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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Delikte gegen die persönliche Freiheit. §. 63.
sobald die Gewalt der Machthaber gebrochen und eine
fremde Gewalt begründet ist; der Versuch beginnt mit dem
ersten dieser beiden Stadien. Strafe: regelmäßig Gefängnis;
wenn die Handlung in der Absicht geschieht (Absicht gleich
erweiterter Vorsatz oben §. 28 III), die Person zum Betteln
oder zu gewinnsüchtigen oder unsittlichen Zwecken oder Be-
schäftigungen zu gebrauchen, Zuchthaus bis zu 10 Jahren.

3. Frauenraub oder Entführung8 (StGB. §§. 236 bis
238), charakterisiert einerseits durch das Objekt, andrerseits
durch die geschlechtliche Absicht. Das Gesetz unterscheidet
zwei Arten:

a) Entführung der Frauensperson gegen ihren Willen
durch List, Drohung, Gewalt, um sie entweder zur
Unzucht (Strafe: Zuchthaus bis zu 10 Jahren) oder zur
Ehe zu bringen (Strafe: Gefängnis). Absicht auch
hier gleich erweiterter Vorsatz (oben §. 28 III). Voll-
endet
mit der Begründung der Herrschaft des Ent-
ührers (StGB. §. 236).
b) Entführung einer minderjährigen, unverehelich-
ten
Frauensperson mit ihrem Willen, aber ohne
Einwilligung der Eltern oder des Vormun-
des
, um sie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen.
Strafe: Gefängnis. Auch ist hier die persönliche
Freiheit der Entführten das angegriffene Rechtsgut;9
daran wird durch den Umstand nichts geändert, daß
die Disposition über das Rechtsgut einer andern
Person als dem Träger desselben zusteht. Auch der
Diebstahl ändert seinen Charakter nicht, wenn er mit
Einwilligung des nicht verfügungsfähigen Eigentümers
8 [Spaltenumbruch] Vgl. Wahlberg H. R.
"Entführung".
9 [Spaltenumbruch] Bestritten.

Delikte gegen die perſönliche Freiheit. §. 63.
ſobald die Gewalt der Machthaber gebrochen und eine
fremde Gewalt begründet iſt; der Verſuch beginnt mit dem
erſten dieſer beiden Stadien. Strafe: regelmäßig Gefängnis;
wenn die Handlung in der Abſicht geſchieht (Abſicht gleich
erweiterter Vorſatz oben §. 28 III), die Perſon zum Betteln
oder zu gewinnſüchtigen oder unſittlichen Zwecken oder Be-
ſchäftigungen zu gebrauchen, Zuchthaus bis zu 10 Jahren.

3. Frauenraub oder Entführung8 (StGB. §§. 236 bis
238), charakteriſiert einerſeits durch das Objekt, andrerſeits
durch die geſchlechtliche Abſicht. Das Geſetz unterſcheidet
zwei Arten:

a) Entführung der Frauensperſon gegen ihren Willen
durch Liſt, Drohung, Gewalt, um ſie entweder zur
Unzucht (Strafe: Zuchthaus bis zu 10 Jahren) oder zur
Ehe zu bringen (Strafe: Gefängnis). Abſicht auch
hier gleich erweiterter Vorſatz (oben §. 28 III). Voll-
endet
mit der Begründung der Herrſchaft des Ent-
ührers (StGB. §. 236).
b) Entführung einer minderjährigen, unverehelich-
ten
Frauensperſon mit ihrem Willen, aber ohne
Einwilligung der Eltern oder des Vormun-
des
, um ſie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen.
Strafe: Gefängnis. Auch iſt hier die perſönliche
Freiheit der Entführten das angegriffene Rechtsgut;9
daran wird durch den Umſtand nichts geändert, daß
die Dispoſition über das Rechtsgut einer andern
Perſon als dem Träger desſelben zuſteht. Auch der
Diebſtahl ändert ſeinen Charakter nicht, wenn er mit
Einwilligung des nicht verfügungsfähigen Eigentümers
8 [Spaltenumbruch] Vgl. Wahlberg H. R.
„Entführung“.
9 [Spaltenumbruch] Beſtritten.
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[255/0281] Delikte gegen die perſönliche Freiheit. §. 63. ſobald die Gewalt der Machthaber gebrochen und eine fremde Gewalt begründet iſt; der Verſuch beginnt mit dem erſten dieſer beiden Stadien. Strafe: regelmäßig Gefängnis; wenn die Handlung in der Abſicht geſchieht (Abſicht gleich erweiterter Vorſatz oben §. 28 III), die Perſon zum Betteln oder zu gewinnſüchtigen oder unſittlichen Zwecken oder Be- ſchäftigungen zu gebrauchen, Zuchthaus bis zu 10 Jahren. 3. Frauenraub oder Entführung 8 (StGB. §§. 236 bis 238), charakteriſiert einerſeits durch das Objekt, andrerſeits durch die geſchlechtliche Abſicht. Das Geſetz unterſcheidet zwei Arten: a) Entführung der Frauensperſon gegen ihren Willen durch Liſt, Drohung, Gewalt, um ſie entweder zur Unzucht (Strafe: Zuchthaus bis zu 10 Jahren) oder zur Ehe zu bringen (Strafe: Gefängnis). Abſicht auch hier gleich erweiterter Vorſatz (oben §. 28 III). Voll- endet mit der Begründung der Herrſchaft des Ent- ührers (StGB. §. 236). b) Entführung einer minderjährigen, unverehelich- ten Frauensperſon mit ihrem Willen, aber ohne Einwilligung der Eltern oder des Vormun- des, um ſie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen. Strafe: Gefängnis. Auch iſt hier die perſönliche Freiheit der Entführten das angegriffene Rechtsgut; 9 daran wird durch den Umſtand nichts geändert, daß die Dispoſition über das Rechtsgut einer andern Perſon als dem Träger desſelben zuſteht. Auch der Diebſtahl ändert ſeinen Charakter nicht, wenn er mit Einwilligung des nicht verfügungsfähigen Eigentümers 8 Vgl. Wahlberg H. R. „Entführung“. 9 Beſtritten.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/281>, abgerufen am 24.11.2024.