angesetzt worden. Hier erklärte Justizminister Leonhardt im Auftrage der verbündeten Regierungen, daß diese von der Rücknahme mehrerer der in 2. Lesung gefaßten Beschlüsse das Zustandekommen des Gesetzes abhängig machten. In erster Linie handelte es sich um die Wiederherstellung der Todesstrafe. Das von Planck eingebrachte Amendement: "in denjenigen Bundesstaaten, in welchen die Todesstrafe gesetzlich bereits abgeschafft ist, bewendet es hiebei" führte zunächst zu einer Vertagung der weiteren Beratung, und dann (22. Mai) zu einem Beschlusse des Bundesrates, welcher das Amendement als die einheitliche Rechtsbildung in einem der wichtigsten Punkte beeinträchtigend für unan- nehmbar erklärte.
Am 23. Mai wurden die Beratungen wieder aufge- nommen. Planck zog sein Amendement zurück; nach einer großen Rede des Bundeskanzlers wurde die Wiederherstellung der Todesstrafe mit 127 gegen 110 Stimmen beschlossen Das Gesetz selbst gelangte mit den vom Bundesrate ge- wünschten Abänderungen am 25. Mai zur Annahme, erhielt am selben Tage die Genehmigung des Bundesrates, am 31. Mai 1870 mit dem Einführungsgesetze die Ausfertigung des Bundesoberhauptes, und wurde in der am 8. Juni 1870 ausgegebenen Nr. 16 des RGBl. als StGB. für den nord- deutschen Bund publiziert. Der Beginn seiner Wirksamkeit wurde auf den 1. Januar 1871 festgesetzt.
IV. Noch war jener Termin nicht herangekommen, als das deutsche Reich gegründet, und damit die Umwandlung des norddeutschen in das Reichsstrafgesetzbuch angebahnt wurde.
1. Nach Art. 80 der zunächst mit Baden und Hessen am 15. November 1870 vereinbarten Verfassung des deut-
von Liszt, Strafrecht. 3
Das Reichsſtrafgeſetzbuch. §. 8.
angeſetzt worden. Hier erklärte Juſtizminiſter Leonhardt im Auftrage der verbündeten Regierungen, daß dieſe von der Rücknahme mehrerer der in 2. Leſung gefaßten Beſchlüſſe das Zuſtandekommen des Geſetzes abhängig machten. In erſter Linie handelte es ſich um die Wiederherſtellung der Todesſtrafe. Das von Planck eingebrachte Amendement: „in denjenigen Bundesſtaaten, in welchen die Todesſtrafe geſetzlich bereits abgeſchafft iſt, bewendet es hiebei“ führte zunächſt zu einer Vertagung der weiteren Beratung, und dann (22. Mai) zu einem Beſchluſſe des Bundesrates, welcher das Amendement als die einheitliche Rechtsbildung in einem der wichtigſten Punkte beeinträchtigend für unan- nehmbar erklärte.
Am 23. Mai wurden die Beratungen wieder aufge- nommen. Planck zog ſein Amendement zurück; nach einer großen Rede des Bundeskanzlers wurde die Wiederherſtellung der Todesſtrafe mit 127 gegen 110 Stimmen beſchloſſen Das Geſetz ſelbſt gelangte mit den vom Bundesrate ge- wünſchten Abänderungen am 25. Mai zur Annahme, erhielt am ſelben Tage die Genehmigung des Bundesrates, am 31. Mai 1870 mit dem Einführungsgeſetze die Ausfertigung des Bundesoberhauptes, und wurde in der am 8. Juni 1870 ausgegebenen Nr. 16 des RGBl. als StGB. für den nord- deutſchen Bund publiziert. Der Beginn ſeiner Wirkſamkeit wurde auf den 1. Januar 1871 feſtgeſetzt.
IV. Noch war jener Termin nicht herangekommen, als das deutſche Reich gegründet, und damit die Umwandlung des norddeutſchen in das Reichsſtrafgeſetzbuch angebahnt wurde.
1. Nach Art. 80 der zunächſt mit Baden und Heſſen am 15. November 1870 vereinbarten Verfaſſung des deut-
von Liszt, Strafrecht. 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0059"n="33"/><fwplace="top"type="header">Das Reichsſtrafgeſetzbuch. §. 8.</fw><lb/>
angeſetzt worden. Hier erklärte Juſtizminiſter <hirendition="#g">Leonhardt</hi><lb/>
im Auftrage der verbündeten Regierungen, daß dieſe von<lb/>
der Rücknahme mehrerer der in 2. Leſung gefaßten Beſchlüſſe<lb/>
das Zuſtandekommen des Geſetzes abhängig machten. In<lb/>
erſter Linie handelte es ſich um die Wiederherſtellung der<lb/>
Todesſtrafe. Das von <hirendition="#g">Planck</hi> eingebrachte Amendement:<lb/>„in denjenigen Bundesſtaaten, in welchen die Todesſtrafe<lb/>
geſetzlich bereits abgeſchafft iſt, bewendet es hiebei“ führte<lb/>
zunächſt zu einer Vertagung der weiteren Beratung, und<lb/>
dann (22. Mai) zu einem Beſchluſſe des Bundesrates,<lb/>
welcher das Amendement als die einheitliche Rechtsbildung<lb/>
in einem der wichtigſten Punkte beeinträchtigend für unan-<lb/>
nehmbar erklärte.</p><lb/><p>Am 23. Mai wurden die Beratungen wieder aufge-<lb/>
nommen. <hirendition="#g">Planck</hi> zog ſein Amendement zurück; nach einer<lb/>
großen Rede des Bundeskanzlers wurde die Wiederherſtellung<lb/>
der Todesſtrafe mit 127 gegen 110 Stimmen beſchloſſen<lb/>
Das Geſetz ſelbſt gelangte mit den vom Bundesrate ge-<lb/>
wünſchten Abänderungen am 25. Mai zur Annahme, erhielt<lb/>
am ſelben Tage die Genehmigung des Bundesrates, am<lb/>
31. Mai 1870 mit dem Einführungsgeſetze die Ausfertigung<lb/>
des Bundesoberhauptes, und wurde in der am 8. Juni 1870<lb/>
ausgegebenen Nr. 16 des RGBl. als StGB. für den nord-<lb/>
deutſchen Bund publiziert. Der Beginn ſeiner Wirkſamkeit<lb/>
wurde auf den 1. Januar 1871 feſtgeſetzt.</p><lb/><p><hirendition="#aq">IV.</hi> Noch war jener Termin nicht herangekommen, als<lb/>
das <hirendition="#g">deutſche Reich</hi> gegründet, und damit die Umwandlung<lb/>
des <hirendition="#g">norddeutſchen</hi> in das <hirendition="#g">Reichs</hi>ſtrafgeſetzbuch angebahnt<lb/>
wurde.</p><lb/><p>1. Nach Art. 80 der zunächſt mit Baden und Heſſen<lb/>
am 15. November 1870 vereinbarten Verfaſſung des deut-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">von Liszt</hi>, Strafrecht. 3</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[33/0059]
Das Reichsſtrafgeſetzbuch. §. 8.
angeſetzt worden. Hier erklärte Juſtizminiſter Leonhardt
im Auftrage der verbündeten Regierungen, daß dieſe von
der Rücknahme mehrerer der in 2. Leſung gefaßten Beſchlüſſe
das Zuſtandekommen des Geſetzes abhängig machten. In
erſter Linie handelte es ſich um die Wiederherſtellung der
Todesſtrafe. Das von Planck eingebrachte Amendement:
„in denjenigen Bundesſtaaten, in welchen die Todesſtrafe
geſetzlich bereits abgeſchafft iſt, bewendet es hiebei“ führte
zunächſt zu einer Vertagung der weiteren Beratung, und
dann (22. Mai) zu einem Beſchluſſe des Bundesrates,
welcher das Amendement als die einheitliche Rechtsbildung
in einem der wichtigſten Punkte beeinträchtigend für unan-
nehmbar erklärte.
Am 23. Mai wurden die Beratungen wieder aufge-
nommen. Planck zog ſein Amendement zurück; nach einer
großen Rede des Bundeskanzlers wurde die Wiederherſtellung
der Todesſtrafe mit 127 gegen 110 Stimmen beſchloſſen
Das Geſetz ſelbſt gelangte mit den vom Bundesrate ge-
wünſchten Abänderungen am 25. Mai zur Annahme, erhielt
am ſelben Tage die Genehmigung des Bundesrates, am
31. Mai 1870 mit dem Einführungsgeſetze die Ausfertigung
des Bundesoberhauptes, und wurde in der am 8. Juni 1870
ausgegebenen Nr. 16 des RGBl. als StGB. für den nord-
deutſchen Bund publiziert. Der Beginn ſeiner Wirkſamkeit
wurde auf den 1. Januar 1871 feſtgeſetzt.
IV. Noch war jener Termin nicht herangekommen, als
das deutſche Reich gegründet, und damit die Umwandlung
des norddeutſchen in das Reichsſtrafgeſetzbuch angebahnt
wurde.
1. Nach Art. 80 der zunächſt mit Baden und Heſſen
am 15. November 1870 vereinbarten Verfaſſung des deut-
von Liszt, Strafrecht. 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/59>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.