Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.Die Strafrechtstheorien. § 6. Schutze der Rechtsordnung; mit der Unentbehrlichkeit undTauglichkeit des Mittels ist ihnen die Rechtfertigung des staatlichen Strafrechts gegeben. Punitur ne peccetur; der Dieb wird gehängt, nicht weil er gestohlen hat, sondern damit nicht gestohlen werde. Einig in diesem Grundgedanken, weichen die hieher gehörigen Theorien von einander ab in Bezug auf die Funktion, die sie der Strafe zuweisen. 1. Nach der alten, heute allgemein aufgegebenen, Ab- 2. Dagegen will die Theorie des psychischen Zwan- Eine Abart derselben ist die Warnungstheorie von Liszt, Strafrecht. 2
Die Strafrechtstheorien. § 6. Schutze der Rechtsordnung; mit der Unentbehrlichkeit undTauglichkeit des Mittels iſt ihnen die Rechtfertigung des ſtaatlichen Strafrechts gegeben. Punitur ne peccetur; der Dieb wird gehängt, nicht weil er geſtohlen hat, ſondern damit nicht geſtohlen werde. Einig in dieſem Grundgedanken, weichen die hieher gehörigen Theorien von einander ab in Bezug auf die Funktion, die ſie der Strafe zuweiſen. 1. Nach der alten, heute allgemein aufgegebenen, Ab- 2. Dagegen will die Theorie des pſychiſchen Zwan- Eine Abart derſelben iſt die Warnungstheorie von Liszt, Strafrecht. 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0043" n="17"/><fw place="top" type="header">Die Strafrechtstheorien. § 6.</fw><lb/> Schutze der Rechtsordnung; mit der Unentbehrlichkeit und<lb/> Tauglichkeit des Mittels iſt ihnen die Rechtfertigung des<lb/> ſtaatlichen Strafrechts gegeben. <hi rendition="#aq">Punitur ne peccetur;</hi> der<lb/> Dieb wird gehängt, nicht weil er geſtohlen hat, ſondern damit<lb/> nicht geſtohlen werde. Einig in dieſem Grundgedanken,<lb/> weichen die hieher gehörigen Theorien von einander ab in<lb/> Bezug auf die Funktion, die ſie der Strafe zuweiſen.</p><lb/> <p>1. Nach der <hi rendition="#g">alten</hi>, heute allgemein aufgegebenen, <hi rendition="#g">Ab-<lb/> ſchreckungstheorie</hi> iſt es die <hi rendition="#g">Vollziehung</hi> der Strafe,<lb/> welche, durch ihre <hi rendition="#g">abſchreckende</hi> Wirkung auf die <hi rendition="#g">Ge-<lb/> ſammtheit der Staatsbürger</hi> der künftigen Begehung<lb/> von Verbrechen entgegenwirken ſoll.</p><lb/> <p>2. Dagegen will die <hi rendition="#g">Theorie des pſychiſchen Zwan-<lb/> ges</hi> dasſelbe Ziel durch die <hi rendition="#g">Androhung</hi> der Strafe er-<lb/> reichen. Die von dem Geſetze wachzurufende Vorſtellung des<lb/> den Verbrecher erwartenden <hi rendition="#g">Strafübels</hi> ſoll der Vor-<lb/> ſtellung der <hi rendition="#g">Luſt</hi>, welche ſich der Begehrende von der Be-<lb/> gehung des Verbrechens verſpricht, gegenübertreten, das zu<lb/> dem Verbrechen treibende Motiv ſoll durch ein <hi rendition="#g">Gegen-</hi><lb/> motiv von gleicher Stärke in ſeiner motivirenden Kraft ge-<lb/> hemmt werden. Schon von <hi rendition="#g">Ariſtoteles</hi> angedeutet, von<lb/><hi rendition="#g">Hobbes</hi> (<hi rendition="#aq">de cive</hi> 1643, <hi rendition="#aq">Leviathan</hi> 1651) vollſtändig ent-<lb/> wickelt, von <hi rendition="#g">Sonnenfels</hi> und anderen Schriftſtellern der<lb/> Aufklärungszeit vertreten, hat dieſer Gedanke in Anſelm<lb/><hi rendition="#g">Feuerbach</hi> (1775—1833) den glänzendſten und einfluß-<lb/> reichſten Vorkämpfer gefunden, ſo daß die Theorie ſelbſt wol<lb/> als die Feuerbach’ſche bezeichnet wird.</p><lb/> <p>Eine Abart derſelben iſt die <hi rendition="#g">Warnungstheorie<lb/> Bauer’s</hi> (1830), nach welcher ſich die Strafdrohung nicht<lb/> nur an die ſinnliche, ſondern auch an die ſittliche Natur des<lb/> Menſchen wendet.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">von Liszt</hi>, Strafrecht. 2</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0043]
Die Strafrechtstheorien. § 6.
Schutze der Rechtsordnung; mit der Unentbehrlichkeit und
Tauglichkeit des Mittels iſt ihnen die Rechtfertigung des
ſtaatlichen Strafrechts gegeben. Punitur ne peccetur; der
Dieb wird gehängt, nicht weil er geſtohlen hat, ſondern damit
nicht geſtohlen werde. Einig in dieſem Grundgedanken,
weichen die hieher gehörigen Theorien von einander ab in
Bezug auf die Funktion, die ſie der Strafe zuweiſen.
1. Nach der alten, heute allgemein aufgegebenen, Ab-
ſchreckungstheorie iſt es die Vollziehung der Strafe,
welche, durch ihre abſchreckende Wirkung auf die Ge-
ſammtheit der Staatsbürger der künftigen Begehung
von Verbrechen entgegenwirken ſoll.
2. Dagegen will die Theorie des pſychiſchen Zwan-
ges dasſelbe Ziel durch die Androhung der Strafe er-
reichen. Die von dem Geſetze wachzurufende Vorſtellung des
den Verbrecher erwartenden Strafübels ſoll der Vor-
ſtellung der Luſt, welche ſich der Begehrende von der Be-
gehung des Verbrechens verſpricht, gegenübertreten, das zu
dem Verbrechen treibende Motiv ſoll durch ein Gegen-
motiv von gleicher Stärke in ſeiner motivirenden Kraft ge-
hemmt werden. Schon von Ariſtoteles angedeutet, von
Hobbes (de cive 1643, Leviathan 1651) vollſtändig ent-
wickelt, von Sonnenfels und anderen Schriftſtellern der
Aufklärungszeit vertreten, hat dieſer Gedanke in Anſelm
Feuerbach (1775—1833) den glänzendſten und einfluß-
reichſten Vorkämpfer gefunden, ſo daß die Theorie ſelbſt wol
als die Feuerbach’ſche bezeichnet wird.
Eine Abart derſelben iſt die Warnungstheorie
Bauer’s (1830), nach welcher ſich die Strafdrohung nicht
nur an die ſinnliche, ſondern auch an die ſittliche Natur des
Menſchen wendet.
von Liszt, Strafrecht. 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |