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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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würden diese, wenn auch in Beziehung auf die Dividende etwas zweifelhaften, Unternehmungen in nationalökonomischer Beziehung unermeßlichen Nutzen gewähren.

Endlich ein vollständiges Eisenbahnsystem, wie es bereits in den letzten Jahren fast nach allen seinen Bestandtheilen projectirt worden ist.

In Deutschland wird die Herstellung eines Eisenbahnsystems dem Canalsysteme vorangehen, während in England, Frankreich und Nordamerika die Canäle vorangingen und die Eisenbahnen folgten. Wann erst der Eisenbahntransport die Deutschen zur Erkenntniß der Vortheile eines vollkommenen Transportsystems gebracht, ihre Industrie mehr entwickelt, ihren Handel erweitert und die Transporte so vermehrt haben wird, daß die Eisenbahnen den Transport schwerer und wohlfeiler Güter hinderlich und wenig gewinnreich finden, dann wird man die Canäle als schwerfällige und langsame, aber wohlfeile und starke Lastenträger zu Hülfe rufen.

Gleichzeitig mit dem deutschen Transportsysteme wird sich das der Schweiz und Italiens ausbilden. Die Canäle und Eisenbahnen werden sich von beiden Seiten bis an den Fuß der Alpen erstrecken; das Verbindungsmittel werden aber fortan die Chausseen bilden.

Daß ein so vollständiges Transportsystem in Deutschland hergestellt werden müsse, darüber ist die öffentliche Meinung, wie uns bedünkt, nicht mehr im Zweifel. Die deutsche Nation kennt ihre Bedürfnisse wie ihre Kräfte, sie fühlt, daß ihr weder in geistiger noch in materieller Beziehung die Mittel fehlen, den höchsten Grad industrieller Ausbildung zu erreichen, wie sie schon in wissenschaftlicher Ausbildung keiner Nation der Erde nachsteht. Sie hat die Früchte der deutschen Handelsunion gekostet und sie süß, kräftig und nährend gefunden. Sie hat in ihren polytechnischen Schulen neue Bäume gepflanzt, und die herrliche Blüthe verspricht ihr reichen Ertrag. Man sehe, wie die deutsche Jugend überall sich in die Gewerbschulen und in die Fabriken drängt - wie sie nach fremden Ländern strömt, um sich zu unterrichten. Mit jedem Tage muß daher das Verlangen nach den großen Instrumenten der Production und der Civilisation in dem deutschen Publicum klarer an den Tag treten. Glücklicherweise gehen die Interessen und Bedürfnisse der Regierungen mit dem der Völker in dieser Beziehung ganz besonders Hand in Hand, und so ist vorauszusehen, daß die Lösung dieser großen Aufgabe von jetzt an ein ganzes Menschenalter hindurch und vielleicht noch länger einen Hauptgegenstand der Thätigkeit deutscher Regierungen und Ständeversammlungen bilden wird.

Zuerst aber wird überall die Frage zur Sprache kommen: ob diese Unternehmungen am besten durch den Staat ausschließlich, oder durch die Privaten ausschließlich geschehe, oder ob eine Combination

würden diese, wenn auch in Beziehung auf die Dividende etwas zweifelhaften, Unternehmungen in nationalökonomischer Beziehung unermeßlichen Nutzen gewähren.

Endlich ein vollständiges Eisenbahnsystem, wie es bereits in den letzten Jahren fast nach allen seinen Bestandtheilen projectirt worden ist.

In Deutschland wird die Herstellung eines Eisenbahnsystems dem Canalsysteme vorangehen, während in England, Frankreich und Nordamerika die Canäle vorangingen und die Eisenbahnen folgten. Wann erst der Eisenbahntransport die Deutschen zur Erkenntniß der Vortheile eines vollkommenen Transportsystems gebracht, ihre Industrie mehr entwickelt, ihren Handel erweitert und die Transporte so vermehrt haben wird, daß die Eisenbahnen den Transport schwerer und wohlfeiler Güter hinderlich und wenig gewinnreich finden, dann wird man die Canäle als schwerfällige und langsame, aber wohlfeile und starke Lastenträger zu Hülfe rufen.

Gleichzeitig mit dem deutschen Transportsysteme wird sich das der Schweiz und Italiens ausbilden. Die Canäle und Eisenbahnen werden sich von beiden Seiten bis an den Fuß der Alpen erstrecken; das Verbindungsmittel werden aber fortan die Chausseen bilden.

Daß ein so vollständiges Transportsystem in Deutschland hergestellt werden müsse, darüber ist die öffentliche Meinung, wie uns bedünkt, nicht mehr im Zweifel. Die deutsche Nation kennt ihre Bedürfnisse wie ihre Kräfte, sie fühlt, daß ihr weder in geistiger noch in materieller Beziehung die Mittel fehlen, den höchsten Grad industrieller Ausbildung zu erreichen, wie sie schon in wissenschaftlicher Ausbildung keiner Nation der Erde nachsteht. Sie hat die Früchte der deutschen Handelsunion gekostet und sie süß, kräftig und nährend gefunden. Sie hat in ihren polytechnischen Schulen neue Bäume gepflanzt, und die herrliche Blüthe verspricht ihr reichen Ertrag. Man sehe, wie die deutsche Jugend überall sich in die Gewerbschulen und in die Fabriken drängt – wie sie nach fremden Ländern strömt, um sich zu unterrichten. Mit jedem Tage muß daher das Verlangen nach den großen Instrumenten der Production und der Civilisation in dem deutschen Publicum klarer an den Tag treten. Glücklicherweise gehen die Interessen und Bedürfnisse der Regierungen mit dem der Völker in dieser Beziehung ganz besonders Hand in Hand, und so ist vorauszusehen, daß die Lösung dieser großen Aufgabe von jetzt an ein ganzes Menschenalter hindurch und vielleicht noch länger einen Hauptgegenstand der Thätigkeit deutscher Regierungen und Ständeversammlungen bilden wird.

Zuerst aber wird überall die Frage zur Sprache kommen: ob diese Unternehmungen am besten durch den Staat ausschließlich, oder durch die Privaten ausschließlich geschehe, oder ob eine Combination

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[35/0036] würden diese, wenn auch in Beziehung auf die Dividende etwas zweifelhaften, Unternehmungen in nationalökonomischer Beziehung unermeßlichen Nutzen gewähren. Endlich ein vollständiges Eisenbahnsystem, wie es bereits in den letzten Jahren fast nach allen seinen Bestandtheilen projectirt worden ist. In Deutschland wird die Herstellung eines Eisenbahnsystems dem Canalsysteme vorangehen, während in England, Frankreich und Nordamerika die Canäle vorangingen und die Eisenbahnen folgten. Wann erst der Eisenbahntransport die Deutschen zur Erkenntniß der Vortheile eines vollkommenen Transportsystems gebracht, ihre Industrie mehr entwickelt, ihren Handel erweitert und die Transporte so vermehrt haben wird, daß die Eisenbahnen den Transport schwerer und wohlfeiler Güter hinderlich und wenig gewinnreich finden, dann wird man die Canäle als schwerfällige und langsame, aber wohlfeile und starke Lastenträger zu Hülfe rufen. Gleichzeitig mit dem deutschen Transportsysteme wird sich das der Schweiz und Italiens ausbilden. Die Canäle und Eisenbahnen werden sich von beiden Seiten bis an den Fuß der Alpen erstrecken; das Verbindungsmittel werden aber fortan die Chausseen bilden. Daß ein so vollständiges Transportsystem in Deutschland hergestellt werden müsse, darüber ist die öffentliche Meinung, wie uns bedünkt, nicht mehr im Zweifel. Die deutsche Nation kennt ihre Bedürfnisse wie ihre Kräfte, sie fühlt, daß ihr weder in geistiger noch in materieller Beziehung die Mittel fehlen, den höchsten Grad industrieller Ausbildung zu erreichen, wie sie schon in wissenschaftlicher Ausbildung keiner Nation der Erde nachsteht. Sie hat die Früchte der deutschen Handelsunion gekostet und sie süß, kräftig und nährend gefunden. Sie hat in ihren polytechnischen Schulen neue Bäume gepflanzt, und die herrliche Blüthe verspricht ihr reichen Ertrag. Man sehe, wie die deutsche Jugend überall sich in die Gewerbschulen und in die Fabriken drängt – wie sie nach fremden Ländern strömt, um sich zu unterrichten. Mit jedem Tage muß daher das Verlangen nach den großen Instrumenten der Production und der Civilisation in dem deutschen Publicum klarer an den Tag treten. Glücklicherweise gehen die Interessen und Bedürfnisse der Regierungen mit dem der Völker in dieser Beziehung ganz besonders Hand in Hand, und so ist vorauszusehen, daß die Lösung dieser großen Aufgabe von jetzt an ein ganzes Menschenalter hindurch und vielleicht noch länger einen Hauptgegenstand der Thätigkeit deutscher Regierungen und Ständeversammlungen bilden wird. Zuerst aber wird überall die Frage zur Sprache kommen: ob diese Unternehmungen am besten durch den Staat ausschließlich, oder durch die Privaten ausschließlich geschehe, oder ob eine Combination

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/36>, abgerufen am 29.03.2024.