muth nicht vor eine Frucht der Wiedergeburth, son- dern vor eine Kranckheit halte, die gemeiniglich aus einen dicken Geblüte zu entstehen pfleget.
Je ne prens point pour vertu Les noirs acces de tristesse D'un Loup-garou revetu Des habits de la Sagesse.(13)
Jch will jetzo nicht untersuchen, wie es in der Welt aussehen würde, wenn es diesen neuen Heili- gen gelingen sollte, alle Freude aus derselben zu ver- bannen, und das menschliche Geschlecht in die tiefe Schwermuth zu stürtzen, die sie als den Gipfel der christlichen Vollkommenheit ansehen, und auf wel- che sie sich so viel einbilden: Sondern ich frage nur; was sie von der Gottheit vor einen Begrif haben, wenn sie glauben, sie könne nicht leiden, daß ihre Creaturen frölich sind?
Jch kan mir einen so traurigen und schimpflichen Begrif von GOtt nicht machen; sondern ich bin ver- sichert, daß es ihm nicht zuwider ist, wenn man sich nach der Vorschrift Salomons richtet. Jch esse demnach mein Brod mit Freuden, und trincke mein Wein mit gutem Muth. Denn das ist mein Theil. Jch entschlage mich aller traurigen Gedancken, so viel mir möglich ist, und mache mir so viele gute Ta- ge, als ich kan. Die bösen kommen wohl ohne un- sere Bitte. Jch sehe alles, was in der Welt vor- gehet, mit Gelassenheit, und grösten theils von der lächerlichen Seite an: Und ich befinde mich wohl dabey. Meinen Satyren insonderheit habe ich man- che lustige Stunde zu dancken, und ich erinnere mich
noch
(13)Rousseau T. l. p. 80.
f
(o)
muth nicht vor eine Frucht der Wiedergeburth, ſon- dern vor eine Kranckheit halte, die gemeiniglich aus einen dicken Gebluͤte zu entſtehen pfleget.
Je ne prens point pour vertu Les noirs accés de triſteſſe D’un Loup-garou revêtu Des habits de la Sageſſe.(13)
Jch will jetzo nicht unterſuchen, wie es in der Welt ausſehen wuͤrde, wenn es dieſen neuen Heili- gen gelingen ſollte, alle Freude aus derſelben zu ver- bannen, und das menſchliche Geſchlecht in die tiefe Schwermuth zu ſtuͤrtzen, die ſie als den Gipfel der chriſtlichen Vollkommenheit anſehen, und auf wel- che ſie ſich ſo viel einbilden: Sondern ich frage nur; was ſie von der Gottheit vor einen Begrif haben, wenn ſie glauben, ſie koͤnne nicht leiden, daß ihre Creaturen froͤlich ſind?
Jch kan mir einen ſo traurigen und ſchimpflichen Begrif von GOtt nicht machen; ſondern ich bin ver- ſichert, daß es ihm nicht zuwider iſt, wenn man ſich nach der Vorſchrift Salomons richtet. Jch eſſe demnach mein Brod mit Freuden, und trincke mein Wein mit gutem Muth. Denn das iſt mein Theil. Jch entſchlage mich aller traurigen Gedancken, ſo viel mir moͤglich iſt, und mache mir ſo viele gute Ta- ge, als ich kan. Die boͤſen kommen wohl ohne un- ſere Bitte. Jch ſehe alles, was in der Welt vor- gehet, mit Gelaſſenheit, und groͤſten theils von der laͤcherlichen Seite an: Und ich befinde mich wohl dabey. Meinen Satyren inſonderheit habe ich man- che luſtige Stunde zu dancken, und ich erinnere mich
noch
(13)Rouſſeau T. l. p. 80.
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muth nicht vor eine Frucht der Wiedergeburth, ſon-
dern vor eine Kranckheit halte, die gemeiniglich aus
einen dicken Gebluͤte zu entſtehen pfleget.
Je ne prens point pour vertu
Les noirs accés de triſteſſe
D’un Loup-garou revêtu
Des habits de la Sageſſe. (13)
Jch will jetzo nicht unterſuchen, wie es in der
Welt ausſehen wuͤrde, wenn es dieſen neuen Heili-
gen gelingen ſollte, alle Freude aus derſelben zu ver-
bannen, und das menſchliche Geſchlecht in die tiefe
Schwermuth zu ſtuͤrtzen, die ſie als den Gipfel der
chriſtlichen Vollkommenheit anſehen, und auf wel-
che ſie ſich ſo viel einbilden: Sondern ich frage nur;
was ſie von der Gottheit vor einen Begrif haben,
wenn ſie glauben, ſie koͤnne nicht leiden, daß ihre
Creaturen froͤlich ſind?
Jch kan mir einen ſo traurigen und ſchimpflichen
Begrif von GOtt nicht machen; ſondern ich bin ver-
ſichert, daß es ihm nicht zuwider iſt, wenn man ſich
nach der Vorſchrift Salomons richtet. Jch eſſe
demnach mein Brod mit Freuden, und trincke mein
Wein mit gutem Muth. Denn das iſt mein Theil.
Jch entſchlage mich aller traurigen Gedancken, ſo
viel mir moͤglich iſt, und mache mir ſo viele gute Ta-
ge, als ich kan. Die boͤſen kommen wohl ohne un-
ſere Bitte. Jch ſehe alles, was in der Welt vor-
gehet, mit Gelaſſenheit, und groͤſten theils von der
laͤcherlichen Seite an: Und ich befinde mich wohl
dabey. Meinen Satyren inſonderheit habe ich man-
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(13) Rouſſeau T. l. p. 80.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/85>, abgerufen am 24.11.2024.
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