Mit dem Beibringen ist das Verbrechen vollendet; etwaige Anwendung von Gegengiften schließt daher die Be- strafung aus §. 229 StGB. nicht aus.
Strafe: regelmäßig Zuchthaus bis zu 10 Jahren; wenn durch die Handlung eine schwere Körperverletzung (StGB. §. 224) verursacht worden, Zuchthaus nicht unter 5 Jahren; wenn der Tod verursacht worden, Zuchthaus nicht unter 10 Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. Auch hier ist (vgl. oben §. 27 II a. E.) der höhere Strafsatz lediglich durch den Eintritt der, wenn auch weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführten, schweren Erfolge bedingt; bei Nichteintritt derselben, auch wenn sie beabsichtigt waren, daher der einfache Strafsatz anzuwenden (vgl. oben §. 32 IV 1).
Auf Buße ist in allen Fällen der Vergiftung zu erkennen (StGB. §. 231), auch wenn eine Körperverletzung nicht ein- getreten ist (vgl. oben §. 52 II).
III.Die Abtreibung5 (StGB. §§. 218--220) setzt als Objekt eine noch nicht geborene Leibesfrucht (vgl. oben §. 60 I 4) voraus, und umfaßt zwei wesentlich verschiedene Thatbestände:
1. Die Abtreibung im engeren Sinne, nämlich das (rechtswidrige) Bewirken einer Frühgeburt, mag auch die Absicht des Thäters nicht auf Tötung der Leibesfrucht ge- richtet gewesen sein;6
2. die Tötung der Frucht im Mutterleibe.
Das Gesetz schützt in den Strafparagraphen gegen Ab- treibung in erster Linie die Existenz des Embryo, in zweiter
5[Spaltenumbruch]
Lit. bei Meyer S. 393 Note 1. Dazu Kornfeld in H. R. "Abtreibung".
6[Spaltenumbruch]
Bestritten.
16*
Gefährdung von Leib und Leben. §. 62.
Mit dem Beibringen iſt das Verbrechen vollendet; etwaige Anwendung von Gegengiften ſchließt daher die Be- ſtrafung aus §. 229 StGB. nicht aus.
Strafe: regelmäßig Zuchthaus bis zu 10 Jahren; wenn durch die Handlung eine ſchwere Körperverletzung (StGB. §. 224) verurſacht worden, Zuchthaus nicht unter 5 Jahren; wenn der Tod verurſacht worden, Zuchthaus nicht unter 10 Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. Auch hier iſt (vgl. oben §. 27 II a. E.) der höhere Strafſatz lediglich durch den Eintritt der, wenn auch weder vorſätzlich noch fahrläſſig herbeigeführten, ſchweren Erfolge bedingt; bei Nichteintritt derſelben, auch wenn ſie beabſichtigt waren, daher der einfache Strafſatz anzuwenden (vgl. oben §. 32 IV 1).
Auf Buße iſt in allen Fällen der Vergiftung zu erkennen (StGB. §. 231), auch wenn eine Körperverletzung nicht ein- getreten iſt (vgl. oben §. 52 II).
III.Die Abtreibung5 (StGB. §§. 218—220) ſetzt als Objekt eine noch nicht geborene Leibesfrucht (vgl. oben §. 60 I 4) voraus, und umfaßt zwei weſentlich verſchiedene Thatbeſtände:
1. Die Abtreibung im engeren Sinne, nämlich das (rechtswidrige) Bewirken einer Frühgeburt, mag auch die Abſicht des Thäters nicht auf Tötung der Leibesfrucht ge- richtet geweſen ſein;6
2. die Tötung der Frucht im Mutterleibe.
Das Geſetz ſchützt in den Strafparagraphen gegen Ab- treibung in erſter Linie die Exiſtenz des Embryo, in zweiter
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Lit. bei Meyer S. 393 Note 1. Dazu Kornfeld in H. R. „Abtreibung“.
6[Spaltenumbruch]
Beſtritten.
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Gefährdung von Leib und Leben. §. 62.
Mit dem Beibringen iſt das Verbrechen vollendet;
etwaige Anwendung von Gegengiften ſchließt daher die Be-
ſtrafung aus §. 229 StGB. nicht aus.
Strafe: regelmäßig Zuchthaus bis zu 10 Jahren; wenn
durch die Handlung eine ſchwere Körperverletzung (StGB.
§. 224) verurſacht worden, Zuchthaus nicht unter 5 Jahren;
wenn der Tod verurſacht worden, Zuchthaus nicht unter
10 Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. Auch hier iſt
(vgl. oben §. 27 II a. E.) der höhere Strafſatz lediglich
durch den Eintritt der, wenn auch weder vorſätzlich noch
fahrläſſig herbeigeführten, ſchweren Erfolge bedingt; bei
Nichteintritt derſelben, auch wenn ſie beabſichtigt waren,
daher der einfache Strafſatz anzuwenden (vgl. oben §. 32
IV 1).
Auf Buße iſt in allen Fällen der Vergiftung zu erkennen
(StGB. §. 231), auch wenn eine Körperverletzung nicht ein-
getreten iſt (vgl. oben §. 52 II).
III. Die Abtreibung 5 (StGB. §§. 218—220) ſetzt
als Objekt eine noch nicht geborene Leibesfrucht (vgl. oben
§. 60 I 4) voraus, und umfaßt zwei weſentlich verſchiedene
Thatbeſtände:
1. Die Abtreibung im engeren Sinne, nämlich das
(rechtswidrige) Bewirken einer Frühgeburt, mag auch die
Abſicht des Thäters nicht auf Tötung der Leibesfrucht ge-
richtet geweſen ſein; 6
2. die Tötung der Frucht im Mutterleibe.
Das Geſetz ſchützt in den Strafparagraphen gegen Ab-
treibung in erſter Linie die Exiſtenz des Embryo, in zweiter
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Note 1. Dazu Kornfeld in
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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/269>, abgerufen am 24.11.2024.
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