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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Der Antrag des Verletzten insbesondere. §. 31.
Umstände. So bleiben nach StGB. §. 173 (Blutschande)
Verwandte und Verschwägerte straflos, wenn sie das 18. Le-
bensjahr nicht erreicht haben; so ist die persönliche Begün-
stigung nach §. 257 StGB. straflos, wenn sie dem Thäter
oder Teilnehmer von einem Angehörigen gewährt worden
ist; das Gleiche gilt von dem Diebstahl und Unterschlagung,
die von Ascendenten an Descendenten oder zwischen Ehe-
gatten begangen werden (StGB. §. 247) usw. Ich werde
diese Umstände, in Ermangelung eines besseren Ausdruckes,
subjektive Strafausschließungsgründe nennen. Sie
berühren -- und das ist das Wesentliche -- die Strafbar-
keit der That an sich nicht, schließen daher die Strafbarkeit
der Teilnehmer trotz der Straflosigkeit des Hauptthäters
nicht aus.

§. 31.
Der Antrag des Verletzten insbesondere.1

I. In einer rapid anschwellenden Zahl von Fällen hat
die moderne Gesetzgebung die Strafverfolgung von dem An-
trag des Verletzten abhängig gemacht. Es bewahrheitete
sich der alte Erfahrungssatz, daß gerade die unklarsten, un-
ausgedachtesten gesetzgeberischen Gedanken die meiste Aussicht
auf allgemeinen Beifall haben. Hat auch die Novelle vom
26. Februar 1876 mit den gröbsten Mißständen aufgeräumt
(vgl. oben §. 8 V), so bleibt doch eine gründliche Revision
der ganzen Lehre von den Antragsdelikten durch die Reichs-
gesetzgebung ein dringendes Bedürfnis.

Die Antragsfälle des RStGB.'s sind: §§. 102, 103,

1 [Spaltenumbruch] Die (wenig fördernde) Lit.
bei Binding Grundriß S. 51.[Spaltenumbruch] Dazu Medem GS. XXIX,
Samuely GS. XXXII.

Der Antrag des Verletzten insbeſondere. §. 31.
Umſtände. So bleiben nach StGB. §. 173 (Blutſchande)
Verwandte und Verſchwägerte ſtraflos, wenn ſie das 18. Le-
bensjahr nicht erreicht haben; ſo iſt die perſönliche Begün-
ſtigung nach §. 257 StGB. ſtraflos, wenn ſie dem Thäter
oder Teilnehmer von einem Angehörigen gewährt worden
iſt; das Gleiche gilt von dem Diebſtahl und Unterſchlagung,
die von Aſcendenten an Deſcendenten oder zwiſchen Ehe-
gatten begangen werden (StGB. §. 247) uſw. Ich werde
dieſe Umſtände, in Ermangelung eines beſſeren Ausdruckes,
ſubjektive Strafausſchließungsgründe nennen. Sie
berühren — und das iſt das Weſentliche — die Strafbar-
keit der That an ſich nicht, ſchließen daher die Strafbarkeit
der Teilnehmer trotz der Strafloſigkeit des Hauptthäters
nicht aus.

§. 31.
Der Antrag des Verletzten insbeſondere.1

I. In einer rapid anſchwellenden Zahl von Fällen hat
die moderne Geſetzgebung die Strafverfolgung von dem An-
trag des Verletzten abhängig gemacht. Es bewahrheitete
ſich der alte Erfahrungsſatz, daß gerade die unklarſten, un-
ausgedachteſten geſetzgeberiſchen Gedanken die meiſte Ausſicht
auf allgemeinen Beifall haben. Hat auch die Novelle vom
26. Februar 1876 mit den gröbſten Mißſtänden aufgeräumt
(vgl. oben §. 8 V), ſo bleibt doch eine gründliche Reviſion
der ganzen Lehre von den Antragsdelikten durch die Reichs-
geſetzgebung ein dringendes Bedürfnis.

Die Antragsfälle des RStGB.’s ſind: §§. 102, 103,

1 [Spaltenumbruch] Die (wenig fördernde) Lit.
bei Binding Grundriß S. 51.[Spaltenumbruch] Dazu Medem GS. XXIX,
Samuely GS. XXXII.
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[125/0151] Der Antrag des Verletzten insbeſondere. §. 31. Umſtände. So bleiben nach StGB. §. 173 (Blutſchande) Verwandte und Verſchwägerte ſtraflos, wenn ſie das 18. Le- bensjahr nicht erreicht haben; ſo iſt die perſönliche Begün- ſtigung nach §. 257 StGB. ſtraflos, wenn ſie dem Thäter oder Teilnehmer von einem Angehörigen gewährt worden iſt; das Gleiche gilt von dem Diebſtahl und Unterſchlagung, die von Aſcendenten an Deſcendenten oder zwiſchen Ehe- gatten begangen werden (StGB. §. 247) uſw. Ich werde dieſe Umſtände, in Ermangelung eines beſſeren Ausdruckes, ſubjektive Strafausſchließungsgründe nennen. Sie berühren — und das iſt das Weſentliche — die Strafbar- keit der That an ſich nicht, ſchließen daher die Strafbarkeit der Teilnehmer trotz der Strafloſigkeit des Hauptthäters nicht aus. §. 31. Der Antrag des Verletzten insbeſondere. 1 I. In einer rapid anſchwellenden Zahl von Fällen hat die moderne Geſetzgebung die Strafverfolgung von dem An- trag des Verletzten abhängig gemacht. Es bewahrheitete ſich der alte Erfahrungsſatz, daß gerade die unklarſten, un- ausgedachteſten geſetzgeberiſchen Gedanken die meiſte Ausſicht auf allgemeinen Beifall haben. Hat auch die Novelle vom 26. Februar 1876 mit den gröbſten Mißſtänden aufgeräumt (vgl. oben §. 8 V), ſo bleibt doch eine gründliche Reviſion der ganzen Lehre von den Antragsdelikten durch die Reichs- geſetzgebung ein dringendes Bedürfnis. Die Antragsfälle des RStGB.’s ſind: §§. 102, 103, 1 Die (wenig fördernde) Lit. bei Binding Grundriß S. 51. Dazu Medem GS. XXIX, Samuely GS. XXXII.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/151>, abgerufen am 29.03.2024.