tung und Beihülfe begangen. Z. B. A in Paris bestimmt durch einen am 1. Januar 1880 abgeschickten, am 3. Januar 1880 eingetroffenen Brief den B in Berlin zur Ermordung des in London befindlichen C; wenn die That in London am 1. Februar 1880 ausgeführt wird, so ist die Anstiftung in Berlin am 3. Januar begangen (quod nunc demum apparuit).
2. Dagegen entscheidet bei Begehung der That durch einen Anderen, mag dieser zurechnungsunfähig oder ge- täuscht oder gezwungen sein, Ort und Zeit der Handlung des Werkzeuges. Wenn ich durch einen Blödsinnigen einen jenseits der Grenze befindlichen Gegenstand wegnehmen lasse, so habe ich ihn jenseits der Grenze weggenommen. Die verschiedene Entscheidung der beiden Fälle hat ihren Grund darin, daß Anstiftung und Beihülfe Teilnahme an dem Thun eines Andern, Handeln durch ein Werkzeug dagegen eigenes Handeln ist (vgl. unten §. 35).
3. Trifft die Handlung das Objekt überhaupt nicht, so ist sie dort und dann begangen, wo und wann das letzte Glied der Kette abbricht; es entscheidet der letzte Vorberei- tungs- oder Versuchsakt usw.
4. Eine als juristische Einheit zu betrachtende Hand- lungsreihe, z. B. das fortgesetzte oder das fortdauernde De- likt (vgl. unten §. 39 II) darf auch in Bezug auf unsere Frage nicht in seine unselbständigen Teile auseinander ge- rissen werden. Es ist überall dort begangen, wo ein solcher Teil gesetzt worden, und während der ganzen Dauer der Handlungsreihe. Eine dadurch veranlaßte Kollision zwischen fremdem und einheimischem Rechte ist zu Gunsten des letz- teren, zwischen späterem und früherem Rechte zu Gunsten des milderen zu entscheiden (die mehreren Gerichtsstände sind gleichberechtigt).
Der Begriff der Handlung. §. 19.
tung und Beihülfe begangen. Z. B. A in Paris beſtimmt durch einen am 1. Januar 1880 abgeſchickten, am 3. Januar 1880 eingetroffenen Brief den B in Berlin zur Ermordung des in London befindlichen C; wenn die That in London am 1. Februar 1880 ausgeführt wird, ſo iſt die Anſtiftung in Berlin am 3. Januar begangen (quod nunc demum apparuit).
2. Dagegen entſcheidet bei Begehung der That durch einen Anderen, mag dieſer zurechnungsunfähig oder ge- täuſcht oder gezwungen ſein, Ort und Zeit der Handlung des Werkzeuges. Wenn ich durch einen Blödſinnigen einen jenſeits der Grenze befindlichen Gegenſtand wegnehmen laſſe, ſo habe ich ihn jenſeits der Grenze weggenommen. Die verſchiedene Entſcheidung der beiden Fälle hat ihren Grund darin, daß Anſtiftung und Beihülfe Teilnahme an dem Thun eines Andern, Handeln durch ein Werkzeug dagegen eigenes Handeln iſt (vgl. unten §. 35).
3. Trifft die Handlung das Objekt überhaupt nicht, ſo iſt ſie dort und dann begangen, wo und wann das letzte Glied der Kette abbricht; es entſcheidet der letzte Vorberei- tungs- oder Verſuchsakt uſw.
4. Eine als juriſtiſche Einheit zu betrachtende Hand- lungsreihe, z. B. das fortgeſetzte oder das fortdauernde De- likt (vgl. unten §. 39 II) darf auch in Bezug auf unſere Frage nicht in ſeine unſelbſtändigen Teile auseinander ge- riſſen werden. Es iſt überall dort begangen, wo ein ſolcher Teil geſetzt worden, und während der ganzen Dauer der Handlungsreihe. Eine dadurch veranlaßte Kolliſion zwiſchen fremdem und einheimiſchem Rechte iſt zu Gunſten des letz- teren, zwiſchen ſpäterem und früherem Rechte zu Gunſten des milderen zu entſcheiden (die mehreren Gerichtsſtände ſind gleichberechtigt).
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Der Begriff der Handlung. §. 19.
tung und Beihülfe begangen. Z. B. A in Paris beſtimmt
durch einen am 1. Januar 1880 abgeſchickten, am 3. Januar
1880 eingetroffenen Brief den B in Berlin zur Ermordung
des in London befindlichen C; wenn die That in London am
1. Februar 1880 ausgeführt wird, ſo iſt die Anſtiftung in
Berlin am 3. Januar begangen (quod nunc demum apparuit).
2. Dagegen entſcheidet bei Begehung der That durch
einen Anderen, mag dieſer zurechnungsunfähig oder ge-
täuſcht oder gezwungen ſein, Ort und Zeit der Handlung
des Werkzeuges. Wenn ich durch einen Blödſinnigen einen
jenſeits der Grenze befindlichen Gegenſtand wegnehmen laſſe,
ſo habe ich ihn jenſeits der Grenze weggenommen. Die
verſchiedene Entſcheidung der beiden Fälle hat ihren Grund
darin, daß Anſtiftung und Beihülfe Teilnahme an dem
Thun eines Andern, Handeln durch ein Werkzeug dagegen
eigenes Handeln iſt (vgl. unten §. 35).
3. Trifft die Handlung das Objekt überhaupt nicht,
ſo iſt ſie dort und dann begangen, wo und wann das letzte
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tungs- oder Verſuchsakt uſw.
4. Eine als juriſtiſche Einheit zu betrachtende Hand-
lungsreihe, z. B. das fortgeſetzte oder das fortdauernde De-
likt (vgl. unten §. 39 II) darf auch in Bezug auf unſere
Frage nicht in ſeine unſelbſtändigen Teile auseinander ge-
riſſen werden. Es iſt überall dort begangen, wo ein ſolcher
Teil geſetzt worden, und während der ganzen Dauer der
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teren, zwiſchen ſpäterem und früherem Rechte zu Gunſten
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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/101>, abgerufen am 24.11.2024.
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