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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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darauf an, daß sie auf's Solideste und Vollkommenste gebaut werden. Eine Bauart, die, wenn der gegenwärtige Personen- und Waarenverkehr nicht von sehr großer Bedeutung ist, eine Privat-Compagnie oder doch einen Theil ihrer Actionaire wahrscheinlich in der nächsten Zukunft ruiniren würde, erscheint in der Regie des Staats als eine nothwendige, den Staatszwecken entsprechende und, wenn die bedeutenderen Transport-Quantitäten und Reinerträgnisse einer entfernteren Zukunft gegen die unbedeutenderen der nächsten Zukunft in die Waagschale gelegt werden, wahrscheinlich auch als die finanziell vortheilhafteste.

Aus der in den vorigen Blättern dieses Artikels enthaltenen Darstellung erhellt, daß die Eisenbahnen auf die persönlichen und geistigen Interessen und die Macht der Staaten weit mehr unmittelbaren Einfluß ausüben, als jedes andere Transportmittel, daß daher ihre Herstellung von den verschiedenen Nationen Europens viel dringender verlangt und von den Regierungen mit weit größerem Eifer betrieben werden wird. Dazu kommt der allgemein herrschende Überfluß an Capitalien und die neuere Speculationssucht in Papieren, welche einige ganz vorzüglich rentirende Unternehmungen und die durch die außerordentlichen Leistungen der Dampfwagenfahrt erregte Phantasie des Publicums zu ihrem Vortheil auszubeuten sucht. Wirft man einen Blick auf das Colossale dieser Papierspeculationen, wie sie jetzt schon in den meisten europäischen Staaten betrieben werden, berücksichtigt man dabei, daß wir uns erst am Eingange dieser neuen Periode der Papierspeculation befinden, bedenkt man, daß die Meinung von dem Werth dieser Effecten überall auf bloßen vagen Hoffnungen und Ansichten, also nirgends auf einer sichern Basis ruht, daß Jahrzehente vorübergehen können, bis man zu denjenigen Resultaten gelangt, welche den eigentlichen Werth derselben fixiren, daß in der Zwischenzeit allen Kunstmitteln der Speculanten freies Feld eingeräumt ist, daß alle Wechselfälle in der Politik, im Handel, in der Industrie auf die Curse Einfluß haben, und zwar unendlich größeren, wie auf jedes andere Papier, daß folglich die Hoffnungen auf Gewinn und die Furcht vor Verlusten den weitesten Spielraum haben, und die Fluctuationen in den Cursen von Tag zu Tag sich nicht blos auf halbe, Drittels-, Fünftels- oder Zehntels-Procente beschränken, wie bei andern Papieren, sondern 20, 50 und noch mehr Procente betragen können; daß endlich diese ungeheuren Fluctuationen von einem europäischen Land in das andere spielen und sich wechselseitig steigern, und daß die Aktien-Krisen bei jedem neuen Ereigniß, ja sogar bei jeder wirklichen oder auch nur scheinbar vortheilhaften oder nachtheiligen Erfahrung oder neuen Erfindung zu allgemeinen europäischen werden - zieht man alle diese nicht nur möglichen, sondern nothwendigen Folgen der unbeschränkten Eisenbahnpapier-Speculation in Erwägung, so erschrickt man vor der Masse des Unheils, welches dadurch über die Völker kommen muß. Das herrlichste Mittel, alle geistigen und materiellen Zustände

darauf an, daß sie auf’s Solideste und Vollkommenste gebaut werden. Eine Bauart, die, wenn der gegenwärtige Personen- und Waarenverkehr nicht von sehr großer Bedeutung ist, eine Privat-Compagnie oder doch einen Theil ihrer Actionaire wahrscheinlich in der nächsten Zukunft ruiniren würde, erscheint in der Regie des Staats als eine nothwendige, den Staatszwecken entsprechende und, wenn die bedeutenderen Transport-Quantitäten und Reinerträgnisse einer entfernteren Zukunft gegen die unbedeutenderen der nächsten Zukunft in die Waagschale gelegt werden, wahrscheinlich auch als die finanziell vortheilhafteste.

Aus der in den vorigen Blättern dieses Artikels enthaltenen Darstellung erhellt, daß die Eisenbahnen auf die persönlichen und geistigen Interessen und die Macht der Staaten weit mehr unmittelbaren Einfluß ausüben, als jedes andere Transportmittel, daß daher ihre Herstellung von den verschiedenen Nationen Europens viel dringender verlangt und von den Regierungen mit weit größerem Eifer betrieben werden wird. Dazu kommt der allgemein herrschende Überfluß an Capitalien und die neuere Speculationssucht in Papieren, welche einige ganz vorzüglich rentirende Unternehmungen und die durch die außerordentlichen Leistungen der Dampfwagenfahrt erregte Phantasie des Publicums zu ihrem Vortheil auszubeuten sucht. Wirft man einen Blick auf das Colossale dieser Papierspeculationen, wie sie jetzt schon in den meisten europäischen Staaten betrieben werden, berücksichtigt man dabei, daß wir uns erst am Eingange dieser neuen Periode der Papierspeculation befinden, bedenkt man, daß die Meinung von dem Werth dieser Effecten überall auf bloßen vagen Hoffnungen und Ansichten, also nirgends auf einer sichern Basis ruht, daß Jahrzehente vorübergehen können, bis man zu denjenigen Resultaten gelangt, welche den eigentlichen Werth derselben fixiren, daß in der Zwischenzeit allen Kunstmitteln der Speculanten freies Feld eingeräumt ist, daß alle Wechselfälle in der Politik, im Handel, in der Industrie auf die Curse Einfluß haben, und zwar unendlich größeren, wie auf jedes andere Papier, daß folglich die Hoffnungen auf Gewinn und die Furcht vor Verlusten den weitesten Spielraum haben, und die Fluctuationen in den Cursen von Tag zu Tag sich nicht blos auf halbe, Drittels-, Fünftels- oder Zehntels-Procente beschränken, wie bei andern Papieren, sondern 20, 50 und noch mehr Procente betragen können; daß endlich diese ungeheuren Fluctuationen von einem europäischen Land in das andere spielen und sich wechselseitig steigern, und daß die Aktien-Krisen bei jedem neuen Ereigniß, ja sogar bei jeder wirklichen oder auch nur scheinbar vortheilhaften oder nachtheiligen Erfahrung oder neuen Erfindung zu allgemeinen europäischen werden – zieht man alle diese nicht nur möglichen, sondern nothwendigen Folgen der unbeschränkten Eisenbahnpapier-Speculation in Erwägung, so erschrickt man vor der Masse des Unheils, welches dadurch über die Völker kommen muß. Das herrlichste Mittel, alle geistigen und materiellen Zustände

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[41/0042] darauf an, daß sie auf’s Solideste und Vollkommenste gebaut werden. Eine Bauart, die, wenn der gegenwärtige Personen- und Waarenverkehr nicht von sehr großer Bedeutung ist, eine Privat-Compagnie oder doch einen Theil ihrer Actionaire wahrscheinlich in der nächsten Zukunft ruiniren würde, erscheint in der Regie des Staats als eine nothwendige, den Staatszwecken entsprechende und, wenn die bedeutenderen Transport-Quantitäten und Reinerträgnisse einer entfernteren Zukunft gegen die unbedeutenderen der nächsten Zukunft in die Waagschale gelegt werden, wahrscheinlich auch als die finanziell vortheilhafteste. Aus der in den vorigen Blättern dieses Artikels enthaltenen Darstellung erhellt, daß die Eisenbahnen auf die persönlichen und geistigen Interessen und die Macht der Staaten weit mehr unmittelbaren Einfluß ausüben, als jedes andere Transportmittel, daß daher ihre Herstellung von den verschiedenen Nationen Europens viel dringender verlangt und von den Regierungen mit weit größerem Eifer betrieben werden wird. Dazu kommt der allgemein herrschende Überfluß an Capitalien und die neuere Speculationssucht in Papieren, welche einige ganz vorzüglich rentirende Unternehmungen und die durch die außerordentlichen Leistungen der Dampfwagenfahrt erregte Phantasie des Publicums zu ihrem Vortheil auszubeuten sucht. Wirft man einen Blick auf das Colossale dieser Papierspeculationen, wie sie jetzt schon in den meisten europäischen Staaten betrieben werden, berücksichtigt man dabei, daß wir uns erst am Eingange dieser neuen Periode der Papierspeculation befinden, bedenkt man, daß die Meinung von dem Werth dieser Effecten überall auf bloßen vagen Hoffnungen und Ansichten, also nirgends auf einer sichern Basis ruht, daß Jahrzehente vorübergehen können, bis man zu denjenigen Resultaten gelangt, welche den eigentlichen Werth derselben fixiren, daß in der Zwischenzeit allen Kunstmitteln der Speculanten freies Feld eingeräumt ist, daß alle Wechselfälle in der Politik, im Handel, in der Industrie auf die Curse Einfluß haben, und zwar unendlich größeren, wie auf jedes andere Papier, daß folglich die Hoffnungen auf Gewinn und die Furcht vor Verlusten den weitesten Spielraum haben, und die Fluctuationen in den Cursen von Tag zu Tag sich nicht blos auf halbe, Drittels-, Fünftels- oder Zehntels-Procente beschränken, wie bei andern Papieren, sondern 20, 50 und noch mehr Procente betragen können; daß endlich diese ungeheuren Fluctuationen von einem europäischen Land in das andere spielen und sich wechselseitig steigern, und daß die Aktien-Krisen bei jedem neuen Ereigniß, ja sogar bei jeder wirklichen oder auch nur scheinbar vortheilhaften oder nachtheiligen Erfahrung oder neuen Erfindung zu allgemeinen europäischen werden – zieht man alle diese nicht nur möglichen, sondern nothwendigen Folgen der unbeschränkten Eisenbahnpapier-Speculation in Erwägung, so erschrickt man vor der Masse des Unheils, welches dadurch über die Völker kommen muß. Das herrlichste Mittel, alle geistigen und materiellen Zustände

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/42>, abgerufen am 25.04.2024.