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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 15. Die Konsuln insbesondere.
c) Die Ausübung obrigkeitlicher Befugnisse, soweit ihnen diese
unter Genehmigung des Empfangsstaates übertragen sind.

Insbesondere pflegt den Konsuln in den Verträgen übertragen
zu werden:

a) die Aufnahme und Beglaubigung von Urkunden;
b) die Eheschliessung zwischen Staatsangehörigen;
g) die Regelung des Nachlasses und die Sorge für die Hinter-
bliebenen der in ihrem Amtsbezirk gestorbenen Staatsange-
hörigen (darüber unten § 32 III);
d) die Seepolizei; insbesondere die Verhaftung entwichener See-
leute, die Aufrechterhaltung der innern Ordnung an Bord
ihrer nationalen Handelsschiffe, die Regelung der Havarieen,
die Überwachung der Ausbesserung, Verproviantierung und
des Verkaufs gestrandeter oder gescheiterter Schiffe.

Dagegen bleibt ihnen die streitige Gerichtsbarkeit, insbesondere
auch die Vernehmung von Zeugen, von besonderen Vereinbarungen
abgesehen, entzogen.

Über die Befugnis der deutschen Konsuln vgl. Laband, Staatsrecht II 14.

3. Die Konsuln sind, im Unterschied von den Gesandten, nicht
"mit diplomatischem Charakter bekleidet".

Sie sind mithin, von den ihnen übertragenen Funktionen ab-
gesehen, nicht Vertreter des Absendestaates. Das ist in den Ver-
trägen vielfach ausdrücklich ausgesprochen. Die Konsuln sind daher,
was ebenfalls in den Verträgen vielfach ausdrücklich hervorgehoben
zu werden pflegt, nicht befugt, sich unmittelbar an die Central-
behörde des Empfangsstaates zu wenden, sondern haben zu diesem
Zweck die Vermittlung des diplomatischen Vertreters ihres Ab-
sendestaates in Anspruch zu nehmen.

Die Konsuln sind daher auch von der Staatsgewalt des Em-
pfangsstaates nur soweit befreit, als dies zur ungehinderten Durch-
führung ihrer Aufgabe notwendig ist. Die den Gesandten zustehenden
Vorrechte und Befreiungen kommen ihnen, mangels besonderer
Vereinbarung, nicht zu. Ihre Rechtsstellung wird in den Ver-
trägen meist durch Aufzählung der ihnen gewährten Rechte und

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§ 15. Die Konsuln insbesondere.
c) Die Ausübung obrigkeitlicher Befugnisse, soweit ihnen diese
unter Genehmigung des Empfangsstaates übertragen sind.

Insbesondere pflegt den Konsuln in den Verträgen übertragen
zu werden:

α) die Aufnahme und Beglaubigung von Urkunden;
β) die Eheschlieſsung zwischen Staatsangehörigen;
γ) die Regelung des Nachlasses und die Sorge für die Hinter-
bliebenen der in ihrem Amtsbezirk gestorbenen Staatsange-
hörigen (darüber unten § 32 III);
δ) die Seepolizei; insbesondere die Verhaftung entwichener See-
leute, die Aufrechterhaltung der innern Ordnung an Bord
ihrer nationalen Handelsschiffe, die Regelung der Havarieen,
die Überwachung der Ausbesserung, Verproviantierung und
des Verkaufs gestrandeter oder gescheiterter Schiffe.

Dagegen bleibt ihnen die streitige Gerichtsbarkeit, insbesondere
auch die Vernehmung von Zeugen, von besonderen Vereinbarungen
abgesehen, entzogen.

Über die Befugnis der deutschen Konsuln vgl. Laband, Staatsrecht II 14.

3. Die Konsuln sind, im Unterschied von den Gesandten, nicht
„mit diplomatischem Charakter bekleidet“.

Sie sind mithin, von den ihnen übertragenen Funktionen ab-
gesehen, nicht Vertreter des Absendestaates. Das ist in den Ver-
trägen vielfach ausdrücklich ausgesprochen. Die Konsuln sind daher,
was ebenfalls in den Verträgen vielfach ausdrücklich hervorgehoben
zu werden pflegt, nicht befugt, sich unmittelbar an die Central-
behörde des Empfangsstaates zu wenden, sondern haben zu diesem
Zweck die Vermittlung des diplomatischen Vertreters ihres Ab-
sendestaates in Anspruch zu nehmen.

Die Konsuln sind daher auch von der Staatsgewalt des Em-
pfangsstaates nur soweit befreit, als dies zur ungehinderten Durch-
führung ihrer Aufgabe notwendig ist. Die den Gesandten zustehenden
Vorrechte und Befreiungen kommen ihnen, mangels besonderer
Vereinbarung, nicht zu. Ihre Rechtsstellung wird in den Ver-
trägen meist durch Aufzählung der ihnen gewährten Rechte und

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[83/0105] § 15. Die Konsuln insbesondere. c) Die Ausübung obrigkeitlicher Befugnisse, soweit ihnen diese unter Genehmigung des Empfangsstaates übertragen sind. Insbesondere pflegt den Konsuln in den Verträgen übertragen zu werden: α) die Aufnahme und Beglaubigung von Urkunden; β) die Eheschlieſsung zwischen Staatsangehörigen; γ) die Regelung des Nachlasses und die Sorge für die Hinter- bliebenen der in ihrem Amtsbezirk gestorbenen Staatsange- hörigen (darüber unten § 32 III); δ) die Seepolizei; insbesondere die Verhaftung entwichener See- leute, die Aufrechterhaltung der innern Ordnung an Bord ihrer nationalen Handelsschiffe, die Regelung der Havarieen, die Überwachung der Ausbesserung, Verproviantierung und des Verkaufs gestrandeter oder gescheiterter Schiffe. Dagegen bleibt ihnen die streitige Gerichtsbarkeit, insbesondere auch die Vernehmung von Zeugen, von besonderen Vereinbarungen abgesehen, entzogen. Über die Befugnis der deutschen Konsuln vgl. Laband, Staatsrecht II 14. 3. Die Konsuln sind, im Unterschied von den Gesandten, nicht „mit diplomatischem Charakter bekleidet“. Sie sind mithin, von den ihnen übertragenen Funktionen ab- gesehen, nicht Vertreter des Absendestaates. Das ist in den Ver- trägen vielfach ausdrücklich ausgesprochen. Die Konsuln sind daher, was ebenfalls in den Verträgen vielfach ausdrücklich hervorgehoben zu werden pflegt, nicht befugt, sich unmittelbar an die Central- behörde des Empfangsstaates zu wenden, sondern haben zu diesem Zweck die Vermittlung des diplomatischen Vertreters ihres Ab- sendestaates in Anspruch zu nehmen. Die Konsuln sind daher auch von der Staatsgewalt des Em- pfangsstaates nur soweit befreit, als dies zur ungehinderten Durch- führung ihrer Aufgabe notwendig ist. Die den Gesandten zustehenden Vorrechte und Befreiungen kommen ihnen, mangels besonderer Vereinbarung, nicht zu. Ihre Rechtsstellung wird in den Ver- trägen meist durch Aufzählung der ihnen gewährten Rechte und 6*

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/105>, abgerufen am 22.11.2024.