schritten: Allein der Mensch habe, Kraft der ihm anerschafenen Herrschaft über die Thiere, diesem Eingrife durch ein blosses Verbot vorbeugen und steuren können.
Jch bekenne, dieses wäre ein herrliches Vorrecht gewesen: Aber es ist, zu allem Unglück, so groß, daß es unbegreiflich wird. Jch will nicht sagen, daß Herr Reinbeck, so bald er den Thieren einen Trieb beyleget, auch von den Dingen zu essen, die zur Spei- se des Menschen bestimmet waren, dasje- nige umstösset, was er von der göttlichen Eintheilung der Speisen schreibet. Denn daß GOtt von einer Creatur, die keinen Verstand und freien Willen hat, etwas verlangen, und derselben doch einen Trieb lassen sollte, seiner Absicht entgegen zu han- deln, das sind Dinge, die nicht mit einan- der bestehen können. Eine solche Creatur muß nothwendig ihrem Triebe folgen, und ist gantz und gar unfähig, sich nach Regeln zu richten, von welchen sie nichts weiß. Jch will auch nicht sagen, daß es, wenn die Thie- re die, von GOtt, in Ansehung der Speise, gemachte Ordnung überschritten haben, nicht wahr seyn könne, daß sie, wie Herr Reinbeck meint, sich nicht unterstehen dür- fen, dasjenige, was ihre Herren sich zur
Speise
(o)
ſchritten: Allein der Menſch habe, Kraft der ihm anerſchafenen Herrſchaft uͤber die Thiere, dieſem Eingrife durch ein bloſſes Verbot vorbeugen und ſteuren koͤnnen.
Jch bekenne, dieſes waͤre ein herrliches Vorrecht geweſen: Aber es iſt, zu allem Ungluͤck, ſo groß, daß es unbegreiflich wird. Jch will nicht ſagen, daß Herr Reinbeck, ſo bald er den Thieren einen Trieb beyleget, auch von den Dingen zu eſſen, die zur Spei- ſe des Menſchen beſtimmet waren, dasje- nige umſtoͤſſet, was er von der goͤttlichen Eintheilung der Speiſen ſchreibet. Denn daß GOtt von einer Creatur, die keinen Verſtand und freien Willen hat, etwas verlangen, und derſelben doch einen Trieb laſſen ſollte, ſeiner Abſicht entgegen zu han- deln, das ſind Dinge, die nicht mit einan- der beſtehen koͤnnen. Eine ſolche Creatur muß nothwendig ihrem Triebe folgen, und iſt gantz und gar unfaͤhig, ſich nach Regeln zu richten, von welchen ſie nichts weiß. Jch will auch nicht ſagen, daß es, wenn die Thie- re die, von GOtt, in Anſehung der Speiſe, gemachte Ordnung uͤberſchritten haben, nicht wahr ſeyn koͤnne, daß ſie, wie Herr Reinbeck meint, ſich nicht unterſtehen duͤr- fen, dasjenige, was ihre Herren ſich zur
Speiſe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0698"n="606"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>ſchritten: Allein der Menſch habe, Kraft<lb/>
der ihm anerſchafenen Herrſchaft uͤber die<lb/>
Thiere, dieſem Eingrife durch ein bloſſes<lb/>
Verbot vorbeugen und ſteuren koͤnnen.</p><lb/><p>Jch bekenne, dieſes waͤre ein herrliches<lb/>
Vorrecht geweſen: Aber es iſt, zu allem<lb/>
Ungluͤck, ſo groß, daß es unbegreiflich wird.<lb/>
Jch will nicht ſagen, daß Herr Reinbeck,<lb/>ſo bald er den Thieren einen Trieb beyleget,<lb/>
auch von den Dingen zu eſſen, die zur Spei-<lb/>ſe des Menſchen beſtimmet waren, dasje-<lb/>
nige umſtoͤſſet, was er von der goͤttlichen<lb/>
Eintheilung der Speiſen ſchreibet. Denn<lb/>
daß GOtt von einer Creatur, die keinen<lb/>
Verſtand und freien Willen hat, etwas<lb/>
verlangen, und derſelben doch einen Trieb<lb/>
laſſen ſollte, ſeiner Abſicht entgegen zu han-<lb/>
deln, das ſind Dinge, die nicht mit einan-<lb/>
der beſtehen koͤnnen. Eine ſolche Creatur<lb/>
muß nothwendig ihrem Triebe folgen, und<lb/>
iſt gantz und gar unfaͤhig, ſich nach Regeln<lb/>
zu richten, von welchen ſie nichts weiß. Jch<lb/>
will auch nicht ſagen, daß es, wenn die Thie-<lb/>
re die, von GOtt, in Anſehung der Speiſe,<lb/>
gemachte Ordnung uͤberſchritten haben,<lb/>
nicht wahr ſeyn koͤnne, daß ſie, wie Herr<lb/>
Reinbeck meint, ſich nicht unterſtehen duͤr-<lb/>
fen, dasjenige, was ihre Herren ſich zur<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Speiſe</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[606/0698]
(o)
ſchritten: Allein der Menſch habe, Kraft
der ihm anerſchafenen Herrſchaft uͤber die
Thiere, dieſem Eingrife durch ein bloſſes
Verbot vorbeugen und ſteuren koͤnnen.
Jch bekenne, dieſes waͤre ein herrliches
Vorrecht geweſen: Aber es iſt, zu allem
Ungluͤck, ſo groß, daß es unbegreiflich wird.
Jch will nicht ſagen, daß Herr Reinbeck,
ſo bald er den Thieren einen Trieb beyleget,
auch von den Dingen zu eſſen, die zur Spei-
ſe des Menſchen beſtimmet waren, dasje-
nige umſtoͤſſet, was er von der goͤttlichen
Eintheilung der Speiſen ſchreibet. Denn
daß GOtt von einer Creatur, die keinen
Verſtand und freien Willen hat, etwas
verlangen, und derſelben doch einen Trieb
laſſen ſollte, ſeiner Abſicht entgegen zu han-
deln, das ſind Dinge, die nicht mit einan-
der beſtehen koͤnnen. Eine ſolche Creatur
muß nothwendig ihrem Triebe folgen, und
iſt gantz und gar unfaͤhig, ſich nach Regeln
zu richten, von welchen ſie nichts weiß. Jch
will auch nicht ſagen, daß es, wenn die Thie-
re die, von GOtt, in Anſehung der Speiſe,
gemachte Ordnung uͤberſchritten haben,
nicht wahr ſeyn koͤnne, daß ſie, wie Herr
Reinbeck meint, ſich nicht unterſtehen duͤr-
fen, dasjenige, was ihre Herren ſich zur
Speiſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/698>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.