List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.Dividenden bringt. Weise Regierungen werden sich schon bei der Anlage in dieser Beziehung vortheilhafte Bedingungen stipuliren. Wo aber, wie in Belgien, der Staat selbst Eigenthümer und Administrator der Eisenbahnen ist, dürften zu Kriegszeiten nur die Zugkosten und Reparaturen in Anschlag zu bringen sein. Jedenfalls ist anzunehmen, daß dieser Transport für ungefähr 6 Pf. per deutsche Meile a Person zu bewerkstelligen ist, wonach also der Transport eines Armeecorps von 100,000 Mann, excl. des groben Geschützes u. s. w., auf eine Strecke von 100 Meilen nicht höher als auf ungefähr 200,000 Thaler zu stehen käme. Durch die Bedürfnisse des Personenverkehrs und der Industrie und durch die Beziehungen der Hauptstadt zu den Provinzen werden sich die Eisenbahnsysteme aller großen Continental-Nationen netzartig gestalten, so daß sie von den Hauptstädten nach den Hauptgrenz-Punkten ausstrahlen. Die Regierung wird also in der kürzesten Frist aus den entferntesten Gegenden des Reichs Streitkräfte in der Hauptstadt sammeln und dieselben nach den vom Feinde bedrohten Punkten werfen können. Mit eben so großer Leichtigkeit wird sie Artillerie, Munition und Proviantvorräthe concentriren und den verschiedenen Armeecorps nachsenden. Die Heerzüge werden das Innere des Landes durch Einquartirungen, Vorspann u. s. w. nicht erschöpfen oder die Straßen ruiniren, bevor sie zur Grenze gelangen. Die Truppen selbst werden ihre besten Kräfte nicht auf Märschen erschöpfen, bevor sie in's Treffen kommen. Auf dem Wagen ausgeruht, werden sie bei ihrer Ankunft auf dem Kampfplatze am besten im Stande sein, sich mit dem Feinde zu messen, und haben sie ihn auf einem Punkte, zurückgeschlagen, so können sie am zweiten oder dritten Tage nach der Schlacht auf einem andern entfernten Punkte mit gleichem Erfolge verwendet werden. Verwundete und Kranke schafft man nun mit der größten Schnelligkeit und Schonung in die Lazarethe im Innern. Man braucht nicht Monate und Jahre, um eine Armee zum Behufe der Vertheidigung zu sammeln, nicht Beobachtungsarmeen Jahre lang mit großen Kosten an den Grenzen aufzustellen. Und so leicht und wenig kostspielig es ist, eine Armee auf die Beine zu stellen und nach den bedrohten Punkten zu werfen, so leicht ist es nach beendigtem Kriege, sie aufzulösen und jeden wieder nach seiner Heimath zu versetzen. Im schönsten Lichte stellen sich uns aber diese Wirkungen dar, wenn wir bedenken, daß die angeführten Vortheile fast ausschließlich der Vertheidigung zu Statten kommen, indem es ohne Vergleich leichter sein wird defensiv, und ohne Vergleich schwerer als bisher offensiv zu agiren. Die netzartige concentrische Form des Eisenbahnsystems mit allen ihren Vortheilen in Herbeischaffung und Sammlung frischer Streitkräfte mit dem ganzen Fahrapparate kommt nur der angegriffenen Nation zu Statten, der Feind dagegen kann nur auf einer oder auf wenigen Linien vorrücken. Je weiter er sich aber vorwärts wagt, desto gefährlicher wird seine Stellung, indem jeder Schritt, um welchen er Dividenden bringt. Weise Regierungen werden sich schon bei der Anlage in dieser Beziehung vortheilhafte Bedingungen stipuliren. Wo aber, wie in Belgien, der Staat selbst Eigenthümer und Administrator der Eisenbahnen ist, dürften zu Kriegszeiten nur die Zugkosten und Reparaturen in Anschlag zu bringen sein. Jedenfalls ist anzunehmen, daß dieser Transport für ungefähr 6 Pf. per deutsche Meile à Person zu bewerkstelligen ist, wonach also der Transport eines Armeecorps von 100,000 Mann, excl. des groben Geschützes u. s. w., auf eine Strecke von 100 Meilen nicht höher als auf ungefähr 200,000 Thaler zu stehen käme. Durch die Bedürfnisse des Personenverkehrs und der Industrie und durch die Beziehungen der Hauptstadt zu den Provinzen werden sich die Eisenbahnsysteme aller großen Continental-Nationen netzartig gestalten, so daß sie von den Hauptstädten nach den Hauptgrenz-Punkten ausstrahlen. Die Regierung wird also in der kürzesten Frist aus den entferntesten Gegenden des Reichs Streitkräfte in der Hauptstadt sammeln und dieselben nach den vom Feinde bedrohten Punkten werfen können. Mit eben so großer Leichtigkeit wird sie Artillerie, Munition und Proviantvorräthe concentriren und den verschiedenen Armeecorps nachsenden. Die Heerzüge werden das Innere des Landes durch Einquartirungen, Vorspann u. s. w. nicht erschöpfen oder die Straßen ruiniren, bevor sie zur Grenze gelangen. Die Truppen selbst werden ihre besten Kräfte nicht auf Märschen erschöpfen, bevor sie in’s Treffen kommen. Auf dem Wagen ausgeruht, werden sie bei ihrer Ankunft auf dem Kampfplatze am besten im Stande sein, sich mit dem Feinde zu messen, und haben sie ihn auf einem Punkte, zurückgeschlagen, so können sie am zweiten oder dritten Tage nach der Schlacht auf einem andern entfernten Punkte mit gleichem Erfolge verwendet werden. Verwundete und Kranke schafft man nun mit der größten Schnelligkeit und Schonung in die Lazarethe im Innern. Man braucht nicht Monate und Jahre, um eine Armee zum Behufe der Vertheidigung zu sammeln, nicht Beobachtungsarmeen Jahre lang mit großen Kosten an den Grenzen aufzustellen. Und so leicht und wenig kostspielig es ist, eine Armee auf die Beine zu stellen und nach den bedrohten Punkten zu werfen, so leicht ist es nach beendigtem Kriege, sie aufzulösen und jeden wieder nach seiner Heimath zu versetzen. Im schönsten Lichte stellen sich uns aber diese Wirkungen dar, wenn wir bedenken, daß die angeführten Vortheile fast ausschließlich der Vertheidigung zu Statten kommen, indem es ohne Vergleich leichter sein wird defensiv, und ohne Vergleich schwerer als bisher offensiv zu agiren. Die netzartige concentrische Form des Eisenbahnsystems mit allen ihren Vortheilen in Herbeischaffung und Sammlung frischer Streitkräfte mit dem ganzen Fahrapparate kommt nur der angegriffenen Nation zu Statten, der Feind dagegen kann nur auf einer oder auf wenigen Linien vorrücken. Je weiter er sich aber vorwärts wagt, desto gefährlicher wird seine Stellung, indem jeder Schritt, um welchen er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="13"/> Dividenden bringt. Weise Regierungen werden sich schon bei der Anlage in dieser Beziehung vortheilhafte Bedingungen stipuliren. Wo aber, wie in Belgien, der Staat selbst Eigenthümer und Administrator der Eisenbahnen ist, dürften zu Kriegszeiten nur die Zugkosten und Reparaturen in Anschlag zu bringen sein. Jedenfalls ist anzunehmen, daß dieser Transport für ungefähr 6 Pf. per deutsche Meile à Person zu bewerkstelligen ist, wonach also der Transport eines Armeecorps von 100,000 Mann, excl. des groben Geschützes u. s. w., auf eine Strecke von 100 Meilen nicht höher als auf ungefähr 200,000 Thaler zu stehen käme.</p> <p>Durch die Bedürfnisse des Personenverkehrs und der Industrie und durch die Beziehungen der Hauptstadt zu den Provinzen werden sich die Eisenbahnsysteme aller großen Continental-Nationen netzartig gestalten, so daß sie von den Hauptstädten nach den Hauptgrenz-Punkten ausstrahlen. Die Regierung wird also in der kürzesten Frist aus den entferntesten Gegenden des Reichs Streitkräfte in der Hauptstadt sammeln und dieselben nach den vom Feinde bedrohten Punkten werfen können. Mit eben so großer Leichtigkeit wird sie Artillerie, Munition und Proviantvorräthe concentriren und den verschiedenen Armeecorps nachsenden. Die Heerzüge werden das Innere des Landes durch Einquartirungen, Vorspann u. s. w. nicht erschöpfen oder die Straßen ruiniren, bevor sie zur Grenze gelangen. Die Truppen selbst werden ihre besten Kräfte nicht auf Märschen erschöpfen, bevor sie in’s Treffen kommen. Auf dem Wagen ausgeruht, werden sie bei ihrer Ankunft auf dem Kampfplatze am besten im Stande sein, sich mit dem Feinde zu messen, und haben sie ihn auf einem Punkte, zurückgeschlagen, so können sie am zweiten oder dritten Tage nach der Schlacht auf einem andern entfernten Punkte mit gleichem Erfolge verwendet werden. Verwundete und Kranke schafft man nun mit der größten Schnelligkeit und Schonung in die Lazarethe im Innern. Man braucht nicht Monate und Jahre, um eine Armee zum Behufe der Vertheidigung zu sammeln, nicht Beobachtungsarmeen Jahre lang mit großen Kosten an den Grenzen aufzustellen. Und so leicht und wenig kostspielig es ist, eine Armee auf die Beine zu stellen und nach den bedrohten Punkten zu werfen, so leicht ist es nach beendigtem Kriege, sie aufzulösen und jeden wieder nach seiner Heimath zu versetzen.</p> <p>Im schönsten Lichte stellen sich uns aber diese Wirkungen dar, wenn wir bedenken, daß die angeführten Vortheile <hi rendition="#g">fast ausschließlich der Vertheidigung zu Statten kommen</hi>, indem es ohne Vergleich leichter sein wird <hi rendition="#g">defensiv</hi>, und ohne Vergleich schwerer als bisher <hi rendition="#g">offensiv</hi> zu agiren.</p> <p>Die netzartige concentrische Form des Eisenbahnsystems mit allen ihren Vortheilen in Herbeischaffung und Sammlung frischer Streitkräfte mit dem ganzen Fahrapparate kommt nur der angegriffenen Nation zu Statten, der Feind dagegen kann nur auf einer oder auf wenigen Linien vorrücken. 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Dividenden bringt. Weise Regierungen werden sich schon bei der Anlage in dieser Beziehung vortheilhafte Bedingungen stipuliren. Wo aber, wie in Belgien, der Staat selbst Eigenthümer und Administrator der Eisenbahnen ist, dürften zu Kriegszeiten nur die Zugkosten und Reparaturen in Anschlag zu bringen sein. Jedenfalls ist anzunehmen, daß dieser Transport für ungefähr 6 Pf. per deutsche Meile à Person zu bewerkstelligen ist, wonach also der Transport eines Armeecorps von 100,000 Mann, excl. des groben Geschützes u. s. w., auf eine Strecke von 100 Meilen nicht höher als auf ungefähr 200,000 Thaler zu stehen käme.
Durch die Bedürfnisse des Personenverkehrs und der Industrie und durch die Beziehungen der Hauptstadt zu den Provinzen werden sich die Eisenbahnsysteme aller großen Continental-Nationen netzartig gestalten, so daß sie von den Hauptstädten nach den Hauptgrenz-Punkten ausstrahlen. Die Regierung wird also in der kürzesten Frist aus den entferntesten Gegenden des Reichs Streitkräfte in der Hauptstadt sammeln und dieselben nach den vom Feinde bedrohten Punkten werfen können. Mit eben so großer Leichtigkeit wird sie Artillerie, Munition und Proviantvorräthe concentriren und den verschiedenen Armeecorps nachsenden. Die Heerzüge werden das Innere des Landes durch Einquartirungen, Vorspann u. s. w. nicht erschöpfen oder die Straßen ruiniren, bevor sie zur Grenze gelangen. Die Truppen selbst werden ihre besten Kräfte nicht auf Märschen erschöpfen, bevor sie in’s Treffen kommen. Auf dem Wagen ausgeruht, werden sie bei ihrer Ankunft auf dem Kampfplatze am besten im Stande sein, sich mit dem Feinde zu messen, und haben sie ihn auf einem Punkte, zurückgeschlagen, so können sie am zweiten oder dritten Tage nach der Schlacht auf einem andern entfernten Punkte mit gleichem Erfolge verwendet werden. Verwundete und Kranke schafft man nun mit der größten Schnelligkeit und Schonung in die Lazarethe im Innern. Man braucht nicht Monate und Jahre, um eine Armee zum Behufe der Vertheidigung zu sammeln, nicht Beobachtungsarmeen Jahre lang mit großen Kosten an den Grenzen aufzustellen. Und so leicht und wenig kostspielig es ist, eine Armee auf die Beine zu stellen und nach den bedrohten Punkten zu werfen, so leicht ist es nach beendigtem Kriege, sie aufzulösen und jeden wieder nach seiner Heimath zu versetzen.
Im schönsten Lichte stellen sich uns aber diese Wirkungen dar, wenn wir bedenken, daß die angeführten Vortheile fast ausschließlich der Vertheidigung zu Statten kommen, indem es ohne Vergleich leichter sein wird defensiv, und ohne Vergleich schwerer als bisher offensiv zu agiren.
Die netzartige concentrische Form des Eisenbahnsystems mit allen ihren Vortheilen in Herbeischaffung und Sammlung frischer Streitkräfte mit dem ganzen Fahrapparate kommt nur der angegriffenen Nation zu Statten, der Feind dagegen kann nur auf einer oder auf wenigen Linien vorrücken. Je weiter er sich aber vorwärts wagt, desto gefährlicher wird seine Stellung, indem jeder Schritt, um welchen er
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