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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung.

2. Bei Erweiterungen des Strafrahmens wegen mil-
dernder oder erschwerender Umstände ist das Maximum des
erweiterten Strafrahmens für alle -- normale, leichtere,
schwerere -- Fälle maßgebend. Handelt es sich dagegen um
selbständige privilegirte oder qualifizirte Unterarten derselben
strafbaren Handlung, so sind die Strafrahmen sowohl des
Normalfalles, wie jene der Unterarten besonders ins Auge
zu fassen.9

3. Die reduzirten Strafrahmen bei Versuch, Beihilfe,
Jugend sind als Erweiterungen des normalen Strafrahmens
zu betrachten.

II. Das Verbrechen als Handlung.
§. 19.
Der Begriff der Handlung.1

I. Das Verbrechen ist wie das Delikt Handlung, d. h.
willkürliche körperliche Bewegung
. Genauer be-
stimmt: willkürliche, d. h. bewußte und durch Vorstel-
lungen bestimmte
körperliche Bewegung; oder die durch
einen psychischen Akt hervorgerufene, von der Vorstellung
ihres Inhaltes begleitete Muskelerregung. Das ist der
engere und eigentliche, immer im Auge zu behaltende Begriff
der Handlung. Ohne Handlung in diesem Sinne ist Delikt
wie Verbrechen undenkbar.

9 [Spaltenumbruch] Die Grenzlinie ist eine sehr
bestrittene. Die Milderung der
verwirkten Meineidstrafe nach
StGB. §§. 157 u. 158 gehört
nicht hieher.
1 [Spaltenumbruch] Vgl. zum Folgenden die[Spaltenumbruch] im psycholog. Teile ausgezeich-
neten Ausführungen von Zitel-
mann
Irrtum u. Rechtsgeschäft
1879. Treffliche Darstellung
schon bei Bekker Theorie des
Strafrechts.
Erſtes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung.

2. Bei Erweiterungen des Strafrahmens wegen mil-
dernder oder erſchwerender Umſtände iſt das Maximum des
erweiterten Strafrahmens für alle — normale, leichtere,
ſchwerere — Fälle maßgebend. Handelt es ſich dagegen um
ſelbſtändige privilegirte oder qualifizirte Unterarten derſelben
ſtrafbaren Handlung, ſo ſind die Strafrahmen ſowohl des
Normalfalles, wie jene der Unterarten beſonders ins Auge
zu faſſen.9

3. Die reduzirten Strafrahmen bei Verſuch, Beihilfe,
Jugend ſind als Erweiterungen des normalen Strafrahmens
zu betrachten.

II. Das Verbrechen als Handlung.
§. 19.
Der Begriff der Handlung.1

I. Das Verbrechen iſt wie das Delikt Handlung, d. h.
willkürliche körperliche Bewegung
. Genauer be-
ſtimmt: willkürliche, d. h. bewußte und durch Vorſtel-
lungen beſtimmte
körperliche Bewegung; oder die durch
einen pſychiſchen Akt hervorgerufene, von der Vorſtellung
ihres Inhaltes begleitete Muskelerregung. Das iſt der
engere und eigentliche, immer im Auge zu behaltende Begriff
der Handlung. Ohne Handlung in dieſem Sinne iſt Delikt
wie Verbrechen undenkbar.

9 [Spaltenumbruch] Die Grenzlinie iſt eine ſehr
beſtrittene. Die Milderung der
verwirkten Meineidſtrafe nach
StGB. §§. 157 u. 158 gehört
nicht hieher.
1 [Spaltenumbruch] Vgl. zum Folgenden die[Spaltenumbruch] im pſycholog. Teile ausgezeich-
neten Ausführungen von Zitel-
mann
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1879. Treffliche Darſtellung
ſchon bei Bekker Theorie des
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[70/0096] Erſtes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung. 2. Bei Erweiterungen des Strafrahmens wegen mil- dernder oder erſchwerender Umſtände iſt das Maximum des erweiterten Strafrahmens für alle — normale, leichtere, ſchwerere — Fälle maßgebend. Handelt es ſich dagegen um ſelbſtändige privilegirte oder qualifizirte Unterarten derſelben ſtrafbaren Handlung, ſo ſind die Strafrahmen ſowohl des Normalfalles, wie jene der Unterarten beſonders ins Auge zu faſſen. 9 3. Die reduzirten Strafrahmen bei Verſuch, Beihilfe, Jugend ſind als Erweiterungen des normalen Strafrahmens zu betrachten. II. Das Verbrechen als Handlung. §. 19. Der Begriff der Handlung. 1 I. Das Verbrechen iſt wie das Delikt Handlung, d. h. willkürliche körperliche Bewegung. Genauer be- ſtimmt: willkürliche, d. h. bewußte und durch Vorſtel- lungen beſtimmte körperliche Bewegung; oder die durch einen pſychiſchen Akt hervorgerufene, von der Vorſtellung ihres Inhaltes begleitete Muskelerregung. Das iſt der engere und eigentliche, immer im Auge zu behaltende Begriff der Handlung. Ohne Handlung in dieſem Sinne iſt Delikt wie Verbrechen undenkbar. 9 Die Grenzlinie iſt eine ſehr beſtrittene. Die Milderung der verwirkten Meineidſtrafe nach StGB. §§. 157 u. 158 gehört nicht hieher. 1 Vgl. zum Folgenden die im pſycholog. Teile ausgezeich- neten Ausführungen von Zitel- mann Irrtum u. Rechtsgeſchäft 1879. Treffliche Darſtellung ſchon bei Bekker Theorie des Strafrechts.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/96>, abgerufen am 28.03.2024.