Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite
(o)

Der andere ist ein elender Schulmeister, den
niemand kennen würde, wenn ich ihn gleich mit
Nahmen nennete: Ein Mensch von so erstaunender
Unwissenheit, daß er auch die Knaben in seiner eige-
nen Classe, welche von unten auf die erste ist, in
diesem Stücke übertrift. Dieser ehrliche Mann
hat lästerlich auf mich gescholten, und endlich gar ge-
drohet, er wolle wieder mich schreiben.

Qvaenam te mala mens, miselle Ravidi,
Agit praecipitem in meos jambos?
Quis Deus tibi non bene advocatus
Vecordem parat excitare ripam
(15)?

Aber sein Schelten rührt mich so wenig, als
sein Drohen. Er schreibe wider mich, wenn er
es vor gut findet. Dieses ist das ärgste, was ich
ihm wünschen könnte, wenn ich noch so rachgierig
wäre. Doch muß er wissen, daß ich ihm nim-
mer antworten werde.

Allatres licet usque nos & usque
Et gannitibus improbis lacessas.
Certum est, hanc tibi pernegare famam,
Olim quam petis in meis libellis,
Qvaliscunque legaris ut per orbem.
Nam te cur aliquis sciat fuisse?
Jgnotus pereas, miser, necesse est
(16).

Wenn er sich diese Verse von einem guten Freun-
de erklären lässet, so wird er erfahren, wessen er sich

zu
(15) Catullus Ep. 37.
(16) Martiab. Lib. V. Ep. 81.
f 2
(o)

Der andere iſt ein elender Schulmeiſter, den
niemand kennen wuͤrde, wenn ich ihn gleich mit
Nahmen nennete: Ein Menſch von ſo erſtaunender
Unwiſſenheit, daß er auch die Knaben in ſeiner eige-
nen Claſſe, welche von unten auf die erſte iſt, in
dieſem Stuͤcke uͤbertrift. Dieſer ehrliche Mann
hat laͤſterlich auf mich geſcholten, und endlich gar ge-
drohet, er wolle wieder mich ſchreiben.

Qvænam te mala mens, miſelle Ravidi,
Agit præcipitem in meos jambos?
Quis Deus tibi non bene advocatus
Vecordem parat excitare ripam
(15)?

Aber ſein Schelten ruͤhrt mich ſo wenig, als
ſein Drohen. Er ſchreibe wider mich, wenn er
es vor gut findet. Dieſes iſt das aͤrgſte, was ich
ihm wuͤnſchen koͤnnte, wenn ich noch ſo rachgierig
waͤre. Doch muß er wiſſen, daß ich ihm nim-
mer antworten werde.

Allatres licet usque nos & usque
Et gannitibus improbis laceſſas.
Certum eſt, hanc tibi pernegare famam,
Olim quam petis in meis libellis,
Qvaliſcunque legaris ut per orbem.
Nam te cur aliquis ſciat fuiſſe?
Jgnotus pereas, miſer, neceſſe eſt
(16).

Wenn er ſich dieſe Verſe von einem guten Freun-
de erklaͤren laͤſſet, ſo wird er erfahren, weſſen er ſich

zu
(15) Catullus Ep. 37.
(16) Martiab. Lib. V. Ep. 81.
f 2
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface" n="1">
        <pb facs="#f0087" n="83"/>
        <fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
        <p>Der andere i&#x017F;t ein <hi rendition="#fr">elender Schulmei&#x017F;ter,</hi> den<lb/>
niemand kennen wu&#x0364;rde, wenn ich ihn gleich mit<lb/>
Nahmen nennete: Ein Men&#x017F;ch von &#x017F;o er&#x017F;taunender<lb/>
Unwi&#x017F;&#x017F;enheit, daß er auch die Knaben in &#x017F;einer eige-<lb/>
nen Cla&#x017F;&#x017F;e, welche von unten auf die er&#x017F;te i&#x017F;t, in<lb/>
die&#x017F;em Stu&#x0364;cke u&#x0364;bertrift. Die&#x017F;er ehrliche Mann<lb/>
hat la&#x0364;&#x017F;terlich auf mich ge&#x017F;cholten, und endlich gar ge-<lb/>
drohet, er wolle wieder mich &#x017F;chreiben.</p><lb/>
        <cit>
          <quote><hi rendition="#aq">Qvænam te mala mens, mi&#x017F;elle Ravidi,<lb/>
Agit præcipitem in meos jambos?<lb/>
Quis Deus tibi non bene advocatus<lb/>
Vecordem parat excitare ripam</hi><note place="foot" n="(15)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Catullus Ep. 37.</hi></hi></note>?</quote>
        </cit><lb/>
        <p>Aber &#x017F;ein Schelten ru&#x0364;hrt mich &#x017F;o wenig, als<lb/>
&#x017F;ein Drohen. Er &#x017F;chreibe wider mich, wenn er<lb/>
es vor gut findet. Die&#x017F;es i&#x017F;t das a&#x0364;rg&#x017F;te, was ich<lb/>
ihm wu&#x0364;n&#x017F;chen ko&#x0364;nnte, wenn ich noch &#x017F;o rachgierig<lb/>
wa&#x0364;re. Doch muß er wi&#x017F;&#x017F;en, daß ich ihm nim-<lb/>
mer antworten werde.</p><lb/>
        <cit>
          <quote><hi rendition="#aq">Allatres licet usque nos &amp; usque<lb/>
Et gannitibus improbis lace&#x017F;&#x017F;as.<lb/>
Certum e&#x017F;t, hanc tibi pernegare famam,<lb/>
Olim quam petis in meis libellis,<lb/>
Qvali&#x017F;cunque legaris ut per orbem.<lb/>
Nam te cur aliquis &#x017F;ciat fui&#x017F;&#x017F;e?<lb/>
Jgnotus pereas, mi&#x017F;er, nece&#x017F;&#x017F;e e&#x017F;t</hi><note place="foot" n="(16)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Martiab. Lib. V. Ep. 81.</hi></hi></note>.</quote>
        </cit><lb/>
        <p>Wenn er &#x017F;ich die&#x017F;e Ver&#x017F;e von einem guten Freun-<lb/>
de erkla&#x0364;ren la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, &#x017F;o wird er erfahren, we&#x017F;&#x017F;en er &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">f 2</fw><fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[83/0087] (o) Der andere iſt ein elender Schulmeiſter, den niemand kennen wuͤrde, wenn ich ihn gleich mit Nahmen nennete: Ein Menſch von ſo erſtaunender Unwiſſenheit, daß er auch die Knaben in ſeiner eige- nen Claſſe, welche von unten auf die erſte iſt, in dieſem Stuͤcke uͤbertrift. Dieſer ehrliche Mann hat laͤſterlich auf mich geſcholten, und endlich gar ge- drohet, er wolle wieder mich ſchreiben. Qvænam te mala mens, miſelle Ravidi, Agit præcipitem in meos jambos? Quis Deus tibi non bene advocatus Vecordem parat excitare ripam (15)? Aber ſein Schelten ruͤhrt mich ſo wenig, als ſein Drohen. Er ſchreibe wider mich, wenn er es vor gut findet. Dieſes iſt das aͤrgſte, was ich ihm wuͤnſchen koͤnnte, wenn ich noch ſo rachgierig waͤre. Doch muß er wiſſen, daß ich ihm nim- mer antworten werde. Allatres licet usque nos & usque Et gannitibus improbis laceſſas. Certum eſt, hanc tibi pernegare famam, Olim quam petis in meis libellis, Qvaliſcunque legaris ut per orbem. Nam te cur aliquis ſciat fuiſſe? Jgnotus pereas, miſer, neceſſe eſt (16). Wenn er ſich dieſe Verſe von einem guten Freun- de erklaͤren laͤſſet, ſo wird er erfahren, weſſen er ſich zu (15) Catullus Ep. 37. (16) Martiab. Lib. V. Ep. 81. f 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/87
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/87>, abgerufen am 11.05.2024.