagten. e) Die Konsuln haben das Recht der Beistandschaft in allen Streitig- keiten, in welchen ein Angehöriger ihres Staates als Partei vor den einheimischen Gerichten zu erscheinen hat. f) Sie genieſsen die Exterritorialität wie die Gesandten. Es sind ihnen sogar, darüber hinausgehend, weitere besondere Rechte eingeräumt. So haben sie das Recht, sich eine Ehrenwache zu halten; ihre Wohnung gilt als Asyl; ihre Schutzgewalt erstreckt sich teilweise über das ganze Stadtviertel, in dem sie mit ihren Staatsangehörigen wohnen (franchise des quartiers, oben S. 79). Samel, Les étrangers devant les tribunaux consulaires et nationaux en Turquie. 1891. Derselbe, De la compétence des tribunaux ottomans. 1893. 3. Aus dem Gesagten ergiebt sich, daſs aber auch die Staats- angehörigen der christlichen Staaten selbst in den konsularischen Juris- diktionsbezirken einer weitgehenden Befreiung von der Staatsgewalt des Aufenthaltsstaates genieſsen, insoweit also exterritorial sind (oben § 8 IV).

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/112>, abgerufen am 24.11.2024.