Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
wo seine Seele bleibt. 7) Daß die Juristen die"
Jnjurien-Klagen abzukürtzen, zu mindern, und"
gar abzuschafen bemühet sind, ist darum löblich,"
weil die Leute dadurch von unnützen Processen ab-"
gehalten werden, und ihr Geld behalten: Aber es"
nützet nicht zur Seeligkeit. Empfindlichkeit, Haß"
und Rachgierde werden dadurch nicht ausgerottet;"
vielmehr die Beleidigten, wenn sie kein Gehör beym"
Richter finden, zur Selbst-Rache, und folglich zur"
Sünde gereitzet. 8) Daß gewisse Personen nicht"
zum Zeugniß gelassen werden, geschicht darum,"
weil das Zeugniß solcher Leute, von welchen wahr-"
scheinlich zu vermuthen, daß sie falsch zeugen wer-"
den, nichts zu Entdeckung der Wahrheit beyträget,"
und nichts beweiset. Es ist dieses was altes, und"
gebräuchlich gewesen, ehe noch die Zeugen ihre Aus-"
sagen eydlich thaten, und also ehe man an die ewige"
Seeligkeit gedachte. 9) Daß man denen verdamm-"
ten Missethätern Zeit lässet, sich zum Tode zu berei-"
ten, und dieselbe nicht durch eine gar zu harte und"
langsame Todes-Art quälet, geschicht nicht aus ei-"
ner Sorge vor die Seeligkeit dieser Leute, sondern"
nur, um die Nachrede einer Grausamkeit zu ver-"
meiden. Gar zu harte und unmenschliche Todes-"
Strafen machen das Volck murren, und bewegen"
es zum Mitleiden gegen diejenigen, so damit beleget"
werden: Und was die Vorbereitung zum Tode an-"
langet, so wird sie in der peinl. Halsgerichts-Ord-"
nung der Willkühr des Verurtheilten lediglich ü-"
berlassen. Die Erinnerung an die Priester, was"
sie einem solchen vorsagen sollen, gehöret nicht zum"
Gesetz, sondern rührt aus einer unnöthigen Vor-"

"sorge
K k k 4

(o)
wo ſeine Seele bleibt. 7) Daß die Juriſten die„
Jnjurien-Klagen abzukuͤrtzen, zu mindern, und„
gar abzuſchafen bemuͤhet ſind, iſt darum loͤblich,„
weil die Leute dadurch von unnuͤtzen Proceſſen ab-„
gehalten werden, und ihr Geld behalten: Aber es„
nuͤtzet nicht zur Seeligkeit. Empfindlichkeit, Haß„
und Rachgierde werden dadurch nicht ausgerottet;„
vielmehr die Beleidigten, wenn ſie kein Gehoͤr beym„
Richter finden, zur Selbſt-Rache, und folglich zur„
Suͤnde gereitzet. 8) Daß gewiſſe Perſonen nicht„
zum Zeugniß gelaſſen werden, geſchicht darum,„
weil das Zeugniß ſolcher Leute, von welchen wahr-„
ſcheinlich zu vermuthen, daß ſie falſch zeugen wer-„
den, nichts zu Entdeckung der Wahrheit beytraͤget,„
und nichts beweiſet. Es iſt dieſes was altes, und„
gebraͤuchlich geweſen, ehe noch die Zeugen ihre Auſ-„
ſagen eydlich thaten, und alſo ehe man an die ewige„
Seeligkeit gedachte. 9) Daß man denen verdamm-„
ten Miſſethaͤtern Zeit laͤſſet, ſich zum Tode zu berei-„
ten, und dieſelbe nicht durch eine gar zu harte und„
langſame Todes-Art quaͤlet, geſchicht nicht aus ei-„
ner Sorge vor die Seeligkeit dieſer Leute, ſondern„
nur, um die Nachrede einer Grauſamkeit zu ver-„
meiden. Gar zu harte und unmenſchliche Todes-„
Strafen machen das Volck murren, und bewegen„
es zum Mitleiden gegen diejenigen, ſo damit beleget„
werden: Und was die Vorbereitung zum Tode an-„
langet, ſo wird ſie in der peinl. Halsgerichts-Ord-„
nung der Willkuͤhr des Verurtheilten lediglich uͤ-„
berlaſſen. Die Erinnerung an die Prieſter, was„
ſie einem ſolchen vorſagen ſollen, gehoͤret nicht zum„
Geſetz, ſondern ruͤhrt aus einer unnoͤthigen Vor-„

„ſorge
K k k 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0979" n="887"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
wo &#x017F;eine Seele bleibt. 7) Daß die Juri&#x017F;ten die&#x201E;<lb/>
Jnjurien-Klagen abzuku&#x0364;rtzen, zu mindern, und&#x201E;<lb/>
gar abzu&#x017F;chafen bemu&#x0364;het &#x017F;ind, i&#x017F;t darum lo&#x0364;blich,&#x201E;<lb/>
weil die Leute dadurch von unnu&#x0364;tzen Proce&#x017F;&#x017F;en ab-&#x201E;<lb/>
gehalten werden, und ihr Geld behalten: Aber es&#x201E;<lb/>
nu&#x0364;tzet nicht zur Seeligkeit. Empfindlichkeit, Haß&#x201E;<lb/>
und Rachgierde werden dadurch nicht ausgerottet;&#x201E;<lb/>
vielmehr die Beleidigten, wenn &#x017F;ie kein Geho&#x0364;r beym&#x201E;<lb/>
Richter finden, zur Selb&#x017F;t-Rache, und folglich zur&#x201E;<lb/>
Su&#x0364;nde gereitzet. 8) Daß gewi&#x017F;&#x017F;e Per&#x017F;onen nicht&#x201E;<lb/>
zum Zeugniß gela&#x017F;&#x017F;en werden, ge&#x017F;chicht darum,&#x201E;<lb/>
weil das Zeugniß &#x017F;olcher Leute, von welchen wahr-&#x201E;<lb/>
&#x017F;cheinlich zu vermuthen, daß &#x017F;ie fal&#x017F;ch zeugen wer-&#x201E;<lb/>
den, nichts zu Entdeckung der Wahrheit beytra&#x0364;get,&#x201E;<lb/>
und nichts bewei&#x017F;et. Es i&#x017F;t die&#x017F;es was altes, und&#x201E;<lb/>
gebra&#x0364;uchlich gewe&#x017F;en, ehe noch die Zeugen ihre Au&#x017F;-&#x201E;<lb/>
&#x017F;agen eydlich thaten, und al&#x017F;o ehe man an die ewige&#x201E;<lb/>
Seeligkeit gedachte. 9) Daß man denen verdamm-&#x201E;<lb/>
ten Mi&#x017F;&#x017F;etha&#x0364;tern Zeit la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, &#x017F;ich zum Tode zu berei-&#x201E;<lb/>
ten, und die&#x017F;elbe nicht durch eine gar zu harte und&#x201E;<lb/>
lang&#x017F;ame Todes-Art qua&#x0364;let, ge&#x017F;chicht nicht aus ei-&#x201E;<lb/>
ner Sorge vor die Seeligkeit die&#x017F;er Leute, &#x017F;ondern&#x201E;<lb/>
nur, um die Nachrede einer Grau&#x017F;amkeit zu ver-&#x201E;<lb/>
meiden. Gar zu harte und unmen&#x017F;chliche Todes-&#x201E;<lb/>
Strafen machen das Volck murren, und bewegen&#x201E;<lb/>
es zum Mitleiden gegen diejenigen, &#x017F;o damit beleget&#x201E;<lb/>
werden: Und was die Vorbereitung zum Tode an-&#x201E;<lb/>
langet, &#x017F;o wird &#x017F;ie in der peinl. Halsgerichts-Ord-&#x201E;<lb/>
nung der Willku&#x0364;hr des Verurtheilten lediglich u&#x0364;-&#x201E;<lb/>
berla&#x017F;&#x017F;en. Die Erinnerung an die Prie&#x017F;ter, was&#x201E;<lb/>
&#x017F;ie einem &#x017F;olchen vor&#x017F;agen &#x017F;ollen, geho&#x0364;ret nicht zum&#x201E;<lb/>
Ge&#x017F;etz, &#x017F;ondern ru&#x0364;hrt aus einer unno&#x0364;thigen Vor-&#x201E;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K k k 4</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x201E;&#x017F;orge</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[887/0979] (o) wo ſeine Seele bleibt. 7) Daß die Juriſten die„ Jnjurien-Klagen abzukuͤrtzen, zu mindern, und„ gar abzuſchafen bemuͤhet ſind, iſt darum loͤblich,„ weil die Leute dadurch von unnuͤtzen Proceſſen ab-„ gehalten werden, und ihr Geld behalten: Aber es„ nuͤtzet nicht zur Seeligkeit. Empfindlichkeit, Haß„ und Rachgierde werden dadurch nicht ausgerottet;„ vielmehr die Beleidigten, wenn ſie kein Gehoͤr beym„ Richter finden, zur Selbſt-Rache, und folglich zur„ Suͤnde gereitzet. 8) Daß gewiſſe Perſonen nicht„ zum Zeugniß gelaſſen werden, geſchicht darum,„ weil das Zeugniß ſolcher Leute, von welchen wahr-„ ſcheinlich zu vermuthen, daß ſie falſch zeugen wer-„ den, nichts zu Entdeckung der Wahrheit beytraͤget,„ und nichts beweiſet. Es iſt dieſes was altes, und„ gebraͤuchlich geweſen, ehe noch die Zeugen ihre Auſ-„ ſagen eydlich thaten, und alſo ehe man an die ewige„ Seeligkeit gedachte. 9) Daß man denen verdamm-„ ten Miſſethaͤtern Zeit laͤſſet, ſich zum Tode zu berei-„ ten, und dieſelbe nicht durch eine gar zu harte und„ langſame Todes-Art quaͤlet, geſchicht nicht aus ei-„ ner Sorge vor die Seeligkeit dieſer Leute, ſondern„ nur, um die Nachrede einer Grauſamkeit zu ver-„ meiden. Gar zu harte und unmenſchliche Todes-„ Strafen machen das Volck murren, und bewegen„ es zum Mitleiden gegen diejenigen, ſo damit beleget„ werden: Und was die Vorbereitung zum Tode an-„ langet, ſo wird ſie in der peinl. Halsgerichts-Ord-„ nung der Willkuͤhr des Verurtheilten lediglich uͤ-„ berlaſſen. Die Erinnerung an die Prieſter, was„ ſie einem ſolchen vorſagen ſollen, gehoͤret nicht zum„ Geſetz, ſondern ruͤhrt aus einer unnoͤthigen Vor-„ „ſorge K k k 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/979
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 887. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/979>, abgerufen am 25.04.2024.