so hat sie eher sterben müssen, als der Mann. Die Ca- ravane, mit welcher sie gen Himmel gieng, trat ihre Reise eher an, als diejenige, mit welcher der Mann ge- hen muste. Es muß demnach Wittwer und Witti- ben im Stande der Unschuld gegeben haben, wofern der Hr. Prof. nicht darthut, daß Mann und Weib allemahl in einem Augenblick gebohren worden.
Doch er kan auch sagen, wenn gleich dem Manne seine Frau abgestorben, so könne es sich doch wohl alle- mahl so gefüget haben, daß just zu der Zeit keine von seinen Töchtern, falls er welche gehabt, mannbahr oder unverheyrathet gewesen.
Dieses wäre nun zwar eben so unbegreiflich und un- wahrscheinlich, als daß Mann und Weib zugleich ge- bohren und gestorben, und also die Menschen in der schönsten Ordnung, paarweise, gen Himmel gefahren: Allein wer wolte von dem Hn. Prof. etwas gewissers und gründlichers verlangen? Ein Gedichte ist gut ge- nug, wenn es nur nicht gar unmöglich ist.
Die Unmöglichkeit aber alles dessen, was der Hr. Prof. hier saget, getraue ich mir so wenig zu beweisen, als ich die erstaunende Ordnung, welche der Hr. Prof. voraussetzet, zu begreifen fähig bin. Wer Zeit übrig hat, der kan sich nur die Mühe geben, und nachrechnen, was sich etwan unter 4 oder 5 Paar Menschen vor Fälle begeben können, in einer Zeit von 100 Jahren. Jch glaube ihm wird grün und gelbe vor den Augen werden. Er wird mit Händen greifen, daß der Stand der Unschuld des Hn. Manzels allen menschliche Witz übersteiget. Wider solche Dinge kan nun kein Mensch mit Vernunft Einwürfe machen. Die Finsterniß, in welcher der Hr. Pr. wandelt, ist so dicke, daß einer, der
ihn
(o)
ſo hat ſie eher ſterben muͤſſen, als der Mann. Die Ca- ravane, mit welcher ſie gen Himmel gieng, trat ihre Reiſe eher an, als diejenige, mit welcher der Mann ge- hen muſte. Es muß demnach Wittwer und Witti- ben im Stande der Unſchuld gegeben haben, wofern der Hr. Prof. nicht darthut, daß Mann und Weib allemahl in einem Augenblick gebohren worden.
Doch er kan auch ſagen, wenn gleich dem Manne ſeine Frau abgeſtorben, ſo koͤnne es ſich doch wohl alle- mahl ſo gefuͤget haben, daß juſt zu der Zeit keine von ſeinen Toͤchtern, falls er welche gehabt, mannbahr oder unverheyrathet geweſen.
Dieſes waͤre nun zwar eben ſo unbegreiflich und un- wahrſcheinlich, als daß Mann und Weib zugleich ge- bohren und geſtorben, und alſo die Menſchen in der ſchoͤnſten Ordnung, paarweiſe, gen Himmel gefahren: Allein wer wolte von dem Hn. Prof. etwas gewiſſers und gruͤndlichers verlangen? Ein Gedichte iſt gut ge- nug, wenn es nur nicht gar unmoͤglich iſt.
Die Unmoͤglichkeit aber alles deſſen, was der Hr. Prof. hier ſaget, getraue ich mir ſo wenig zu beweiſen, als ich die erſtaunende Ordnung, welche der Hr. Prof. vorausſetzet, zu begreifen faͤhig bin. Wer Zeit uͤbrig hat, deꝛ kan ſich nuꝛ die Muͤhe geben, und nachrechnen, was ſich etwan unter 4 oder 5 Paar Menſchen vor Faͤlle begeben koͤnnen, in einer Zeit von 100 Jahren. Jch glaube ihm wird gruͤn und gelbe vor den Augen werden. Er wird mit Haͤnden greifen, daß der Stand der Unſchuld des Hn. Manzels allen menſchliche Witz uͤberſteiget. Wider ſolche Dinge kan nun kein Menſch mit Vernunft Einwuͤrfe machen. Die Finſterniß, in welcher der Hr. Pr. wandelt, iſt ſo dicke, daß einer, der
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ſo hat ſie eher ſterben muͤſſen, als der Mann. Die Ca-
ravane, mit welcher ſie gen Himmel gieng, trat ihre
Reiſe eher an, als diejenige, mit welcher der Mann ge-
hen muſte. Es muß demnach Wittwer und Witti-
ben im Stande der Unſchuld gegeben haben, wofern
der Hr. Prof. nicht darthut, daß Mann und Weib
allemahl in einem Augenblick gebohren worden.
Doch er kan auch ſagen, wenn gleich dem Manne
ſeine Frau abgeſtorben, ſo koͤnne es ſich doch wohl alle-
mahl ſo gefuͤget haben, daß juſt zu der Zeit keine von
ſeinen Toͤchtern, falls er welche gehabt, mannbahr
oder unverheyrathet geweſen.
Dieſes waͤre nun zwar eben ſo unbegreiflich und un-
wahrſcheinlich, als daß Mann und Weib zugleich ge-
bohren und geſtorben, und alſo die Menſchen in der
ſchoͤnſten Ordnung, paarweiſe, gen Himmel gefahren:
Allein wer wolte von dem Hn. Prof. etwas gewiſſers
und gruͤndlichers verlangen? Ein Gedichte iſt gut ge-
nug, wenn es nur nicht gar unmoͤglich iſt.
Die Unmoͤglichkeit aber alles deſſen, was der Hr.
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vorausſetzet, zu begreifen faͤhig bin. Wer Zeit uͤbrig
hat, deꝛ kan ſich nuꝛ die Muͤhe geben, und nachrechnen,
was ſich etwan unter 4 oder 5 Paar Menſchen vor
Faͤlle begeben koͤnnen, in einer Zeit von 100 Jahren.
Jch glaube ihm wird gruͤn und gelbe vor den Augen
werden. Er wird mit Haͤnden greifen, daß der Stand
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 766. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/858>, abgerufen am 23.11.2024.
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