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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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Vorrede.

Wie beweglich und nachdrücklich indes-
sen ich hier auch meinen Lesern zurede, so
muß ich doch besorgen, es werde an Spöt-
tern nicht mangeln, die bey einer jeden
Zeile meiner Anmerckungen etwas zu er-
innern haben werden.

Da wird der Eine sprechen: Meine An-
merckungen wären läppisch; ich zeigte dar-
inn weder Verstand noch Gelehrsamkeit,
sondern verriehte nur meine Einfalt so
mercklich, daß man sagen könnte, ich hät-
te es, wenn meine Absicht gewesen, alle
Welt zu überführen, daß ich ein elender
Stümper, nicht besser anfangen können.
Er wird hertzlich lachen, daß ich einige
griechische Stellen angeführet, und Stein
und Bein schweren, ich verstünde nichts
davon: Ja wer weiß, ob er nicht gar sagen
wird, ich könne nicht einmahl griechisch
lesen.

Der andere wird sich stellen, als wenn er
mit diesem freyen und ziemlich plumpen
Urtheil nicht zu frieden wäre, und sagen:
Man müsse es mit mir so genau nicht neh-
men; Jch sey noch jung, und mein Fleiß
und gute Absicht verdiene, daß man gnä-
dig mit mir verfahre: Nützten meine An-
merckungen den Gelehrten nicht, so könn-

ten
Vorrede.

Wie beweglich und nachdruͤcklich indeſ-
ſen ich hier auch meinen Leſern zurede, ſo
muß ich doch beſorgen, es werde an Spoͤt-
tern nicht mangeln, die bey einer jeden
Zeile meiner Anmerckungen etwas zu er-
innern haben werden.

Da wird der Eine ſprechen: Meine An-
merckungen waͤren laͤppiſch; ich zeigte dar-
inn weder Verſtand noch Gelehrſamkeit,
ſondern verriehte nur meine Einfalt ſo
mercklich, daß man ſagen koͤnnte, ich haͤt-
te es, wenn meine Abſicht geweſen, alle
Welt zu uͤberfuͤhren, daß ich ein elender
Stuͤmper, nicht beſſer anfangen koͤnnen.
Er wird hertzlich lachen, daß ich einige
griechiſche Stellen angefuͤhret, und Stein
und Bein ſchweren, ich verſtuͤnde nichts
davon: Ja wer weiß, ob er nicht gar ſagen
wird, ich koͤnne nicht einmahl griechiſch
leſen.

Der andere wird ſich ſtellen, als wenn er
mit dieſem freyen und ziemlich plumpen
Urtheil nicht zu frieden waͤre, und ſagen:
Man muͤſſe es mit mir ſo genau nicht neh-
men; Jch ſey noch jung, und mein Fleiß
und gute Abſicht verdiene, daß man gnaͤ-
dig mit mir verfahre: Nuͤtzten meine An-
merckungen den Gelehrten nicht, ſo koͤnn-

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[8/0098] Vorrede. Wie beweglich und nachdruͤcklich indeſ- ſen ich hier auch meinen Leſern zurede, ſo muß ich doch beſorgen, es werde an Spoͤt- tern nicht mangeln, die bey einer jeden Zeile meiner Anmerckungen etwas zu er- innern haben werden. Da wird der Eine ſprechen: Meine An- merckungen waͤren laͤppiſch; ich zeigte dar- inn weder Verſtand noch Gelehrſamkeit, ſondern verriehte nur meine Einfalt ſo mercklich, daß man ſagen koͤnnte, ich haͤt- te es, wenn meine Abſicht geweſen, alle Welt zu uͤberfuͤhren, daß ich ein elender Stuͤmper, nicht beſſer anfangen koͤnnen. Er wird hertzlich lachen, daß ich einige griechiſche Stellen angefuͤhret, und Stein und Bein ſchweren, ich verſtuͤnde nichts davon: Ja wer weiß, ob er nicht gar ſagen wird, ich koͤnne nicht einmahl griechiſch leſen. Der andere wird ſich ſtellen, als wenn er mit dieſem freyen und ziemlich plumpen Urtheil nicht zu frieden waͤre, und ſagen: Man muͤſſe es mit mir ſo genau nicht neh- men; Jch ſey noch jung, und mein Fleiß und gute Abſicht verdiene, daß man gnaͤ- dig mit mir verfahre: Nuͤtzten meine An- merckungen den Gelehrten nicht, ſo koͤnn- ten

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/98>, abgerufen am 26.04.2024.