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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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und wohlfeil sehr niedrig zu stellen. Erst späterhin wird die Sache von Interesse, wenn sich z. B. zeigen sollte, daß ein Transportpreis von 1 1/2 ggr. a Person und Meile, den man jetzt für das non plus ultra von Wohlfeilheit hält, den Compagnien unermeßliche Dividenden bringt, und wenn man auf der andern Seite zur Einsicht gelangt, daß aus der Herabsetzung dieses Transportpreises auf die Hälfte jenes Betrags den arbeitenden Classen große Wohlthaten erwüchsen, während der Reinertrag dadurch eher vermindert als vermehrt würde. In einem solchen sehr wahrscheinlichen Falle würde durch die für die Garantie des Staats oben angegebenen Bestimmungen vermittelst der 10jährigen Revision des Transporttarifs für das allgemeine Interesse hinlänglich gesorgt sein, während ein für alle Zeiten feststehender Tarif, der jetzt außerordentlich billig erscheint, im Laufe der Zeit als außerordentlich drückend und nachtheilig erkannt werden dürfte.

Man hat allerlei Vorschläge zu Bildung von Reservefonds und zur Amortisation der Actiencapitale gemacht, sich aber unsers Bedünkens damit vergebliche Mühe gegeben. Der beste Reservefonds und die beste Amortisation liegt in der jährlichen Vermehrung des Transports und der Einnahmen.

Nach der bisherigen Erfahrung hat sich bisher auch auf denjenigen Routen, auf welchen der Verkehr schon vorher ungewöhnlich groß war, eine nachhaltige Vermehrung der Reisenden und der Transporte ergeben. Daß dies auch auf anderen Routen der Fall sei, und daß die Vermehrung der Transporte noch so lange fortgehen wird, als überhaupt die Nationen eines Zuwachses an Bevölkerung und Reichthum fähig sind, liegt in der Natur der Dinge und erklärt sich durch die Einwirkung der erleichterten Transporte auf die Entwickelung der productiven Kräfte, die wir oben zureichend dargethan zu haben glauben. Wozu also die Tilgung der Capitalschuld? Sie ist weder nöthig noch nützlich. In England denkt Niemand an die Amortisation der auf die Canäle verwendeten Capitale, nicht einmal da, wo die jährliche Dividende der Einlage gleichkommt, weil die Zurückbezahlung der Einlagen nur diejenigen, die ihre Capitale nicht selbst umzutreiben vermögen, in welche Kategorie die meisten Actienbesitzer gehören, in die Verlegenheit bringen würde, dieselben anderswo auf eine sichere und vortheilhafte Weise unterzubringen. Wozu Reservefonds? Man sagt, um bedeutende Reparaturen, Verbesserungen und Erweiterungen der Werke damit zu bestreiten. Dazu ist aber eine solche Vorsorge gar nicht nöthig. Nimmt das Werk an Frequenz und Einträglichkeit zu, so steigt sein Werth und Credit, und im Fall eines außerordentlichen Bedarfs kann das erforderliche Capital viel zweckmäßiger durch eine Anleihe aufgebracht werden. Dieser Modus ist weit einfacher als die allmälige Aufhäufung, welche nur die Administration complicirter macht - viel nützlicher hinsichtlich der Industrie - und in Beziehung auf die gegenwärtige Generation der Actionaire, der künftigen gegenüber, viel gerechter. Wenn, wie nach den bisherigen Erfahrungen anzunehmen ist,

und wohlfeil sehr niedrig zu stellen. Erst späterhin wird die Sache von Interesse, wenn sich z. B. zeigen sollte, daß ein Transportpreis von 1 1/2 ggr. à Person und Meile, den man jetzt für das non plus ultra von Wohlfeilheit hält, den Compagnien unermeßliche Dividenden bringt, und wenn man auf der andern Seite zur Einsicht gelangt, daß aus der Herabsetzung dieses Transportpreises auf die Hälfte jenes Betrags den arbeitenden Classen große Wohlthaten erwüchsen, während der Reinertrag dadurch eher vermindert als vermehrt würde. In einem solchen sehr wahrscheinlichen Falle würde durch die für die Garantie des Staats oben angegebenen Bestimmungen vermittelst der 10jährigen Revision des Transporttarifs für das allgemeine Interesse hinlänglich gesorgt sein, während ein für alle Zeiten feststehender Tarif, der jetzt außerordentlich billig erscheint, im Laufe der Zeit als außerordentlich drückend und nachtheilig erkannt werden dürfte.

Man hat allerlei Vorschläge zu Bildung von Reservefonds und zur Amortisation der Actiencapitale gemacht, sich aber unsers Bedünkens damit vergebliche Mühe gegeben. Der beste Reservefonds und die beste Amortisation liegt in der jährlichen Vermehrung des Transports und der Einnahmen.

Nach der bisherigen Erfahrung hat sich bisher auch auf denjenigen Routen, auf welchen der Verkehr schon vorher ungewöhnlich groß war, eine nachhaltige Vermehrung der Reisenden und der Transporte ergeben. Daß dies auch auf anderen Routen der Fall sei, und daß die Vermehrung der Transporte noch so lange fortgehen wird, als überhaupt die Nationen eines Zuwachses an Bevölkerung und Reichthum fähig sind, liegt in der Natur der Dinge und erklärt sich durch die Einwirkung der erleichterten Transporte auf die Entwickelung der productiven Kräfte, die wir oben zureichend dargethan zu haben glauben. Wozu also die Tilgung der Capitalschuld? Sie ist weder nöthig noch nützlich. In England denkt Niemand an die Amortisation der auf die Canäle verwendeten Capitale, nicht einmal da, wo die jährliche Dividende der Einlage gleichkommt, weil die Zurückbezahlung der Einlagen nur diejenigen, die ihre Capitale nicht selbst umzutreiben vermögen, in welche Kategorie die meisten Actienbesitzer gehören, in die Verlegenheit bringen würde, dieselben anderswo auf eine sichere und vortheilhafte Weise unterzubringen. Wozu Reservefonds? Man sagt, um bedeutende Reparaturen, Verbesserungen und Erweiterungen der Werke damit zu bestreiten. Dazu ist aber eine solche Vorsorge gar nicht nöthig. Nimmt das Werk an Frequenz und Einträglichkeit zu, so steigt sein Werth und Credit, und im Fall eines außerordentlichen Bedarfs kann das erforderliche Capital viel zweckmäßiger durch eine Anleihe aufgebracht werden. Dieser Modus ist weit einfacher als die allmälige Aufhäufung, welche nur die Administration complicirter macht – viel nützlicher hinsichtlich der Industrie – und in Beziehung auf die gegenwärtige Generation der Actionaire, der künftigen gegenüber, viel gerechter. Wenn, wie nach den bisherigen Erfahrungen anzunehmen ist,

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[55/0056] und wohlfeil sehr niedrig zu stellen. Erst späterhin wird die Sache von Interesse, wenn sich z. B. zeigen sollte, daß ein Transportpreis von 1 1/2 ggr. à Person und Meile, den man jetzt für das non plus ultra von Wohlfeilheit hält, den Compagnien unermeßliche Dividenden bringt, und wenn man auf der andern Seite zur Einsicht gelangt, daß aus der Herabsetzung dieses Transportpreises auf die Hälfte jenes Betrags den arbeitenden Classen große Wohlthaten erwüchsen, während der Reinertrag dadurch eher vermindert als vermehrt würde. In einem solchen sehr wahrscheinlichen Falle würde durch die für die Garantie des Staats oben angegebenen Bestimmungen vermittelst der 10jährigen Revision des Transporttarifs für das allgemeine Interesse hinlänglich gesorgt sein, während ein für alle Zeiten feststehender Tarif, der jetzt außerordentlich billig erscheint, im Laufe der Zeit als außerordentlich drückend und nachtheilig erkannt werden dürfte. Man hat allerlei Vorschläge zu Bildung von Reservefonds und zur Amortisation der Actiencapitale gemacht, sich aber unsers Bedünkens damit vergebliche Mühe gegeben. Der beste Reservefonds und die beste Amortisation liegt in der jährlichen Vermehrung des Transports und der Einnahmen. Nach der bisherigen Erfahrung hat sich bisher auch auf denjenigen Routen, auf welchen der Verkehr schon vorher ungewöhnlich groß war, eine nachhaltige Vermehrung der Reisenden und der Transporte ergeben. Daß dies auch auf anderen Routen der Fall sei, und daß die Vermehrung der Transporte noch so lange fortgehen wird, als überhaupt die Nationen eines Zuwachses an Bevölkerung und Reichthum fähig sind, liegt in der Natur der Dinge und erklärt sich durch die Einwirkung der erleichterten Transporte auf die Entwickelung der productiven Kräfte, die wir oben zureichend dargethan zu haben glauben. Wozu also die Tilgung der Capitalschuld? Sie ist weder nöthig noch nützlich. In England denkt Niemand an die Amortisation der auf die Canäle verwendeten Capitale, nicht einmal da, wo die jährliche Dividende der Einlage gleichkommt, weil die Zurückbezahlung der Einlagen nur diejenigen, die ihre Capitale nicht selbst umzutreiben vermögen, in welche Kategorie die meisten Actienbesitzer gehören, in die Verlegenheit bringen würde, dieselben anderswo auf eine sichere und vortheilhafte Weise unterzubringen. Wozu Reservefonds? Man sagt, um bedeutende Reparaturen, Verbesserungen und Erweiterungen der Werke damit zu bestreiten. Dazu ist aber eine solche Vorsorge gar nicht nöthig. Nimmt das Werk an Frequenz und Einträglichkeit zu, so steigt sein Werth und Credit, und im Fall eines außerordentlichen Bedarfs kann das erforderliche Capital viel zweckmäßiger durch eine Anleihe aufgebracht werden. Dieser Modus ist weit einfacher als die allmälige Aufhäufung, welche nur die Administration complicirter macht – viel nützlicher hinsichtlich der Industrie – und in Beziehung auf die gegenwärtige Generation der Actionaire, der künftigen gegenüber, viel gerechter. Wenn, wie nach den bisherigen Erfahrungen anzunehmen ist,

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/56>, abgerufen am 28.11.2024.