Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch. II. Delikte gegen die Staatsgewalt etc.
zur Vollstreckung von Gesetzen, von Befehlen und Anord-
nungen der Verwaltungsbehörden, oder von Urteilen oder
Verfügungen der Gerichte berufen, und in der rechtmäßigen
Ausübung seines Amtes begriffen ist (StGB. §. 113).

Der Begriff des Beamten ist aus dem oben §. 92 I 2
Gesagten zu entnehmen; doch stellt das Gesetz (StGB. §. 113
Abs. 3) den Beamten gleich: jene Personen, welche zur Unter-
stützung des Beamten zugezogen waren; Mannschaften der
bewaffneten Macht; endlich Mannschaften einer Gemeinde-,
Schutz- oder Bürgerwehr.

Die Amtsausübung muß eine rechtmäßige sein; sie ist
es, wenn die Amtshandlung nicht nur innerhalb der Grenzen
der allgemeinen Zuständigkeit des Beamten sich bewegt, son-
dern auch im Einzelfalle ihre Vornahme bei pflichtgemäßer
Berücksichtigung der dem Beamten im Augenblicke vorliegenden
Umstände als geboten erscheint, mag sie sich auch nachträglich,
bei Klärung der Sachlage, als überflüssig oder sogar unge-
rechtfertigt darstellen.4

Irrige Annahme der Rechtmäßigkeit von Seiten des
Beamten kann den Mangel derselben nicht ersetzen.

Da das Vergehen des §. 113 StGB. nur vorsätzlich be-
gangen werden kann, ist das Bewußtsein des Thäters von
der Rechtmäßigkeit der Amtsausübung unerläßlich;5 sein
Mangel, sollte er auch auf grober Fahrlässigkeit beruhen,
schließt die Strafbarkeit des Widerstandes aus.

Strafe: Gefängnis von 14 Tagen bis zu 2 Jahren;
bei mildernden Umständen Gefängnis bis zu einem Jahre oder
Geldstrafe bis zu 1000 Mark.6

4 [Spaltenumbruch] Kasuistik: RGR. 5. De-
zember 1879, E I 26, R I 116;
RGR. 3. Juni 1880, E II 82.
5 [Spaltenumbruch] Dagegen RGR. 22. April
1880, R I 642.
6 [Spaltenumbruch] Besondere Bestimmungen

Viertes Buch. II. Delikte gegen die Staatsgewalt ꝛc.
zur Vollſtreckung von Geſetzen, von Befehlen und Anord-
nungen der Verwaltungsbehörden, oder von Urteilen oder
Verfügungen der Gerichte berufen, und in der rechtmäßigen
Ausübung ſeines Amtes begriffen iſt (StGB. §. 113).

Der Begriff des Beamten iſt aus dem oben §. 92 I 2
Geſagten zu entnehmen; doch ſtellt das Geſetz (StGB. §. 113
Abſ. 3) den Beamten gleich: jene Perſonen, welche zur Unter-
ſtützung des Beamten zugezogen waren; Mannſchaften der
bewaffneten Macht; endlich Mannſchaften einer Gemeinde-,
Schutz- oder Bürgerwehr.

Die Amtsausübung muß eine rechtmäßige ſein; ſie iſt
es, wenn die Amtshandlung nicht nur innerhalb der Grenzen
der allgemeinen Zuſtändigkeit des Beamten ſich bewegt, ſon-
dern auch im Einzelfalle ihre Vornahme bei pflichtgemäßer
Berückſichtigung der dem Beamten im Augenblicke vorliegenden
Umſtände als geboten erſcheint, mag ſie ſich auch nachträglich,
bei Klärung der Sachlage, als überflüſſig oder ſogar unge-
rechtfertigt darſtellen.4

Irrige Annahme der Rechtmäßigkeit von Seiten des
Beamten kann den Mangel derſelben nicht erſetzen.

Da das Vergehen des §. 113 StGB. nur vorſätzlich be-
gangen werden kann, iſt das Bewußtſein des Thäters von
der Rechtmäßigkeit der Amtsausübung unerläßlich;5 ſein
Mangel, ſollte er auch auf grober Fahrläſſigkeit beruhen,
ſchließt die Strafbarkeit des Widerſtandes aus.

Strafe: Gefängnis von 14 Tagen bis zu 2 Jahren;
bei mildernden Umſtänden Gefängnis bis zu einem Jahre oder
Geldſtrafe bis zu 1000 Mark.6

4 [Spaltenumbruch] Kaſuiſtik: RGR. 5. De-
zember 1879, E I 26, R I 116;
RGR. 3. Juni 1880, E II 82.
5 [Spaltenumbruch] Dagegen RGR. 22. April
1880, R I 642.
6 [Spaltenumbruch] Beſondere Beſtimmungen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0434" n="408"/><fw place="top" type="header">Viertes Buch. <hi rendition="#aq">II.</hi> Delikte gegen die Staatsgewalt &#xA75B;c.</fw><lb/>
zur Voll&#x017F;treckung von Ge&#x017F;etzen, von Befehlen und Anord-<lb/>
nungen der Verwaltungsbehörden, oder von Urteilen oder<lb/>
Verfügungen der Gerichte berufen, und in der rechtmäßigen<lb/>
Ausübung &#x017F;eines Amtes begriffen i&#x017F;t (StGB. §. 113).</p><lb/>
                <p>Der Begriff des Beamten i&#x017F;t aus dem oben §. 92 <hi rendition="#aq">I</hi> 2<lb/>
Ge&#x017F;agten zu entnehmen; doch &#x017F;tellt das Ge&#x017F;etz (StGB. §. 113<lb/>
Ab&#x017F;. 3) den Beamten gleich: jene Per&#x017F;onen, welche zur Unter-<lb/>
&#x017F;tützung des Beamten zugezogen waren; Mann&#x017F;chaften der<lb/>
bewaffneten Macht; endlich Mann&#x017F;chaften einer Gemeinde-,<lb/>
Schutz- oder Bürgerwehr.</p><lb/>
                <p>Die Amtsausübung muß eine <hi rendition="#g">rechtmäßige</hi> &#x017F;ein; &#x017F;ie i&#x017F;t<lb/>
es, wenn die Amtshandlung nicht nur innerhalb der Grenzen<lb/>
der allgemeinen Zu&#x017F;tändigkeit des Beamten &#x017F;ich bewegt, &#x017F;on-<lb/>
dern auch im Einzelfalle ihre Vornahme bei pflichtgemäßer<lb/>
Berück&#x017F;ichtigung der dem Beamten im Augenblicke vorliegenden<lb/>
Um&#x017F;tände als geboten er&#x017F;cheint, mag &#x017F;ie &#x017F;ich auch nachträglich,<lb/>
bei Klärung der Sachlage, als überflü&#x017F;&#x017F;ig oder &#x017F;ogar unge-<lb/>
rechtfertigt dar&#x017F;tellen.<note place="foot" n="4"><cb/>
Ka&#x017F;ui&#x017F;tik: RGR. 5. De-<lb/>
zember 1879, <hi rendition="#aq">E I</hi> 26, <hi rendition="#aq">R I</hi> 116;<lb/>
RGR. 3. Juni 1880, <hi rendition="#aq">E II</hi> 82.</note></p><lb/>
                <p>Irrige Annahme der Rechtmäßigkeit von Seiten des<lb/>
Beamten kann den Mangel der&#x017F;elben nicht er&#x017F;etzen.</p><lb/>
                <p>Da das Vergehen des §. 113 StGB. nur vor&#x017F;ätzlich be-<lb/>
gangen werden kann, i&#x017F;t das <hi rendition="#g">Bewußt&#x017F;ein</hi> des Thäters von<lb/>
der Rechtmäßigkeit der Amtsausübung unerläßlich;<note place="foot" n="5"><cb/>
Dagegen RGR. 22. April<lb/>
1880, <hi rendition="#aq">R I</hi> 642.</note> &#x017F;ein<lb/>
Mangel, &#x017F;ollte er auch auf grober Fahrlä&#x017F;&#x017F;igkeit beruhen,<lb/>
&#x017F;chließt die Strafbarkeit des Wider&#x017F;tandes aus.</p><lb/>
                <p><hi rendition="#g">Strafe</hi>: Gefängnis von 14 Tagen bis zu 2 Jahren;<lb/>
bei mildernden Um&#x017F;tänden Gefängnis bis zu einem Jahre oder<lb/>
Geld&#x017F;trafe bis zu 1000 Mark.<note xml:id="seg2pn_5_1" next="#seg2pn_5_2" place="foot" n="6"><cb/>
Be&#x017F;ondere Be&#x017F;timmungen</note></p><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[408/0434] Viertes Buch. II. Delikte gegen die Staatsgewalt ꝛc. zur Vollſtreckung von Geſetzen, von Befehlen und Anord- nungen der Verwaltungsbehörden, oder von Urteilen oder Verfügungen der Gerichte berufen, und in der rechtmäßigen Ausübung ſeines Amtes begriffen iſt (StGB. §. 113). Der Begriff des Beamten iſt aus dem oben §. 92 I 2 Geſagten zu entnehmen; doch ſtellt das Geſetz (StGB. §. 113 Abſ. 3) den Beamten gleich: jene Perſonen, welche zur Unter- ſtützung des Beamten zugezogen waren; Mannſchaften der bewaffneten Macht; endlich Mannſchaften einer Gemeinde-, Schutz- oder Bürgerwehr. Die Amtsausübung muß eine rechtmäßige ſein; ſie iſt es, wenn die Amtshandlung nicht nur innerhalb der Grenzen der allgemeinen Zuſtändigkeit des Beamten ſich bewegt, ſon- dern auch im Einzelfalle ihre Vornahme bei pflichtgemäßer Berückſichtigung der dem Beamten im Augenblicke vorliegenden Umſtände als geboten erſcheint, mag ſie ſich auch nachträglich, bei Klärung der Sachlage, als überflüſſig oder ſogar unge- rechtfertigt darſtellen. 4 Irrige Annahme der Rechtmäßigkeit von Seiten des Beamten kann den Mangel derſelben nicht erſetzen. Da das Vergehen des §. 113 StGB. nur vorſätzlich be- gangen werden kann, iſt das Bewußtſein des Thäters von der Rechtmäßigkeit der Amtsausübung unerläßlich; 5 ſein Mangel, ſollte er auch auf grober Fahrläſſigkeit beruhen, ſchließt die Strafbarkeit des Widerſtandes aus. Strafe: Gefängnis von 14 Tagen bis zu 2 Jahren; bei mildernden Umſtänden Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldſtrafe bis zu 1000 Mark. 6 4 Kaſuiſtik: RGR. 5. De- zember 1879, E I 26, R I 116; RGR. 3. Juni 1880, E II 82. 5 Dagegen RGR. 22. April 1880, R I 642. 6 Beſondere Beſtimmungen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/434
Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/434>, abgerufen am 21.11.2024.