Ein äusserer Anlass hat mich bestimmt, einen lang ge- hegten Gedanken zur That werden zu lassen.
In den zehn Jahren, während welcher ich hier in Halle über Völkerrecht lese, habe ich immer wieder von neuem das Bedürfnis empfunden, meinen Zuhörern einen meine An- schauungen wiederspiegelnden Grundriss in die Hand zu geben, und mir so die schwer entbehrte Freiheit des mündlichen Vor- trages zu sichern. Als ich nun vor Jahresfrist für ein fach- wissenschaftliches Sammelwerk die Bearbeitung des Völkerrechts auf sehr engumschriebenem Raum übernahm, schien es mir unerlässlich, diesem kurzen Abriss eine wenigstens etwas aus- führlichere Darstellung voranzuschicken, um den Fachgenossen gegenüber, wenn ich so sagen darf, den Befähigungsnachweis zu erbringen.
Aus diesen Erwägungen heraus ist das kleine Buch ent- standen. Es ist in erster Linie für das akademische Studium bestimmt. Sollte es diesen Zweck erreichen, so durfte es einer- seits einen gewissen Umfang nicht übersteigen, musste es ander- seits sich bemühen, die einzelnen Rechtssätze möglichst scharf herauszuarbeiten. Das eine wie das andere hat gerade auf diesem Gebiete die Gefahr bedenklicher Fehlgriffe im Gefolge.
Eine Auswahl des Wichtigsten wird stets den Eindruck der Willkürlichkeit hervorrufen. Ich bin mir bewusst, überall
Vorbemerkung.
Ein äuſserer Anlaſs hat mich bestimmt, einen lang ge- hegten Gedanken zur That werden zu lassen.
In den zehn Jahren, während welcher ich hier in Halle über Völkerrecht lese, habe ich immer wieder von neuem das Bedürfnis empfunden, meinen Zuhörern einen meine An- schauungen wiederspiegelnden Grundriſs in die Hand zu geben, und mir so die schwer entbehrte Freiheit des mündlichen Vor- trages zu sichern. Als ich nun vor Jahresfrist für ein fach- wissenschaftliches Sammelwerk die Bearbeitung des Völkerrechts auf sehr engumschriebenem Raum übernahm, schien es mir unerläſslich, diesem kurzen Abriſs eine wenigstens etwas aus- führlichere Darstellung voranzuschicken, um den Fachgenossen gegenüber, wenn ich so sagen darf, den Befähigungsnachweis zu erbringen.
Aus diesen Erwägungen heraus ist das kleine Buch ent- standen. Es ist in erster Linie für das akademische Studium bestimmt. Sollte es diesen Zweck erreichen, so durfte es einer- seits einen gewissen Umfang nicht übersteigen, muſste es ander- seits sich bemühen, die einzelnen Rechtssätze möglichst scharf herauszuarbeiten. Das eine wie das andere hat gerade auf diesem Gebiete die Gefahr bedenklicher Fehlgriffe im Gefolge.
Eine Auswahl des Wichtigsten wird stets den Eindruck der Willkürlichkeit hervorrufen. Ich bin mir bewuſst, überall
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Vorbemerkung.
Ein äuſserer Anlaſs hat mich bestimmt, einen lang ge-
hegten Gedanken zur That werden zu lassen.
In den zehn Jahren, während welcher ich hier in Halle
über Völkerrecht lese, habe ich immer wieder von neuem das
Bedürfnis empfunden, meinen Zuhörern einen meine An-
schauungen wiederspiegelnden Grundriſs in die Hand zu geben,
und mir so die schwer entbehrte Freiheit des mündlichen Vor-
trages zu sichern. Als ich nun vor Jahresfrist für ein fach-
wissenschaftliches Sammelwerk die Bearbeitung des Völkerrechts
auf sehr engumschriebenem Raum übernahm, schien es mir
unerläſslich, diesem kurzen Abriſs eine wenigstens etwas aus-
führlichere Darstellung voranzuschicken, um den Fachgenossen
gegenüber, wenn ich so sagen darf, den Befähigungsnachweis
zu erbringen.
Aus diesen Erwägungen heraus ist das kleine Buch ent-
standen. Es ist in erster Linie für das akademische Studium
bestimmt. Sollte es diesen Zweck erreichen, so durfte es einer-
seits einen gewissen Umfang nicht übersteigen, muſste es ander-
seits sich bemühen, die einzelnen Rechtssätze möglichst scharf
herauszuarbeiten. Das eine wie das andere hat gerade auf
diesem Gebiete die Gefahr bedenklicher Fehlgriffe im Gefolge.
Eine Auswahl des Wichtigsten wird stets den Eindruck
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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. [V]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/11>, abgerufen am 16.02.2025.
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