Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.Erstes Buch. VI. Vollendung u. Versuch des Verbrechens. tung auf einen bestimmten Erfolg) die erste Rolle spielt,machen es wünschenswert, nur die näheren, nicht schon die entfernteren Versuchshandlungen zu bestrafen. So entsteht der Unterschied zwischen straflosen Vorbereitungs- und strafbaren (eigentlichen) Versuchshandlungen. Statt nun, wie es am zweckmäßigsten wäre, die Einteilung einer in Frage stehenden konkreten Handlung in die eine oder die andere Kategorie dem Ermessen der Praxis im Einzelfalle zu überlassen, hat die Reichsgesetzgebung im Anschlusse an das französische Recht es unternommen, die Grenzlinie ein für allemal zu ziehen. Diesem Bestreben verdanken wir die scheinbare5 Versuchsdefinition im StGB. §. 43: Versuch ist Bethätigung des Entschlusses, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung dieses Verbrechens oder Ver- gehens enthalten. Die Grenzlinie zwischen Vorberei- tung und Versuch im engeren Sinne (strafbarem Versuch) bildet demnach der Anfang der Ausführung, mit an- deren Worten: Versuchshandlungen sind jene Folgen, welche bereits wirklicher Bestandteil der im Gesetze mit Strafe bedrohten That sind.6 Beispiele: Der stras- bare Versuch der Doppelehe beginnt erst mit dem Akte der (zweiten) Eheschließung, der Versuch des Meineids erst mit dem Beginne des Schwuraktes; der Versuch der Entführung, des Diebstahls erst in dem Augenblicke, in welchem die Schutz- gewalt, der Gewahrsam des Machthabers gestört wird usw. 5 [Spaltenumbruch]
Denn der §. 43 soll nicht den Versuch definieren, sondern den strafbaren Versuch abgrenzen. 6 [Spaltenumbruch]
Lit. bei Meyer Lehrbuch
S. 195 Note 2. Die im Texte[Spaltenumbruch] vertretene Ansicht (sie schließt sich möglichst eng an die von Zachariae empfohlene Formu- lierung) ist sehr bestritten. Erſtes Buch. VI. Vollendung u. Verſuch des Verbrechens. tung auf einen beſtimmten Erfolg) die erſte Rolle ſpielt,machen es wünſchenswert, nur die näheren, nicht ſchon die entfernteren Verſuchshandlungen zu beſtrafen. So entſteht der Unterſchied zwiſchen ſtrafloſen Vorbereitungs- und ſtrafbaren (eigentlichen) Verſuchshandlungen. Statt nun, wie es am zweckmäßigſten wäre, die Einteilung einer in Frage ſtehenden konkreten Handlung in die eine oder die andere Kategorie dem Ermeſſen der Praxis im Einzelfalle zu überlaſſen, hat die Reichsgeſetzgebung im Anſchluſſe an das franzöſiſche Recht es unternommen, die Grenzlinie ein für allemal zu ziehen. Dieſem Beſtreben verdanken wir die ſcheinbare5 Verſuchsdefinition im StGB. §. 43: Verſuch iſt Bethätigung des Entſchluſſes, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung dieſes Verbrechens oder Ver- gehens enthalten. Die Grenzlinie zwiſchen Vorberei- tung und Verſuch im engeren Sinne (ſtrafbarem Verſuch) bildet demnach der Anfang der Ausführung, mit an- deren Worten: Verſuchshandlungen ſind jene Folgen, welche bereits wirklicher Beſtandteil der im Geſetze mit Strafe bedrohten That ſind.6 Beiſpiele: Der ſtraſ- bare Verſuch der Doppelehe beginnt erſt mit dem Akte der (zweiten) Eheſchließung, der Verſuch des Meineids erſt mit dem Beginne des Schwuraktes; der Verſuch der Entführung, des Diebſtahls erſt in dem Augenblicke, in welchem die Schutz- gewalt, der Gewahrſam des Machthabers geſtört wird uſw. 5 [Spaltenumbruch]
Denn der §. 43 ſoll nicht den Verſuch definieren, ſondern den ſtrafbaren Verſuch abgrenzen. 6 [Spaltenumbruch]
Lit. bei Meyer Lehrbuch
S. 195 Note 2. Die im Texte[Spaltenumbruch] vertretene Anſicht (ſie ſchließt ſich möglichſt eng an die von Zachariae empfohlene Formu- lierung) iſt ſehr beſtritten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0168" n="142"/><fw place="top" type="header">Erſtes Buch. <hi rendition="#aq">VI.</hi> Vollendung u. Verſuch des Verbrechens.</fw><lb/> tung auf einen beſtimmten Erfolg) die erſte Rolle ſpielt,<lb/> machen es wünſchenswert, nur die näheren, nicht ſchon die<lb/> entfernteren Verſuchshandlungen zu beſtrafen. So entſteht<lb/> der Unterſchied zwiſchen <hi rendition="#g">ſtrafloſen Vorbereitungs- und<lb/> ſtrafbaren (eigentlichen) Verſuchshandlungen</hi>. Statt<lb/> nun, wie es am zweckmäßigſten wäre, die Einteilung einer<lb/> in Frage ſtehenden konkreten Handlung in die eine oder die<lb/> andere Kategorie dem Ermeſſen der Praxis im Einzelfalle<lb/> zu überlaſſen, hat die Reichsgeſetzgebung im Anſchluſſe an<lb/> das franzöſiſche Recht es unternommen, die Grenzlinie ein<lb/> für allemal zu ziehen. Dieſem Beſtreben verdanken wir die<lb/> ſcheinbare<note place="foot" n="5"><cb/> Denn der §. 43 ſoll nicht<lb/> den Verſuch definieren, ſondern<lb/> den ſtrafbaren Verſuch abgrenzen.</note> Verſuchsdefinition im StGB. §. 43: Verſuch iſt<lb/> Bethätigung des Entſchluſſes, ein Verbrechen oder Vergehen<lb/> zu verüben, durch <hi rendition="#g">Handlungen, welche einen Anfang<lb/> der Ausführung dieſes Verbrechens oder Ver-<lb/> gehens enthalten</hi>. Die Grenzlinie zwiſchen Vorberei-<lb/> tung und Verſuch im engeren Sinne (ſtrafbarem Verſuch)<lb/> bildet demnach der <hi rendition="#g">Anfang der Ausführung</hi>, mit an-<lb/> deren Worten: Verſuchshandlungen <hi rendition="#g">ſind jene Folgen,<lb/> welche bereits wirklicher Beſtandteil der im Geſetze</hi><lb/> mit Strafe <hi rendition="#g">bedrohten That ſind</hi>.<note place="foot" n="6"><cb/> Lit. bei <hi rendition="#g">Meyer</hi> Lehrbuch<lb/> S. 195 Note 2. Die im Texte<cb/> vertretene Anſicht (ſie ſchließt<lb/> ſich möglichſt eng an die von<lb/><hi rendition="#g">Zachariae</hi> empfohlene Formu-<lb/> lierung) iſt ſehr beſtritten.</note> Beiſpiele: Der ſtraſ-<lb/> bare Verſuch der Doppelehe beginnt erſt mit dem Akte der<lb/> (zweiten) Eheſchließung, der Verſuch des Meineids erſt mit dem<lb/> Beginne des Schwuraktes; der Verſuch der Entführung, des<lb/> Diebſtahls erſt in dem Augenblicke, in welchem die Schutz-<lb/> gewalt, der Gewahrſam des Machthabers geſtört wird uſw.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0168]
Erſtes Buch. VI. Vollendung u. Verſuch des Verbrechens.
tung auf einen beſtimmten Erfolg) die erſte Rolle ſpielt,
machen es wünſchenswert, nur die näheren, nicht ſchon die
entfernteren Verſuchshandlungen zu beſtrafen. So entſteht
der Unterſchied zwiſchen ſtrafloſen Vorbereitungs- und
ſtrafbaren (eigentlichen) Verſuchshandlungen. Statt
nun, wie es am zweckmäßigſten wäre, die Einteilung einer
in Frage ſtehenden konkreten Handlung in die eine oder die
andere Kategorie dem Ermeſſen der Praxis im Einzelfalle
zu überlaſſen, hat die Reichsgeſetzgebung im Anſchluſſe an
das franzöſiſche Recht es unternommen, die Grenzlinie ein
für allemal zu ziehen. Dieſem Beſtreben verdanken wir die
ſcheinbare 5 Verſuchsdefinition im StGB. §. 43: Verſuch iſt
Bethätigung des Entſchluſſes, ein Verbrechen oder Vergehen
zu verüben, durch Handlungen, welche einen Anfang
der Ausführung dieſes Verbrechens oder Ver-
gehens enthalten. Die Grenzlinie zwiſchen Vorberei-
tung und Verſuch im engeren Sinne (ſtrafbarem Verſuch)
bildet demnach der Anfang der Ausführung, mit an-
deren Worten: Verſuchshandlungen ſind jene Folgen,
welche bereits wirklicher Beſtandteil der im Geſetze
mit Strafe bedrohten That ſind. 6 Beiſpiele: Der ſtraſ-
bare Verſuch der Doppelehe beginnt erſt mit dem Akte der
(zweiten) Eheſchließung, der Verſuch des Meineids erſt mit dem
Beginne des Schwuraktes; der Verſuch der Entführung, des
Diebſtahls erſt in dem Augenblicke, in welchem die Schutz-
gewalt, der Gewahrſam des Machthabers geſtört wird uſw.
5
Denn der §. 43 ſoll nicht
den Verſuch definieren, ſondern
den ſtrafbaren Verſuch abgrenzen.
6
Lit. bei Meyer Lehrbuch
S. 195 Note 2. Die im Texte
vertretene Anſicht (ſie ſchließt
ſich möglichſt eng an die von
Zachariae empfohlene Formu-
lierung) iſt ſehr beſtritten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |