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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. VI. Vollendung u. Versuch des Verbrechens.
schlossen ist, bei welchen (vgl. unten §. 54 I 3) die objektive
wenn auch nicht verschuldete (oben §. 27 II) Thatsache des
Eintrittes eines bestimmten schwereren Erfolges zum Straf-
schärfungsgrund gemacht ist.

2. Daß auch bei generellem Vorsatze Versuch möglich
ist;4 der schwerste der vorgestellten nicht eingetretenen Erfolge
giebt den Ausschlag (vgl. oben §. 28 IV a. E.).

V. Der Versuch beruht immer auf einem Irrtume
über die Kausalität des Thuns, d. h. auf der (irrigen) An-
nahme, daß eine zur Herbeiführung des vorge-
stellten Erfolges untaugliche Handlung zur Her-
beiführung tauglich sei
.

Es ist mithin eine ganz schiefe Anwendung an sich nur
relativer Begriffe, wenn man zwischen Versuch mit untaug-
lichem Mittel und Versuch an untauglichem Objekt unter-
scheiden will. Nur die Tauglichkeit der Handlung, als
des Mittels zum Zwecke, steht zur Frage. Ferner: eine
bestimmte vorgenommene Handlung kann zur Herbeiführung
eines bestimmten vorgestellten Erfolges immer nur tauglich
oder nicht tauglich, d. h. kausal oder nicht kausal sein, nicht
aber mehr oder weniger nicht kausal; die Unterscheidung
zwischen absoluter und relativer Untauglichkeit des Mittels
(oder des Objektes) ist daher eine grobe Verkennung des
Ursachenbegriffes. Und endlich: Wenn das Wesen des
Versuches in dem Irrtume über die Kausalität des Thuns
besteht, so kann dieser Irrtum keinen Grund abgeben, um
einzelne Versuchsfälle nicht strafen zu wollen.

In der Terminologie der herrschenden Ansicht hieße das:
auch der Versuch mit absolut untauglichem Mittel

4 Lit. bei Binding Grundriß S. 75.

Erſtes Buch. VI. Vollendung u. Verſuch des Verbrechens.
ſchloſſen iſt, bei welchen (vgl. unten §. 54 I 3) die objektive
wenn auch nicht verſchuldete (oben §. 27 II) Thatſache des
Eintrittes eines beſtimmten ſchwereren Erfolges zum Straf-
ſchärfungsgrund gemacht iſt.

2. Daß auch bei generellem Vorſatze Verſuch möglich
iſt;4 der ſchwerſte der vorgeſtellten nicht eingetretenen Erfolge
giebt den Ausſchlag (vgl. oben §. 28 IV a. E.).

V. Der Verſuch beruht immer auf einem Irrtume
über die Kauſalität des Thuns, d. h. auf der (irrigen) An-
nahme, daß eine zur Herbeiführung des vorge-
ſtellten Erfolges untaugliche Handlung zur Her-
beiführung tauglich ſei
.

Es iſt mithin eine ganz ſchiefe Anwendung an ſich nur
relativer Begriffe, wenn man zwiſchen Verſuch mit untaug-
lichem Mittel und Verſuch an untauglichem Objekt unter-
ſcheiden will. Nur die Tauglichkeit der Handlung, als
des Mittels zum Zwecke, ſteht zur Frage. Ferner: eine
beſtimmte vorgenommene Handlung kann zur Herbeiführung
eines beſtimmten vorgeſtellten Erfolges immer nur tauglich
oder nicht tauglich, d. h. kauſal oder nicht kauſal ſein, nicht
aber mehr oder weniger nicht kauſal; die Unterſcheidung
zwiſchen abſoluter und relativer Untauglichkeit des Mittels
(oder des Objektes) iſt daher eine grobe Verkennung des
Urſachenbegriffes. Und endlich: Wenn das Weſen des
Verſuches in dem Irrtume über die Kauſalität des Thuns
beſteht, ſo kann dieſer Irrtum keinen Grund abgeben, um
einzelne Verſuchsfälle nicht ſtrafen zu wollen.

In der Terminologie der herrſchenden Anſicht hieße das:
auch der Verſuch mit abſolut untauglichem Mittel

4 Lit. bei Binding Grundriß S. 75.
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[136/0162] Erſtes Buch. VI. Vollendung u. Verſuch des Verbrechens. ſchloſſen iſt, bei welchen (vgl. unten §. 54 I 3) die objektive wenn auch nicht verſchuldete (oben §. 27 II) Thatſache des Eintrittes eines beſtimmten ſchwereren Erfolges zum Straf- ſchärfungsgrund gemacht iſt. 2. Daß auch bei generellem Vorſatze Verſuch möglich iſt; 4 der ſchwerſte der vorgeſtellten nicht eingetretenen Erfolge giebt den Ausſchlag (vgl. oben §. 28 IV a. E.). V. Der Verſuch beruht immer auf einem Irrtume über die Kauſalität des Thuns, d. h. auf der (irrigen) An- nahme, daß eine zur Herbeiführung des vorge- ſtellten Erfolges untaugliche Handlung zur Her- beiführung tauglich ſei. Es iſt mithin eine ganz ſchiefe Anwendung an ſich nur relativer Begriffe, wenn man zwiſchen Verſuch mit untaug- lichem Mittel und Verſuch an untauglichem Objekt unter- ſcheiden will. Nur die Tauglichkeit der Handlung, als des Mittels zum Zwecke, ſteht zur Frage. Ferner: eine beſtimmte vorgenommene Handlung kann zur Herbeiführung eines beſtimmten vorgeſtellten Erfolges immer nur tauglich oder nicht tauglich, d. h. kauſal oder nicht kauſal ſein, nicht aber mehr oder weniger nicht kauſal; die Unterſcheidung zwiſchen abſoluter und relativer Untauglichkeit des Mittels (oder des Objektes) iſt daher eine grobe Verkennung des Urſachenbegriffes. Und endlich: Wenn das Weſen des Verſuches in dem Irrtume über die Kauſalität des Thuns beſteht, ſo kann dieſer Irrtum keinen Grund abgeben, um einzelne Verſuchsfälle nicht ſtrafen zu wollen. In der Terminologie der herrſchenden Anſicht hieße das: auch der Verſuch mit abſolut untauglichem Mittel 4 Lit. bei Binding Grundriß S. 75.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/162>, abgerufen am 18.04.2024.