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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 15. Die Konsuln insbesondere.

tionen), welche die christlichen Staaten nach dem Vorbilde Frank-
reichs mit den nichtchristlichen Staaten geschlossen haben.

Vertrag von 1535 zwischen Franz I. und Soliman II., dem
eine Reihe von elf weiteren Verträgen bis zu dem heute noch
geltenden Vertrag von 1740 folgte. Vgl. auch den preussisch-
türkischen Freundschafts- und Handelsvertrag vom 22. März 1761
(alten Stils).

a) Diese Verträge gelten auch heute noch für das Gesamtgebiet
der Türkei,
obwohl das 14. Protokoll des Pariser Vertrags
vom 25. März 1856 die Erklärung der Mächte enthält, dass
sie: "einem Zustande entsprechen, dem der gegenwärtige
Vertrag (durch welchen die Türkei in die Völkerrechts-
gemeinschaft aufgenommen wurde) ein Ende zu machen not-
wendig bestrebt sein muss." Seitdem durch das Gesetz vom
10. Juni 1867 den Fremden die Erwerbung von Grundeigentum
in der Türkei eingeräumt ist, entscheiden jedoch die türkischen
Gerichte über alle Grundstreitigkeiten ohne Ausnahme. (Proto-
koll von Konstantinopel vom 9. Juni 1868.)
b) Solche Verträge sind aber auch mit den Mächten des äussersten
Osten Asiens (L'extreme orient) sowie mit andern nichtchrist-
lichen Staaten, insbesondere mit den polynesischen Inselstaaten,
nach dem Vorbild der türkischen Kapitulationen geschlossen
worden
(so mit China, Japan, Korea, Siam, Persien; mit Zan-
zibar, Madagaskar, Marokko u. s. w.)
c) Die Verträge erlöschen, sobald die eine der christlichen Mächte
die Gebietshoheit oder auch nur eine Schutzherrschaft über ein
bisher unter nichtchristlicher Herrschaft stehendes Gebiet er-
wirbt und in diesem ihre nationale Gerichtsbarkeit einrichtet.

Dies war zunächst der Fall in Tunis. Daher bestimmte
das Deutsche Reichsgesetz vom 27. Juli 1883 (R. G. Bl. 1883 S. 263):
"Die dem Konsul des Deutschen Reichs in Tunis für die Regent-
schaft Tunis zustehende Gerichtsbarkeit kann mit Zustimmung des
Bundesrats durch Kaiserliche Verordnung eingeschränkt oder ausser
Übung gesetzt werden." Dies geschah durch Verordnung vom
21. Januar 1884 (R. G. Bl. 1884 S. 9). Neuerdings hat das

§ 15. Die Konsuln insbesondere.

tionen), welche die christlichen Staaten nach dem Vorbilde Frank-
reichs mit den nichtchristlichen Staaten geschlossen haben.

Vertrag von 1535 zwischen Franz I. und Soliman II., dem
eine Reihe von elf weiteren Verträgen bis zu dem heute noch
geltenden Vertrag von 1740 folgte. Vgl. auch den preuſsisch-
türkischen Freundschafts- und Handelsvertrag vom 22. März 1761
(alten Stils).

a) Diese Verträge gelten auch heute noch für das Gesamtgebiet
der Türkei,
obwohl das 14. Protokoll des Pariser Vertrags
vom 25. März 1856 die Erklärung der Mächte enthält, daſs
sie: „einem Zustande entsprechen, dem der gegenwärtige
Vertrag (durch welchen die Türkei in die Völkerrechts-
gemeinschaft aufgenommen wurde) ein Ende zu machen not-
wendig bestrebt sein muſs.“ Seitdem durch das Gesetz vom
10. Juni 1867 den Fremden die Erwerbung von Grundeigentum
in der Türkei eingeräumt ist, entscheiden jedoch die türkischen
Gerichte über alle Grundstreitigkeiten ohne Ausnahme. (Proto-
koll von Konstantinopel vom 9. Juni 1868.)
b) Solche Verträge sind aber auch mit den Mächten des äuſsersten
Osten Asiens (L’extrême orient) sowie mit andern nichtchrist-
lichen Staaten, insbesondere mit den polynesischen Inselstaaten,
nach dem Vorbild der türkischen Kapitulationen geschlossen
worden
(so mit China, Japan, Korea, Siam, Persien; mit Zan-
zibar, Madagaskar, Marokko u. s. w.)
c) Die Verträge erlöschen, sobald die eine der christlichen Mächte
die Gebietshoheit oder auch nur eine Schutzherrschaft über ein
bisher unter nichtchristlicher Herrschaft stehendes Gebiet er-
wirbt und in diesem ihre nationale Gerichtsbarkeit einrichtet.

Dies war zunächst der Fall in Tunis. Daher bestimmte
das Deutsche Reichsgesetz vom 27. Juli 1883 (R. G. Bl. 1883 S. 263):
„Die dem Konsul des Deutschen Reichs in Tunis für die Regent-
schaft Tunis zustehende Gerichtsbarkeit kann mit Zustimmung des
Bundesrats durch Kaiserliche Verordnung eingeschränkt oder auſser
Übung gesetzt werden.“ Dies geschah durch Verordnung vom
21. Januar 1884 (R. G. Bl. 1884 S. 9). Neuerdings hat das

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[87/0109] § 15. Die Konsuln insbesondere. tionen), welche die christlichen Staaten nach dem Vorbilde Frank- reichs mit den nichtchristlichen Staaten geschlossen haben. Vertrag von 1535 zwischen Franz I. und Soliman II., dem eine Reihe von elf weiteren Verträgen bis zu dem heute noch geltenden Vertrag von 1740 folgte. Vgl. auch den preuſsisch- türkischen Freundschafts- und Handelsvertrag vom 22. März 1761 (alten Stils). a) Diese Verträge gelten auch heute noch für das Gesamtgebiet der Türkei, obwohl das 14. Protokoll des Pariser Vertrags vom 25. März 1856 die Erklärung der Mächte enthält, daſs sie: „einem Zustande entsprechen, dem der gegenwärtige Vertrag (durch welchen die Türkei in die Völkerrechts- gemeinschaft aufgenommen wurde) ein Ende zu machen not- wendig bestrebt sein muſs.“ Seitdem durch das Gesetz vom 10. Juni 1867 den Fremden die Erwerbung von Grundeigentum in der Türkei eingeräumt ist, entscheiden jedoch die türkischen Gerichte über alle Grundstreitigkeiten ohne Ausnahme. (Proto- koll von Konstantinopel vom 9. Juni 1868.) b) Solche Verträge sind aber auch mit den Mächten des äuſsersten Osten Asiens (L’extrême orient) sowie mit andern nichtchrist- lichen Staaten, insbesondere mit den polynesischen Inselstaaten, nach dem Vorbild der türkischen Kapitulationen geschlossen worden (so mit China, Japan, Korea, Siam, Persien; mit Zan- zibar, Madagaskar, Marokko u. s. w.) c) Die Verträge erlöschen, sobald die eine der christlichen Mächte die Gebietshoheit oder auch nur eine Schutzherrschaft über ein bisher unter nichtchristlicher Herrschaft stehendes Gebiet er- wirbt und in diesem ihre nationale Gerichtsbarkeit einrichtet. Dies war zunächst der Fall in Tunis. Daher bestimmte das Deutsche Reichsgesetz vom 27. Juli 1883 (R. G. Bl. 1883 S. 263): „Die dem Konsul des Deutschen Reichs in Tunis für die Regent- schaft Tunis zustehende Gerichtsbarkeit kann mit Zustimmung des Bundesrats durch Kaiserliche Verordnung eingeschränkt oder auſser Übung gesetzt werden.“ Dies geschah durch Verordnung vom 21. Januar 1884 (R. G. Bl. 1884 S. 9). Neuerdings hat das

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/109>, abgerufen am 27.04.2024.