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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
glauben: Allein ich will noch zum Ueberfluß die Abbil-
dung des ersten Menschen untersuchen, aus welcher
der Hr. Prof. Manzel die Grund Sätze seines wah-
ren und ächten Juris Naturae herleiten will, und solte
mein Brief gleich noch einmahl so lang werden, als
er schon ist Jch frage wenig darnach, ob Jhnen meine
Weitläuftigkeit angenehm, oder zu wieder ist. Denn
gefällt sie Jhnen, so ist es mir lieb: Gefällt sie Jhnen
nicht, so werde ich mich auch nicht sonderlich grämen;
weil ich dadurch Ew. Hochwohlgeb. abhalte, mich
auf ein andermahl, nach dem Rechte, so Jhnen unsere
Freundschaft giebt, zu einer solchen Arbeit zu verdam-
men, als Sie mir ietzo auferlegt haben. Jch schreite,
zur Sache.

"Der Hr. Prof. Manzel sagt §. 40. Die ersten"
Menschen hätten einen reinen Verstand (intellec-"
tus fuit purus
) und eine vollkommene Erkänntniß"
der natürlichen und moralischen Dingen gehabt."
Dieser Verstand und diese Erkänntniß wäre bey al-"
len Menschen gleich gewesen (in omnibus indivi-"
duis accurate aequalis
): Doch mit dem Unter-"
scheid, ob einer seine Jahre erreichet gehabt, oder"
nicht. Denn von der ersten Zeit nach der Geburth an"
habe sich freylich der Verstand schon sehen lassen,"
und zwar in dem Grad, als zu der damahligen Erhal-"
tung des Menschen nöthig gewesen (imo in eo gra-"
du, qualis ad conservationem pro tempore neces."
sarius fuit
): Mit den Jahren aber sey er stärcker"
worden. Die Alten hätten auch in diesem Stücke vor"
den Jungen den Vorzug gehabt, daß sie durch die"
Erfahrung, und vieleicht auch durch Ofen-"
bahrungen, eine grössere Wissenschaft erlanget

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Z z

(o)
glauben: Allein ich will noch zum Ueberfluß die Abbil-
dung des erſten Menſchen unterſuchen, aus welcher
der Hr. Prof. Manzel die Grund Saͤtze ſeines wah-
ren und aͤchten Juris Naturæ herleiten will, und ſolte
mein Brief gleich noch einmahl ſo lang werden, als
er ſchon iſt Jch frage wenig darnach, ob Jhnen meine
Weitlaͤuftigkeit angenehm, oder zu wieder iſt. Denn
gefaͤllt ſie Jhnen, ſo iſt es mir lieb: Gefaͤllt ſie Jhnen
nicht, ſo werde ich mich auch nicht ſonderlich graͤmen;
weil ich dadurch Ew. Hochwohlgeb. abhalte, mich
auf ein andermahl, nach dem Rechte, ſo Jhnen unſere
Freundſchaft giebt, zu einer ſolchen Arbeit zu verdam-
men, als Sie mir ietzo auferlegt haben. Jch ſchreite,
zur Sache.

„Der Hr. Prof. Manzel ſagt §. 40. Die erſten„
Menſchen haͤtten einen reinen Verſtand (intellec-„
tus fuit purus
) und eine vollkommene Erkaͤnntniß„
der natuͤrlichen und moraliſchen Dingen gehabt.„
Dieſer Verſtand und dieſe Erkaͤnntniß waͤre bey al-„
len Menſchen gleich geweſen (in omnibus indivi-„
duis accuraté æqualis
): Doch mit dem Unter-„
ſcheid, ob einer ſeine Jahre erreichet gehabt, oder„
nicht. Denn von der erſten Zeit nach der Geburth an„
habe ſich freylich der Verſtand ſchon ſehen laſſen,„
und zwar in dem Gꝛad, als zu der damahligen Erhal-„
tung des Menſchen noͤthig geweſen (imo in eo gra-„
du, qualis ad conſervationem pro tempore neceſ.„
ſarius fuit
): Mit den Jahren aber ſey er ſtaͤrcker„
worden. Die Alten haͤtten auch in dieſem Stuͤcke vor„
den Jungen den Vorzug gehabt, daß ſie durch die„
Erfahrung, und vieleicht auch durch Ofen-„
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[721/0813] (o) glauben: Allein ich will noch zum Ueberfluß die Abbil- dung des erſten Menſchen unterſuchen, aus welcher der Hr. Prof. Manzel die Grund Saͤtze ſeines wah- ren und aͤchten Juris Naturæ herleiten will, und ſolte mein Brief gleich noch einmahl ſo lang werden, als er ſchon iſt Jch frage wenig darnach, ob Jhnen meine Weitlaͤuftigkeit angenehm, oder zu wieder iſt. Denn gefaͤllt ſie Jhnen, ſo iſt es mir lieb: Gefaͤllt ſie Jhnen nicht, ſo werde ich mich auch nicht ſonderlich graͤmen; weil ich dadurch Ew. Hochwohlgeb. abhalte, mich auf ein andermahl, nach dem Rechte, ſo Jhnen unſere Freundſchaft giebt, zu einer ſolchen Arbeit zu verdam- men, als Sie mir ietzo auferlegt haben. Jch ſchreite, zur Sache. „Der Hr. Prof. Manzel ſagt §. 40. Die erſten„ Menſchen haͤtten einen reinen Verſtand (intellec-„ tus fuit purus) und eine vollkommene Erkaͤnntniß„ der natuͤrlichen und moraliſchen Dingen gehabt.„ Dieſer Verſtand und dieſe Erkaͤnntniß waͤre bey al-„ len Menſchen gleich geweſen (in omnibus indivi-„ duis accuraté æqualis): Doch mit dem Unter-„ ſcheid, ob einer ſeine Jahre erreichet gehabt, oder„ nicht. Denn von der erſten Zeit nach der Geburth an„ habe ſich freylich der Verſtand ſchon ſehen laſſen,„ und zwar in dem Gꝛad, als zu der damahligen Erhal-„ tung des Menſchen noͤthig geweſen (imo in eo gra-„ du, qualis ad conſervationem pro tempore neceſ.„ ſarius fuit): Mit den Jahren aber ſey er ſtaͤrcker„ worden. Die Alten haͤtten auch in dieſem Stuͤcke vor„ den Jungen den Vorzug gehabt, daß ſie durch die„ Erfahrung, und vieleicht auch durch Ofen-„ bahrungen, eine groͤſſere Wiſſenſchaft erlanget (quod Z z

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 721. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/813>, abgerufen am 02.05.2024.