Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Staaten, z. B. Ohio, Indiana, Illinois folgten. Man erwog dabei nicht nur die Verluste, welche die Privaten riskiren würden, und ihre Unheil bringenden Folgen, sondern auch die weiteren Umstände, daß das Werk der Herstellung eines Transportsystems , das durch die ganze Union mit dem charakteristischen Namen der internal improvements oder inneren Verbesserungen bezeichnet wurde, durch den Staat auf viel schnellere, solidere und sicherere Weise zu Stande gebracht werde.

Daß bei dem Canalbau in England dieselben Erfahrungen gemacht worden sind, beweist die hiernach angeführte Liste der englischen Canäle vom Jahre 1831. Unter 68, deren Einzahlung und Actiencurs dort vollständig angegeben ist (mehrere Angaben sind unvollkommen), standen 31 über pari, einer pari und 34 unter pari. Unter den über pari stehenden gewann einer 1500 Procent 1 - 1100, - 1 - 600, - 2 - 500, 3 zwischen 300 und 400, 13 zwischen 100 und 300, 10 zwischen 5 und 100 Procent. Von den verlierenden 34 Canälen standen 8 zwischen 10 und 25, 10 zwischen 25 und 50, 1 - 60, und 11 zwischen 80 und 99 unter pari. Hieraus geht hervor, daß auch bei dem englischen Canalbau nur wenige Unternehmer große Preise zogen, daß nur eine mäßige Anzahl einen beträchtlichen Gewinn realisirte, mehr als die Hälfte aber verlor, viele den größten Theil ihres Capitals, einige fast Alles.

Die angegebenen Gewinnste aber vermindern sich bedeutend, und die Verluste vermehren sich in gleichem Verhältniß, wenn man berücksichtigt, daß es in England so wenig wie in Nordamerika gebräuchlich ist, Zinsen auf die Actien zu bezahlen, so lange das Werk im Bau begriffen ist und nicht rentirt. Das Zinsenzahlen aus den Capitalfonds der Compagnien ist eine französische Erfindung, die nur den Zweck zu haben scheint, den Credit der Unternehmungen zum Vortheil der ersten Unternehmer, der Actien-Speculanten und der die Compagnie-Angelegenheiten leitenden Personen unter allen Umständen für einige Zeit aufrecht zu erhalten. Zur Vertheidigung dieser Verfahrungsweise wird zwar angeführt, sie setze den kleinen Capitalisten, der auf regelmäßigen Zinsenbezug rechnen müsse, in den Stand, an dergleichen Unternehmungen Theil zu nehmen. Es ist aber klar, daß man auf diese Weise eine Illusion mit einer Illusion rechtfertigen will. Denn eben darin liegt der Nachtheil jenes Verfahrens, daß es Leute, die nichts wagen können und nichts wagen sollten, zu Wagnissen verleitet, indem ihnen vorgespiegelt wird, sie könnten nach wie vor ihre Zinsen consumiren, während es sich vielleicht später ergibt, daß sie ihre Capitale consumirt haben. Offenbar ist dieses illusorische Verfahren nur dazu erfunden, um denjenigen Capitalisten und Bankiers, welche sich als Entrepreneurs voranstellen, schon im Beginn des Unternehmens Prämien in die Hände zu spielen. Es ist sehr zu bedauern und droht den Ruf ihrer Solidität nicht wenig zu gefährden, daß dieser Modus bei den Deutschen in neuerer Zeit Nachahmung gefunden hat. Berechnet man bei den oben angegebenen englischen Unternehmungen, die während des Baues

Staaten, z. B. Ohio, Indiana, Illinois folgten. Man erwog dabei nicht nur die Verluste, welche die Privaten riskiren würden, und ihre Unheil bringenden Folgen, sondern auch die weiteren Umstände, daß das Werk der Herstellung eines Transportsystems , das durch die ganze Union mit dem charakteristischen Namen der internal improvements oder inneren Verbesserungen bezeichnet wurde, durch den Staat auf viel schnellere, solidere und sicherere Weise zu Stande gebracht werde.

Daß bei dem Canalbau in England dieselben Erfahrungen gemacht worden sind, beweist die hiernach angeführte Liste der englischen Canäle vom Jahre 1831. Unter 68, deren Einzahlung und Actiencurs dort vollständig angegeben ist (mehrere Angaben sind unvollkommen), standen 31 über pari, einer pari und 34 unter pari. Unter den über pari stehenden gewann einer 1500 Procent 1 – 1100, – 1 – 600, – 2 – 500, 3 zwischen 300 und 400, 13 zwischen 100 und 300, 10 zwischen 5 und 100 Procent. Von den verlierenden 34 Canälen standen 8 zwischen 10 und 25, 10 zwischen 25 und 50, 1 – 60, und 11 zwischen 80 und 99 unter pari. Hieraus geht hervor, daß auch bei dem englischen Canalbau nur wenige Unternehmer große Preise zogen, daß nur eine mäßige Anzahl einen beträchtlichen Gewinn realisirte, mehr als die Hälfte aber verlor, viele den größten Theil ihres Capitals, einige fast Alles.

Die angegebenen Gewinnste aber vermindern sich bedeutend, und die Verluste vermehren sich in gleichem Verhältniß, wenn man berücksichtigt, daß es in England so wenig wie in Nordamerika gebräuchlich ist, Zinsen auf die Actien zu bezahlen, so lange das Werk im Bau begriffen ist und nicht rentirt. Das Zinsenzahlen aus den Capitalfonds der Compagnien ist eine französische Erfindung, die nur den Zweck zu haben scheint, den Credit der Unternehmungen zum Vortheil der ersten Unternehmer, der Actien-Speculanten und der die Compagnie-Angelegenheiten leitenden Personen unter allen Umständen für einige Zeit aufrecht zu erhalten. Zur Vertheidigung dieser Verfahrungsweise wird zwar angeführt, sie setze den kleinen Capitalisten, der auf regelmäßigen Zinsenbezug rechnen müsse, in den Stand, an dergleichen Unternehmungen Theil zu nehmen. Es ist aber klar, daß man auf diese Weise eine Illusion mit einer Illusion rechtfertigen will. Denn eben darin liegt der Nachtheil jenes Verfahrens, daß es Leute, die nichts wagen können und nichts wagen sollten, zu Wagnissen verleitet, indem ihnen vorgespiegelt wird, sie könnten nach wie vor ihre Zinsen consumiren, während es sich vielleicht später ergibt, daß sie ihre Capitale consumirt haben. Offenbar ist dieses illusorische Verfahren nur dazu erfunden, um denjenigen Capitalisten und Bankiers, welche sich als Entrepreneurs voranstellen, schon im Beginn des Unternehmens Prämien in die Hände zu spielen. Es ist sehr zu bedauern und droht den Ruf ihrer Solidität nicht wenig zu gefährden, daß dieser Modus bei den Deutschen in neuerer Zeit Nachahmung gefunden hat. Berechnet man bei den oben angegebenen englischen Unternehmungen, die während des Baues

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0040" n="39"/>
Staaten, z. B. Ohio, Indiana, Illinois folgten. Man erwog dabei nicht nur die Verluste, welche die Privaten riskiren würden, und ihre Unheil bringenden Folgen, sondern auch die weiteren Umstände, daß das Werk der Herstellung eines Transportsystems , das durch die ganze Union mit dem charakteristischen Namen der <hi rendition="#aq">internal improvements</hi> oder <hi rendition="#g">inneren Verbesserungen</hi> bezeichnet wurde, durch den Staat auf viel schnellere, solidere und sicherere Weise zu Stande gebracht werde.</p>
        <p>Daß bei dem <hi rendition="#g">Canalbau in England</hi> dieselben Erfahrungen gemacht worden sind, beweist die hiernach angeführte Liste der englischen Canäle vom Jahre 1831. Unter 68, deren Einzahlung und Actiencurs dort vollständig angegeben ist (mehrere Angaben sind unvollkommen), standen 31 über pari, einer pari und 34 unter pari. Unter den über pari stehenden gewann einer 1500 Procent 1 &#x2013; 1100, &#x2013; 1 &#x2013; 600, &#x2013; 2 &#x2013; 500, 3 zwischen 300 und 400, 13 zwischen 100 und 300, 10 zwischen 5 und 100 Procent. Von den verlierenden 34 Canälen standen 8 zwischen 10 und 25, 10 zwischen 25 und 50, 1 &#x2013; 60, und 11 zwischen 80 und 99 unter pari. Hieraus geht hervor, daß auch bei dem englischen Canalbau nur wenige Unternehmer große Preise zogen, daß nur eine mäßige Anzahl einen beträchtlichen Gewinn realisirte, mehr als die Hälfte aber verlor, viele den größten Theil ihres Capitals, einige fast Alles.</p>
        <p>Die angegebenen Gewinnste aber vermindern sich bedeutend, und die Verluste vermehren sich in gleichem Verhältniß, wenn man berücksichtigt, daß es in England so wenig wie in Nordamerika gebräuchlich ist, <hi rendition="#g">Zinsen auf die Actien zu bezahlen, so lange das Werk im Bau begriffen ist und nicht rentirt</hi>. Das Zinsenzahlen aus den Capitalfonds der Compagnien ist eine <hi rendition="#g">französische Erfindung</hi>, die nur den Zweck zu haben scheint, den Credit der Unternehmungen zum Vortheil der ersten Unternehmer, der Actien-Speculanten und der die Compagnie-Angelegenheiten leitenden Personen unter allen Umständen für einige Zeit aufrecht zu erhalten. Zur Vertheidigung dieser Verfahrungsweise wird zwar angeführt, sie setze den kleinen Capitalisten, der auf regelmäßigen Zinsenbezug rechnen müsse, in den Stand, an dergleichen Unternehmungen Theil zu nehmen. Es ist aber klar, daß man auf diese Weise eine Illusion mit einer Illusion rechtfertigen will. Denn eben darin liegt der Nachtheil jenes Verfahrens, daß es Leute, die nichts wagen können und nichts wagen sollten, zu Wagnissen verleitet, indem ihnen vorgespiegelt wird, sie könnten nach wie vor ihre Zinsen consumiren, während es sich vielleicht später ergibt, daß sie ihre Capitale consumirt haben. Offenbar ist dieses illusorische Verfahren nur dazu erfunden, um denjenigen Capitalisten und Bankiers, welche sich als Entrepreneurs voranstellen, schon im Beginn des Unternehmens Prämien in die Hände zu spielen. Es ist sehr zu bedauern und droht den Ruf ihrer Solidität nicht wenig zu gefährden, daß dieser Modus bei den Deutschen in neuerer Zeit Nachahmung gefunden hat. Berechnet man bei den oben angegebenen englischen Unternehmungen, die während des Baues
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0040] Staaten, z. B. Ohio, Indiana, Illinois folgten. Man erwog dabei nicht nur die Verluste, welche die Privaten riskiren würden, und ihre Unheil bringenden Folgen, sondern auch die weiteren Umstände, daß das Werk der Herstellung eines Transportsystems , das durch die ganze Union mit dem charakteristischen Namen der internal improvements oder inneren Verbesserungen bezeichnet wurde, durch den Staat auf viel schnellere, solidere und sicherere Weise zu Stande gebracht werde. Daß bei dem Canalbau in England dieselben Erfahrungen gemacht worden sind, beweist die hiernach angeführte Liste der englischen Canäle vom Jahre 1831. Unter 68, deren Einzahlung und Actiencurs dort vollständig angegeben ist (mehrere Angaben sind unvollkommen), standen 31 über pari, einer pari und 34 unter pari. Unter den über pari stehenden gewann einer 1500 Procent 1 – 1100, – 1 – 600, – 2 – 500, 3 zwischen 300 und 400, 13 zwischen 100 und 300, 10 zwischen 5 und 100 Procent. Von den verlierenden 34 Canälen standen 8 zwischen 10 und 25, 10 zwischen 25 und 50, 1 – 60, und 11 zwischen 80 und 99 unter pari. Hieraus geht hervor, daß auch bei dem englischen Canalbau nur wenige Unternehmer große Preise zogen, daß nur eine mäßige Anzahl einen beträchtlichen Gewinn realisirte, mehr als die Hälfte aber verlor, viele den größten Theil ihres Capitals, einige fast Alles. Die angegebenen Gewinnste aber vermindern sich bedeutend, und die Verluste vermehren sich in gleichem Verhältniß, wenn man berücksichtigt, daß es in England so wenig wie in Nordamerika gebräuchlich ist, Zinsen auf die Actien zu bezahlen, so lange das Werk im Bau begriffen ist und nicht rentirt. Das Zinsenzahlen aus den Capitalfonds der Compagnien ist eine französische Erfindung, die nur den Zweck zu haben scheint, den Credit der Unternehmungen zum Vortheil der ersten Unternehmer, der Actien-Speculanten und der die Compagnie-Angelegenheiten leitenden Personen unter allen Umständen für einige Zeit aufrecht zu erhalten. Zur Vertheidigung dieser Verfahrungsweise wird zwar angeführt, sie setze den kleinen Capitalisten, der auf regelmäßigen Zinsenbezug rechnen müsse, in den Stand, an dergleichen Unternehmungen Theil zu nehmen. Es ist aber klar, daß man auf diese Weise eine Illusion mit einer Illusion rechtfertigen will. Denn eben darin liegt der Nachtheil jenes Verfahrens, daß es Leute, die nichts wagen können und nichts wagen sollten, zu Wagnissen verleitet, indem ihnen vorgespiegelt wird, sie könnten nach wie vor ihre Zinsen consumiren, während es sich vielleicht später ergibt, daß sie ihre Capitale consumirt haben. Offenbar ist dieses illusorische Verfahren nur dazu erfunden, um denjenigen Capitalisten und Bankiers, welche sich als Entrepreneurs voranstellen, schon im Beginn des Unternehmens Prämien in die Hände zu spielen. Es ist sehr zu bedauern und droht den Ruf ihrer Solidität nicht wenig zu gefährden, daß dieser Modus bei den Deutschen in neuerer Zeit Nachahmung gefunden hat. Berechnet man bei den oben angegebenen englischen Unternehmungen, die während des Baues

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Die innerhalb des Werks inkonsistente Rechtschreibung und Schreibung von z. B. Ortsnamen wird beibehalten. Offensichtliche Druckfehler des Originals werden im sichtbaren Editionstext stillschweigend korrigiert, im Quelltext jedoch auskommentiert dargestellt.
  • Die Frakturschrift der Vorlage kennt keine großen Umlaute; Ae, Oe, Ue werden zu Ä, Ö und Ü umgesetzt. Weiterhin wird im Original für die großen I und J nur die Type J benutzt; hier werden I und J eingesetzt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/40
Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/40>, abgerufen am 18.12.2024.