Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.Erstes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung. massen + a und -- b den Punkt M im Gleichgewichte haltenund nun die hinzutretende Kraft c den Punkt nach N' be- wegt, so können wir (ungenau) in beiden Fällen die Kraft c als die Ursache der Bewegung von M nach N' bezeichnen; aber nie dürfen wir vergessen, daß die Bewegung in Wahr- heit durch das Zusammenwirken der drei Kräfte a und b und c verursacht worden ist. III. Daraus ergiebt sich die außerordentlich wichtige Beispiel. Wenn A dem B ein geladenes Gewehr mit Erſtes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung. maſſen + a und — b den Punkt M im Gleichgewichte haltenund nun die hinzutretende Kraft c den Punkt nach N′ be- wegt, ſo können wir (ungenau) in beiden Fällen die Kraft c als die Urſache der Bewegung von M nach N′ bezeichnen; aber nie dürfen wir vergeſſen, daß die Bewegung in Wahr- heit durch das Zuſammenwirken der drei Kräfte a und b und c verurſacht worden iſt. III. Daraus ergiebt ſich die außerordentlich wichtige Beiſpiel. Wenn A dem B ein geladenes Gewehr mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0104" n="78"/><fw place="top" type="header">Erſtes Buch. <hi rendition="#aq">II.</hi> Das Verbrechen als Handlung.</fw><lb/> maſſen + <hi rendition="#aq">a</hi> und — <hi rendition="#aq">b</hi> den Punkt <hi rendition="#aq">M</hi> im Gleichgewichte halten<lb/> und nun die hinzutretende Kraft <hi rendition="#aq">c</hi> den Punkt nach <hi rendition="#aq">N′</hi> be-<lb/> wegt, ſo <hi rendition="#g">können</hi> wir (ungenau) in beiden Fällen die Kraft <hi rendition="#aq">c</hi><lb/> als die Urſache der Bewegung von <hi rendition="#aq">M</hi> nach <hi rendition="#aq">N′</hi> bezeichnen;<lb/> aber nie dürfen wir vergeſſen, daß die Bewegung in Wahr-<lb/> heit durch das <hi rendition="#g">Zuſammenwirken</hi> der drei Kräfte <hi rendition="#aq">a</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">b</hi> und <hi rendition="#aq">c</hi> verurſacht worden iſt.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">III.</hi> Daraus ergiebt ſich die außerordentlich wichtige<lb/> Konſequenz, daß <hi rendition="#g">ein und derſelbe Erfolg auf</hi> <hi rendition="#b">mehrere</hi><lb/><hi rendition="#g">menſchliche Handlungen als ſeine Urſachen zurück-<lb/> geführt werden kann,</hi> einerlei, ob ihr Zuſammenwirken<lb/> ein gleichzeitiges oder ein ſucceſſives iſt. Insbeſondere kann<lb/> der unmittelbar durch das Handeln des <hi rendition="#aq">B</hi> herbeigeführte<lb/> Erfolg mittelbar auf das (vorſätzliche oder fahrläſſige) Thun<lb/> des <hi rendition="#aq">A</hi> zurückgeführt werden. Eine „Unterbrechung des Kauſal-<lb/> zuſammenhanges“ wie man ſich möglichſt ſchief ausdrückt,<lb/> genauer ein (juriſtiſches) Zurückführen des Erfolges auf die<lb/> nächſte Urſache (die Handlung des <hi rendition="#aq">B</hi>) findet <hi rendition="#g">nur</hi> ſoweit kraft<lb/><hi rendition="#g">poſitivrechtlicher</hi> Anordnung ſtatt, als dieſe nächſte Ur-<lb/> ſache die <hi rendition="#g">freie</hi> (d. h. nicht im Notſtande StGB. §§. 52<lb/> und 54 begangene) <hi rendition="#g">von der Vorſtellung ihrer Kau-<lb/> ſalität begleitete</hi> Handlung eines <hi rendition="#g">Zurechnungsfähi-<lb/> gen</hi> iſt. Insbeſondere ſteht der Annahme des Kauſal-<lb/> zuſammenhanges die eigene Fahrläſſigkeit des Beſchädigten<lb/> nicht entgegen, RGR. 12. April 1880, <hi rendition="#aq">E I 373, R I</hi> 578.</p><lb/> <p>Beiſpiel. Wenn <hi rendition="#aq">A</hi> dem <hi rendition="#aq">B</hi> ein geladenes Gewehr mit<lb/> der Aufforderung in die Hand giebt, auf den <hi rendition="#aq">C</hi> loszudrücken,<lb/> und <hi rendition="#aq">B</hi> in der Meinung es ſei nicht geladen dies thut, ſo<lb/> kann <hi rendition="#aq">B</hi> wegen fahrläſſiger und <hi rendition="#g">neben ihm</hi> <hi rendition="#aq">A</hi> wegen vor-<lb/> ſätzlicher oder fahrläſſiger Tötung des <hi rendition="#aq">C</hi> zur Verantwortung<lb/> gezogen werden (ſo auch meiſt die Praxis gegen die Anſicht<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0104]
Erſtes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung.
maſſen + a und — b den Punkt M im Gleichgewichte halten
und nun die hinzutretende Kraft c den Punkt nach N′ be-
wegt, ſo können wir (ungenau) in beiden Fällen die Kraft c
als die Urſache der Bewegung von M nach N′ bezeichnen;
aber nie dürfen wir vergeſſen, daß die Bewegung in Wahr-
heit durch das Zuſammenwirken der drei Kräfte a und
b und c verurſacht worden iſt.
III. Daraus ergiebt ſich die außerordentlich wichtige
Konſequenz, daß ein und derſelbe Erfolg auf mehrere
menſchliche Handlungen als ſeine Urſachen zurück-
geführt werden kann, einerlei, ob ihr Zuſammenwirken
ein gleichzeitiges oder ein ſucceſſives iſt. Insbeſondere kann
der unmittelbar durch das Handeln des B herbeigeführte
Erfolg mittelbar auf das (vorſätzliche oder fahrläſſige) Thun
des A zurückgeführt werden. Eine „Unterbrechung des Kauſal-
zuſammenhanges“ wie man ſich möglichſt ſchief ausdrückt,
genauer ein (juriſtiſches) Zurückführen des Erfolges auf die
nächſte Urſache (die Handlung des B) findet nur ſoweit kraft
poſitivrechtlicher Anordnung ſtatt, als dieſe nächſte Ur-
ſache die freie (d. h. nicht im Notſtande StGB. §§. 52
und 54 begangene) von der Vorſtellung ihrer Kau-
ſalität begleitete Handlung eines Zurechnungsfähi-
gen iſt. Insbeſondere ſteht der Annahme des Kauſal-
zuſammenhanges die eigene Fahrläſſigkeit des Beſchädigten
nicht entgegen, RGR. 12. April 1880, E I 373, R I 578.
Beiſpiel. Wenn A dem B ein geladenes Gewehr mit
der Aufforderung in die Hand giebt, auf den C loszudrücken,
und B in der Meinung es ſei nicht geladen dies thut, ſo
kann B wegen fahrläſſiger und neben ihm A wegen vor-
ſätzlicher oder fahrläſſiger Tötung des C zur Verantwortung
gezogen werden (ſo auch meiſt die Praxis gegen die Anſicht
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